EU zieht beim Verkehr die Umweltschrauben an

Die Europäische Kommission hat am Mittwoch, 14. Juli 2021, das Paket „Fit for 55“ angenommen, um die Politik der EU in den Bereichen Klima, Energie, Landnutzung, Verkehr und Steuern so zu gestalten, dass die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 gesenkt werden können. Diese Verringerung der Emissionen im kommenden Jahrzehnt ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg Europas, bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu werden und den europäischen Grünen Deal zu verwirklichen.

Die vorgelegten Vorschläge sollen das erforderliche Tempo bei der Verringerung der Treibhausgasemissionen in den nächsten zehn Jahren möglich machen. Sie kombinieren folgende Maßnahmen: Emissionshandel für neue Sektoren und strengere Auflagen im Rahmen des bestehenden Emissionshandelssystems der EU; verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien; mehr Energieeffizienz; schnellere Einführung emissionsarmer Verkehrsträger und der entsprechende Infrastruktur und Kraftstoffe; Angleichung der Steuerpolitik an die Ziele des europäischen Grünen Deals; Maßnahmen zur Prävention der Verlagerung von CO2-Emissionen; Instrumente zur Erhaltung und Vergrößerung unserer natürlichen CO2-Senken.
Durch das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) wird CO2 bepreist. Außerdem werden die Obergrenzen für die Emissionen einzelner Wirtschaftszweige jedes Jahr gesenkt. So konnten die Emissionen aus der Stromerzeugung und energieintensiven Industriezweigen in den letzten 16 Jahren um 42,8 % gesenkt werden. Nun schlägt die Kommission vor, die Obergrenze für alle Emissionen noch weiter zu senken und die jährliche Kürzung zu erhöhen. Ein weiterer Vorschlag der Kommission ist, die kostenlosen Emissionszertifikate für den Luftverkehr schrittweise abzuschaffen und mit dem internationalen System zur Verrechnung und Reduzierung von Kohlenstoffdioxid für die internationale Luftfahrt (CORSIA) gleichzuziehen und Schifffahrtsemissionen erstmals in das EU-EHS einzubeziehen. Um die fehlenden Emissionsreduktionen im Straßenverkehr und im Gebäudesektor anzugehen, wird ein separates neues Emissionshandelssystem für die Treib- bzw. Brennstoffversorgung in diesen Sektoren eingeführt. Die Kommission schlägt auch vor, den Innovationsfonds und den Modernisierungsfonds aufzustocken.

Um die erheblichen Klimaausgaben des EU-Haushalts zu ergänzen, sollten die Mitgliedstaaten die Gesamtheit ihrer Einnahmen aus dem Emissionshandel für klima- und energiebezogene Projekte bereitstellen. Ein bestimmter Teil der Einnahmen aus dem neuen Emissionshandelssystem für den Straßenverkehr und den Gebäudesektor sollte zur Abfederung etwaiger sozialer Auswirkungen auf sozial schwächere Privathaushalte, Kleinstunternehmen und Verkehrsteilnehmer vorgesehen werden.

In der Lastenteilungsverordnung werden den Mitgliedstaaten neue strengere Emissionssenkungsziele zugewiesen für Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und kleine Unternehmen. Dabei wurde den unterschiedlichen Ausgangssituationen und Kapazitäten in den einzelnen Mitgliedstaaten Rechnung getragen und das jeweilige Pro-Kopf-BIP zugrunde gelegt sowie Anpassungen aus Gründen der Kosteneffizienz vorgenommen.

75 % der Emissionen in der EU stammen aus der Erzeugung und dem Verbrauch von Energie. Deshalb ist ein schnellerer Übergang zu einem umweltfreundlicheren Energiesystem von grundlegender Bedeutung. Daher wird die Zielvorgabe für die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen bis 2030 in der Richtlinie über erneuerbare Energien auf 40 % erhöht. Alle Mitgliedstaaten werden zu diesem Ziel beitragen, und es werden spezifische Ziele für die Nutzung erneuerbarer Energien in den Sektoren Verkehr, Heizung und Kühlung, Gebäude und Industrie vorgeschlagen. Im Interesse unserer Klima- und unserer Umweltziele werden die Nachhaltigkeitskriterien für die Nutzung von Bioenergie verstärkt, und die Mitgliedstaaten müssen Förderregelungen für Bioenergie so ausgestalten, dass der Grundsatz der Kaskadennutzung für Holzbiomasse gewahrt wird. Um den Energieverbrauch insgesamt zu senken, Emissionen zu verringern und Energiearmut zu bekämpfen, sieht die Energieeffizienz-Richtlinie ein ehrgeizigeres verbindliches Jahresziel für die Senkung des Energieverbrauchs auf der EU-Ebene vor. Sie dient als Richtschnur für die Festlegung der nationalen Beiträge und erhöht die jährliche Energieeinsparverpflichtung der Mitgliedstaaten auf fast das Doppelte.

Faktisches Verbot von Verbrennerautos. Um gegen die zunehmenden Emissionen aus dem Straßenverkehr vorzugehen, ist eine Kombination von Maßnahmen erforderlich, die den Emissionshandel ergänzt. Strengere CO2-Emissionsnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge werden den Übergang zur emissionsfreien Mobilität beschleunigen, da die durchschnittlichen jährlichen Emissionen neuer Fahrzeuge ab 2030 55 % und ab 2035 100 % niedriger sein müssen als 2021. Im Ergebnis werden alle ab 2035 zugelassenen Neuwagen emissionsfrei sein. Im Klartext: Bis dahin dürfen keine Verbrenner mehr zugelassen sein. Damit Fahrzeuge in einem verlässlichen EU-weiten Netz aufgeladen oder aufgetankt werden können, schreibt die überarbeitete Verordnung über Infrastruktur für alternative Kraftstoffe vor, dass die Mitgliedstaaten die Ladekapazität nach Maßgabe der Absatzmengen emissionsfreier Fahrzeuge ausbauen und entlang der großen Verkehrsstraßen in regelmäßigen Abständen Tank- und Ladestationen installieren, und zwar alle 60 km für das Aufladen elektrischer Fahrzeuge und alle 150 km für die Betankung mit Wasserstoff.

Luftfahrt und Schifffahrt. Flug- und Schiffstreibstoffe verschmutzen die Umwelt erheblich und müssen ebenfalls gezielt angegangen werden, um den Emissionshandel zu ergänzen. Gemäß der Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe müssen Flugzeuge und Schiffe in großen Häfen und Flughäfen Zugang zu sauberem Strom haben. Im Rahmen der Initiative „ReFuelEU Aviation“ werden Kraftstoffanbieter verpflichtet, dem an Flughäfen in der EU angebotenen Turbinenkraftstoff nach und nach mehr nachhaltige Flugkraftstoffe beizumischen, einschließlich synthetischer CO2-armer Kraftstoffe, die E-Fuels genannt werden. Die Initiative „FuelEU Maritime“ wird ihrerseits die Nutzung nachhaltiger Schiffskraftstoffe und emissionsfreier Technologien fördern im Wege einer Obergrenze für den Treibhausgasgehalt des Energieverbrauchs von Schiffen, die europäische Häfen anlaufen.

Ein sozialverträglicher Übergang. Mittel- bis langfristig überwiegen die Vorteile der EU-Klimapolitik zwar eindeutig die Kosten dieses Übergangs, aber es besteht die Gefahr, dass sozial schwächere Haushalte, Kleinstunternehmen und Verkehrsteilnehmer kurzfristig aufgrund von Klimastrategien stärker unter Druck geraten. Die Strategien in dem heute vorgestellten Paket sind daher so ausgestaltet, dass die Kosten der Bekämpfung und Anpassung an den Klimawandel gerecht verteilt werden.

Außerdem werden durch die CO2-Bepreisung Einnahmen erzielt, die wieder in Innovation, Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze investiert werden können. Aus einem neuen Klima-Sozialfonds erhalten die Mitgliedstaaten eigens Mittel, die sie Bürgerinnen und Bürgern für Investitionen in Energieeffizienz, neue Heiz- und Kühlsysteme und sauberere Mobilität gewähren können. Finanziert wird der Klima-Sozialfonds mit einem Betrag aus dem EU-Haushalt, der 25 % der erwarteten Einnahmen aus dem Emissionshandel für Brenn- bzw. Treibstoffe im Gebäudesektor und Straßenverkehr entspricht. Nach einer entsprechenden Änderung des Mehrjährigen Finanzrahmens werden dann aus dem Fonds für den Zeitraum 2025-2032 72,2 Mrd. Euro für die Mitgliedstaaten bereitgestellt. Da vorgeschlagen wird, dass die Mitgliedstaaten Mittel in derselben Höhe bereitstellen, könnte der Fonds 144,4 Mrd. Euro für einen sozialverträglichen Übergang mobilisieren.

Die Vorteile, jetzt zum Schutz von Mensch und Planet zu handeln, liegen klar auf der Hand: sauberere Luft, kühlere und grünere Städte, gesündere Menschen, geringerer Energieverbrauch und niedrigere Energierechnungen, Arbeitsplätze, Technologien und Chancen für die Industrie in Europa, mehr Raum für Natur und ein gesünderer Planet für die künftigen Generationen. Die zentrale Herausforderung des grünen Wandels der EU besteht darin, die damit einhergehenden Vorteile und Chancen so rasch und gerecht wie möglich für alle zu erschließen. Wenn wir das politische Instrumentarium einsetzen, über das wir auf der EU-Ebene verfügen, können wir dafür sorgen, dass der Wandel schnell genug vorankommt, aber gleichzeitig keine zu großen Störungen verursacht.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen: „Die Wirtschaft der fossilen Brennstoffe stößt an ihre Grenzen. Wir wollen der nächsten Generation sowohl einen gesunden Planeten hinterlassen als auch gute Arbeitsplätze und Wachstum, das unsere Natur nicht schädigt. Der europäische Grüne Deal ist unsere Wachstumsstrategie in Richtung dekarbonisierte Wirtschaft. Europa hat als erster Kontinent angekündigt, bis 2050 klimaneutral zu sein, und nun sind wir ebenfalls die Ersten, die einen konkreten Plan vorlegen. Europa lässt seinen Worten zur Klimapolitik Taten folgen durch Innovation, Investitionen und Sozialmaßnahmen.“

Der für den europäischen Grünen Deal zuständige Exekutiv-Vizepräsident Frans Timmermans: „Dieses ist die alles entscheidende Dekade im Kampf gegen die Klima- und die Biodiversitätskrise. Die Europäische Union hat ehrgeizige Ziele gesteckt, und heute legen wir Vorschläge vor, wie wir sie erreichen können. Der Weg zu einer grünen und gesunden Zukunft für alle erfordert erhebliche Anstrengungen in allen Sektoren und in allen Mitgliedstaaten. Zusammen werden unsere Vorschläge Ansporn für die notwendigen Veränderungen sein, allen Bürgerinnen und Bürgern die Vorteile von Klimaschutzmaßnahmen so rasch wie möglich erschließen und die sozial schwächsten Haushalte unterstützen. Europas Übergang wird fair, grün und wettbewerbsfähig sein.“

Die für Verkehr zuständige Kommissarin Adina Vălean: „Mit unseren drei Initiativen im Verkehrssektor – ReFuel Aviation, FuelEU Maritime und der Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe – werden wir die Umgestaltung des Sektors zu einem zukunftssicheren System fördern. Wir werden einen Markt für nachhaltige alternative Kraftstoffe und CO2-arme Technologien schaffen und gleichzeitig für die richtige Infrastruktur zur flächendeckenden Einführung emissionsfreier Fahrzeuge und Schiffe sorgen. Dieses Paket wird uns neben der Ökologisierung von Mobilität und Logistik noch mehr bringen. Es ist eine Chance, die EU zu einem Pilotmarkt für modernste Technologien zu machen.“ Quelle: EU-Kommission / DMM