Am 29. Mai 1991 begann das ICE-Zeitalter

Mit einem symbolischen Knopfdruck stellt Richard von Weizsäcker am 29. Mai 1991 im Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe pünktlich um 12 Uhr die Signale auf Grün für ein neues Eisenbahnzeitalter in Deutschland. Kurze Zeit vorher haben fünf fabrikneue ICE-Züge des Typs ICE1 in einer Sternfahrt aus Bonn, Hamburg, Mainz, Stuttgart und München einen großen Teil der 3.000 Ehrengäste zu der ebenfalls neu erbauten Station gebracht.

 

Vor genau 30 Jahren, am 29. Mai 1991, startete die DB ins ICE-Zeitalter. Heute ist bereits die vierte Generation der Superzüge unterwegs, hier auf der Schnellstrecke Leipzig-Erfurt-Nürnberg nahe Eltersdorf. Foto: DB

Die Ehrengäste und Medienvertreter ahnten an diesem Frühlingstag bestimmt noch nicht, dass sie Zeuge des Beginns einer Erfolgsgeschichte werden. „Einen Tag wie diesen und einen Auftrag wie diesen habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt“, so der damalige Bundespräsident. Seitdem hat sich der ICE, der Intercity-Express, zu einer Ikone entwickelt, die jeder kennt. Einen ausführlichen Beitrag lesen Sie in der Titelstory von DMM Print Februar 2021 „Ein Glücksgriff für die Geschäftsreise – 30 Jahre ICE“.

„In nur 30 Jahren hat die heute auf 330 Einheiten angewachsene ICE-Flotte geschafft, zum Star auf Schienen zu werden, zum Synonym für Hochgeschwindigkeit auf der Schiene. Der ICE gehört zu unserem Alltag wie der Karneval zum Rheinland, der Hafen zu Hamburg und die Currywurst zu Berlin. Aus unserem Leben ist der ICE nicht mehr wegzudenken“, so Bahnkonzernchef Dr. Richard Lutz.

„Doppelt so schnell wie das Auto, halb so schnell wie das Flugzeug“ – unter diesem Motto startet am 02. Juni 1991 dann der Regelbetrieb, seinerzeit auf den Neubaustrecken von Hannover nach Würzburg und Mannheim nach Stuttgart. Heute steht der ICE nicht mehr nur für schnelle Reisezeiten und hohen Reisekomfort, sondern wie kein anderer Zug für klimafreundliche Mobilität: Grund dafür ist, dass der Fernverkehr der DB mit 100 %  Ökostrom fährt. Der ICE verbindet die Metropolen ohne Stau und ist damit das Symbol für eine grüne Zukunft im Deutschlandtakt. „Der ICE ist ein wesentlicher Faktor für die Mobilitätswende. Ohne ihn wäre das Ziel, die Fahrgastzahlen im Fernverkehr in den nächsten Jahren auf 260 Millionen Reisende zu verdoppeln, nicht zu erreichen“, so Lutz weiter.

Seit 02. Juni 2021 bis heute haben mehr als 1,5 Mrd. Fahrgäste die weißen Züge mit dem roten Band – heute zusätzlichem grünen Öko-Band an den jeweiligen Zugenden – genutzt, unter ihnen etwa 40 % Geschäftsreisende. Heute verkehren die ICE mit Spitzengeschwindigkeiten von 300 km/h auf den Rennstrecken Köln-Rhein/Main, Nürnberg-Ingolstadt und Nürnberg-Erfurt-Halle/Leipzig Auf den SFS Würzburg-Hannover, Hannover-Berlin und Mannheim-Stuttgart dürfen sie im Regelfall nur mit Tempo 250 fahren, im Ausnahmefall 280 km/h. Auf den Ausbaustrecken (Hamburg-Berlin) und im Oberrheintal (Karlsruhe-Freiburg, soweit schon fertiggestellt) Tempo 230 km/h und auf den Altstrecken, soweit die für 200 km/h hergerichtet sind, 200 km/h.

Die schnellsten Renner sind die ICE 3 der Baureihen 403, 406 und 407 mit Vmax 330 km/h, wobei sie mit 320 km/h auf den französischen LGVs (Schnellstrecken) verkehren. Die jüngste Generation ICE4 (Baureihe 412) war als Zwölf, 13- und Siebenteiler bisher nur für Tempo 250 km/h zugelassen, ab August sollen sie 265 km/h fahren dürfen. Die DB erhofft sich von der neuen Spitzengeschwindigkeit ihres derzeitigen Flaggschiffs ICE4 eine Verbesserung der Pünktlichkeit.

Diesel-ICE-Dilemma. Die DB versuchte sich auch einmal mit einem vierteiligen Diesel-ICE. 20 Einheiten waren Anfang der 2000er beschafft worden. Sie sollten den Fernverkehr auf der Franken-Sachsen-Magistrale (Nürnberg-Hof-Chemnitz-Dresden) und auf der Allgäustrecke von München nach Zürich über Kempten, Lindau-Bregenz beschleunigen. Technische Mängel, hohe Verspätungsanfälligkeit und Zugausfälle bescherten der Baureihe 605 allerdings ein frühes Ende auf diesen Relationen. Später dann wurden sie als ICE von Berlin über Hamburg nach Kopenhagen eingesetzt, zuletzt nur noch von Hamburg nach Kopenhagen über die Vogelfluglinie. Inzwischen sind nur noch zwei Einheiten als Labortestzüge erhalten geblieben.  

Größtes Manko der ICE ist die Tatsache, dass sie nur auf vergleichsweise kurzen Strecken ihre Leistung voll ausfahren können. Denn oft viele Kilometer vor den Hauptbahnhöfen der deutschen Metropolen ist Schleichfahrt angesagt. So könnte die Reisezeit der ICE zwischen München und Berlin locker weniger als drei Stunden dauern, würden die Schnellstrecken direkt in die großen Städte geführt. In Spanien, Frankreich, Japan und China sind die Fahrzeiten der dort eingesetzten Hochgeschwindigkeitszüge (u.a. auch Derivate der deutschen ICE in Spanien, Russland, der Türkei und China) wesentlich kürzer als in Deutschland.  

Siemens und die ICE-Züge. Vor 30 Jahren, am 29. Mai 1991, wurde mit einer Sternfahrt von sechs ICE 1 nach Kassel-Wilhelmshöhe der Hochgeschwindigkeitsverkehr in Deutschland eingeläutet. Wenige Tage später, am 2. Juni 1991, nahmen die ersten ICE-Züge den Verkehr in Deutschland auf. Durch die Neubaustrecken Hannover–Würzburg und Mannheim–Stuttgart verkürzten sich die Reisezeiten auf den Nord-Süd-Verbindungen um bis zu zwei Stunden.  Die ICE-Familie wird in den folgenden Jahren konsequent weiterentwickelt: 1996 wird der ICE 2 und bereits vier Jahre später der ICE 3 vorgestellt. Während der ICE 1 und der ICE 2 unter Siemens-Beteiligung entwickelt und gebaut wurden, ist der ICE 3 eine komplette Eigenentwicklung von Siemens. Er ist erstmals auch für den grenzüberschreitenden Verkehr in die Niederlande, nach Frankreich und Belgien einsetzbar, da er auf die vier unterschiedlichen Netzspannungen und die verschiedenen Zugsicherungssysteme ausgelegt ist. Es sind Deutschlands erste Hochgeschwindigkeitszüge für Spitzengeschwindigkeiten von über 300 km/h. Die Antriebskomponenten sind vollständig unter dem Zug verteilt, die Sitzplatzkapazität kann dadurch deutlich erhöht werden.

2016 beginnt mit dem ICE 4 von Siemens Mobility eine neue Ära im ICE-Verkehr der Deutschen Bahn. Der ICE 4 wird mit seiner flexiblen Zuglänge und dem großen Platzangebot (918 Sitzplätze im 13-Teiler) das neue Rückgrat des Fernverkehrs. Die Züge verfügen über eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 250 km/h (zukünftig bis zu 265 km/h). Es ist der bis heute größte Auftrag in der Geschichte von Siemens Mobility. Aktuell verstärkt alle drei Wochen ein neuer ICE 4 die Fernverkehrsflotte der DB. Bis 2024 wird Siemens Mobility insgesamt 137 ICE4-Züge an die Deutsche Bahn liefern. Im Juli 2020 beauftragte die Deutsche Bahn Siemens Mobility zusätzlich mit der Lieferung von 30 Hochgeschwindigkeitszügen vom Typ ICE 3 neo (Velaro MS). Technisch basiert der neue Zug auf der bewährten Velaro-Plattform des ICE 3.

Daten & Fakten: Ein ICE3/Velaro D Baureihe 407 besteht aus rund 5.800 Komponenten von 320 Zulieferern, in Summe sind das rund 40.000 Teile, mehr als 320 km Kabel und 18 km Schweißnähte pro Fahrzeug, hinzu kommen mehr als 630 Testdokumente mit über 30.000 Seiten.

  • Die Fahrzeuge zeichnen sich durch ihre Langlebigkeit aus, die Nutzungsdauer beträgt in der Regel mehr als 30 Jahre. Der ICE „Gütersloh“ beispielsweise ist ein ICE 1 (Baureihe 401), hat die Triebzugnummer 158 und wurde im Juni 1991 in Betrieb genommen. Seitdem hat er zuverlässig rund 15 Mio. km abgespult, was in etwa 39-mal der durchschnittlichen Strecke von der Erde zum Mond entspricht (384.000 km).
  • Die Recyclingquote der ICE-Züge liegt bei mehr als 95 Prozent, beim ICE 3 sind es beispielsweise 98,1% (Baureihe 407). Quelle: DB / Siemens / DMM