BGH verhandelt weitere Dieselskandal-Fälle

Am 21. Juli 2021 ist beim BGH Verhandlungstermin in Sachen VIII ZR 254/20, VIII ZR 118/20, VIII ZR 275/19 und VIII ZR 357/20 (Anspruch des Käufers auf Ersatzlieferung bei Fahrzeug mit Dieselmotor EA 189). Es geht dabei um den leidigen Dieselskandal und geprellte Autohäufer. Für diesen Verhandlungstermin sind vier Verfahren terminiert, in denen die Käufer vor geraumer Zeit (in den Jahren 2009 oder 2010) jeweils ein mit einem Dieselmotor EA 189 ausgestattetes Neufahrzeug erworben hatten.

Allen Fällen ist weiter gemeinsam, dass die Käufer ihr Nachlieferungsbegehren erstmals sieben oder acht Jahre nach dem Abschluss des Kaufvertrages geltend gemacht hatten und das ursprünglich erworbene Fahrzeugmodell zum Zeitpunkt des Nachlieferungsverlangens nicht mehr hergestellt wurde. Die jeweiligen Verkäufer haben die Einrede der Verjährung nicht erhoben beziehungsweise hatten auf die Einrede – auch soweit Verjährung bereits eingetreten war - ausdrücklich verzichtet. In allen vier Verfahren hatten die Käufer die Kraftfahrzeuge zudem als Verbraucher erworben, so dass sie im Falle einer Nachlieferung für die Nutzung des zunächst gelieferten mangelhaften Fahrzeugs keinen Ersatz schulden (§ 474 Abs. 5 BGB aF bzw. § 475 Abs. 3 BGB nF).

Die Berufungsgerichte haben die Verkäufer in zwei Fällen zu der vom Käufer begehrten Ersatzlieferung verurteilt; in den beiden anderen Fällen hatten die Käufer mit ihrem Begehren auf Nachlieferung eines Neufahrzeugs keinen Erfolg.

Im Verfahren VIII ZR 254/20 hatte der Kläger aufgrund Kaufvertrags vom 20. April 2009 von der beklagten Vertragshändlerin einen fabrikneuen VW-Tiguan zum Preis von 27.618,64 € erworben. Dieses Modell wird seit dem Jahr 2013 nicht mehr hergestellt; das Nachfolgemodell verfügt über einen Motor der Baureihe EA 288 und die Schadstoffklasse Euro 6. Ein Aufspielen des Software-Updates lehnte der Käufer mit Schreiben vom 7. März 2017 ab und forderte stattdessen die Nachlieferung eines fabrikneuen typengleichen Fahrzeugs. Die auf Neulieferung eines fabrikneuen Fahrzeugs Zug-um-Zug gegen Rückgabe des mangelhaften Fahrzeugs gerichtete Klage hat in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Köln Erfolg gehabt.

Das Oberlandesgericht Köln (18 U 59/18) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dem Käufer stehe wegen des in der fehlerhaften Software liegenden Mangels des Fahrzeugs der geltend gemachte Anspruch auf Nachlieferung eines Neufahrzeugs zu. Der zwischenzeitliche Modellwechsel führe nicht dazu, dass der Anspruch wegen Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sei. Aus der maßgeblichen Sicht der Parteien sei auch ein Fahrzeug der neuen Generation geeignet, den Nachlieferungsanspruch des Käufers zu erfüllen. Die Nachlieferung sei auch nicht unverhältnismäßig nach § 439 Abs. 3 BGB aF. Auf eine (kostengünstige) Nachbesserung durch ein Aufspielen des Updates müsse sich der Kläger nicht verweisen lassen, weil nicht feststehe, dass keine Folgeprobleme entstünden. Die Nachlieferung sei auch nicht absolut unverhältnismäßig. Dies gelte selbst bei Zugrundelegung des von der Beklagten vorgetragenen, rund 70 % höheren Beschaffungspreis für das Nachfolgemodell. Denn einerseits reduziere sich ihr Beschaffungsaufwand durch den Restwert des ursprünglichen Fahrzeugs und andererseits könne sie gemäß § 478 BGB aF bei der Herstellerin des Fahrzeugs Regress nehmen.

Im Verfahren VIII ZR 118/20 hatte der Kläger aufgrund Kaufvertrags vom 29. April/15. Mai 2009 von der beklagten Vertragshändlerin ein fabrikneues Fahrzeug VW-Golf zum Preis von 17.181,03 € erworben. Die Herstellerin dieses Fahrzeugtyps beendete die Produktion dieser Modellreihe im Juni 2009 und stellte sie auf eine neue Modellreihe (mit einem die Anforderung der Euro-6 Norm erfüllenden Motor EA 288) um. Auch in diesem Fall lehnte der Käufer das ihm angebotene Aufspielen eines Updates ab und verlangte mit Schreiben vom 31. Juli 2017 die Lieferung eines Neuwagens. Die Klage des Käufers auf Nachlieferung hat auch hier vor dem Oberlandesgericht Köln (6 U 24/19) Erfolg gehabt. Die Nachlieferung sei nicht wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen, da das Nachfolgemodell erfüllungstauglich sei. Der Umstand, dass die Einführung des Nachfolgemodells bei Abschluss des Kaufvertrags unmittelbar bevorgestanden habe, ändere daran nichts. Die Beklagte könne die Nachlieferung auch nicht § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB aF wegen relativer Unverhältnismäßigkeit der Kosten der Ersatzbeschaffung im Vergleich zur Nachbesserung verweigern. Denn die Beklagte habe nicht ausreichend dargelegt, inwiefern der Mangel allein durch ein Update der Software in der Weise behoben werden könne, dass dem Käufer keine anderweitigen Nachteile wie etwa erhöhter Verbrauch, geringere Laufleistung und höhere Lautstärke entstünden.  

Im Verfahren VIII ZR 275/19 hatte der Kläger am 23. Oktober 2009 ein Neufahrzeug Audi A 5 Sportback zum Preis von 45.070 € bei der beklagten Autohändlerin bestellt. Mit Anwaltsschreiben vom 11. Oktober 2016 verlangte er die Nachlieferung eines Fahrzeugs aus der nunmehr aktuellen Modellreihe und erhob im Februar 2017 eine entsprechende Klage. Diese Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht (Saarländisches Oberlandesgericht - 2 U 92/17) hat darauf abgestellt, dass sich die Beklagte gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Ersatzlieferung auf die Einrede der relativen Unverhältnismäßigkeit gemäß § 439 Abs. 3 aF, jetzt § 439 Abs. 4 BGB) berufen könne. Die mit 10.170,71 € zu veranschlagenden Kosten der Nachlieferung überstiegen die Kosten der Nachbesserung (100 €) bei weitem. Der Kläger habe auch nicht substantiiert dargetan, dass das Aufspielen des Updates zu neuen Mängeln an dem Fahrzeug führe.

Im Verfahren VIII ZR 357/20 hatte der Kläger von der beklagten Herstellerin im Januar 2010 ein Neufahrzeug VW-Tiguan zum Preis von 28.662,01 € erworben. Mit Schreiben vom 18. März 2018 forderte er die Beklagte vergeblich zur Lieferung eines mangelfreien typengleichen Neufahrzeugs aus der aktuellen Modellreihe, Zug um Zug gegen Rückgabe des mangelhaften Fahrzeugs, auf. Diesen Anspruch hat er im vorliegenden Verfahren als Hauptantrag weiterverfolgt und hilfsweise Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs, und weiter hilfsweise Zug um Zug gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung begehrt. Der Hauptantrag auf Ersatzlieferung hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt, während dem Hilfsantrag auf Schadensersatz teilweise – nämlich unter Abzug einer Nutzungsentschädigung für (im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung mit dem Fahrzeug zurückgelegte) 257.568 Kilometer – stattgeben worden ist.

Die auf Nachlieferung gerichtete Klage hat das Berufungsgericht (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht - 6 U 43/19) dagegen für unbegründet erachtet, weil die Beklagte – angesichts von Ersatzbeschaffungskosten von 9.000 € und Nachbesserungskosten das Aufspielen des Update von nur 100 Euro - mit Erfolg die Einrede der relativen Unverhältnismäßigkeit erhoben habe. Dazu, dass das Update zu neuen Mängeln führe, habe der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht ausreichend substantiiert vorgetragen. Soweit er auf geringere Motorleistungen, erhöhten Wartungsaufwand und höheren Verbrauch hingewiesen habe, handele es sich um bloße Vermutungen ohne objektivierbare Grundlage. Quelle: BGH / DMM