Luftfahrt sieht Erholung um 2025 herum

Die Globalisierung fordert ihre Opfer: Seit 2020 bereitet die Corona-Pandemie nicht nur der weltweiten Luftverkehrswirtschaft dicke Probleme. Die Folge der bisher längsten und tiefsten Krise sind massive wirtschaftliche Verluste für die Fluggesellschaften, Flughäfen, Flugsicherung und auch die Einzelhandelsunternehmen an den Airports. Dies zeigt die Jahresbilanz 2020 des Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL).

Es wird wohl noch einige Jahre dauern bis sich die Luftfahrt wieder vollständig erholt hat. Foto: Lufthansa

Die Passagierzahlen an den deutschen Flughäfen sind 2020 gegenüber dem Vorjahr um 75 % eingebrochen. Die deutschen Fluggesellschaften transportierten ebenfalls 75 % weniger Passagiere als im Vorjahr. Gründe dafür waren Reisebeschränkungen in Form von Einreiseverboten und Quarantäneregeln sowie die gesunkene Passagiernachfrage in der Pandemie.  

Dabei war der Einbruch bei den deutschen Flughäfen und bei den deutschen Fluggesellschaften noch stärker als im weltweiten Durchschnitt. Denn Luftverkehr ab Deutschland ist besonders stark durch internationalen Verkehr geprägt, und internationale Verkehre sind stärker von den aktuellen Reisebeschränkungen betroffen als große Inlandsmärkte wie etwa in den USA und in Asien. 

Mit den seit November 2020 nochmals verschärften Reisebeschränkungen ist die Nachfrage nach Luftverkehr an den deutschen Flughäfen auf nur noch 10 % im November und 12 % im Dezember zurückgegangen. Entsprechend liegt auch das derzeitige Flugangebot bei gerade einmal 20 % des sonst üblichen Flugangebots im Januar.

In der Folge verzeichnen Fluggesellschaften, Flughäfen und die dort tätigen Unternehmen hohe Umsatzeinbrüche und eine stark steigende finanzielle Verschuldung. Es droht der Abbau von jedem vierten Arbeitsplatz in der deutschen Luftverkehrswirtschaft. Zudem schränkt die angespannte Finanzlage den Spielraum für notwendige Investitionen in Nachhaltigkeit und Innovation ein und gefährdet so die Zukunftsfähigkeit des deutschen Luftverkehrsstandortes – all das, obwohl die Unternehmen unverschuldet in diese Lage geraten sind.

BDL-Präsident Peter Gerber: „Die deutsche Luftverkehrswirtschaft war über weite Teile des Jahres im Dauerlockdown und ist nun nahe des Stillstands. Das darf sich in diesem Jahr nicht fortsetzen, sonst drohen irreversible Strukturbrüche mit dramatischen Folgen für die Anbindung des deutschen Wirtschaftsstandortes und für die Reisewirtschaft. Es ist uns bewusst, dass wir gegenwärtig eine sehr schwierige Phase der Pandemie durchleben und dass in dieser Phase Reisen nur sehr eingeschränkt möglich sind. Worum es aber geht, ist, dass wir jetzt miteinander definieren und festlegen, wie das Reisegeschehen nach dem jetzigen kleinen deutschen Lockdown (die meisten anderen Länder gehe sehr viel restriktiver vor) wieder möglich wird – auch wenn die Pandemie dann noch nicht überwunden ist. Wir halten es für erforderlich, die kaum kontrollierbaren Quarantänepflichten durch eine wirksame Teststrategie zu ersetzen, auch im Sinne eines effektiven Gesundheitsschutzes. Wir setzen darauf, dass Bund und Länder diesen Weg einschlagen werden, damit mit diesen Maßnahmen ab Ostern die Reisebeschränkungen aufgehoben werden können.“ Gerber betonte, dass die deutschen Luftverkehrsunternehmen die Vorsichtsmaßnahmen, die von der Politik und den Behörden verhängt werden, konsequent umsetzen.

Der BDL geht davon aus, dass auf längere Sicht die Nachfrage nach Luftverkehr schrittweise wieder deutlich steigen wird und rechnet für den deutschen Markt damit, dass im Luftverkehr das Niveau von 2019 zur Mitte des Jahrzehnts wieder erreicht werden kann. Dieses Szenario setzt voraus, dass die gesundheitliche Krise im Verlauf des Jahres 2021 beendet sein wird und die Rezession bis Ende 2022 überwunden ist.

Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Neubelebung des Luftverkehrs unterstrich der BDL-Präsident, wie wichtig es sei, das Fliegen stärker mit dem Klimaschutz in Einklang zu bringen. Er verwies auf den von der Branche vorgelegten „Masterplan Klimaschutz im Luftverkehr“, mit dessen Umsetzung der Flughafen- und Flugbetrieb schrittweise CO2-neutral gestaltet werden könne. Der Masterplan umfasst die ökologische Flottenmodernisierung, den Systemwechsel hin zu alternativen Kraftstoffen, eine Optimierung der Flugführung, eine Verbesserung des intermodalen Zusammenwirkens mit der Bahn, wirkungsvolle Instrumente der CO2-Bepreisung sowie Maßnahmen in Richtung CO2-Neutralität von Flughafenbetreibern sowie Retail- und Gastronomiebetrieben an den Flughäfen.

„Wirksame Fortschritte für den Klimaschutz im Luftverkehr lassen sich nur mit wirtschaftlich gesunden Unternehmen erreichen, die über die notwendigen Investitionsmittel verfügen. Daher muss die Branche so rasch wie möglich ihre Investitionskraft zurückgewinnen. Außerdem braucht der Luftverkehr für einen wirksamen Klimaschutz zielführende Rahmenbedingungen, mit denen Emissionen effektiv reduziert und eine bloße CO2-Verschiebung ausgeschlossen werden können“, so der BDL-Präsident.

Die Ergebnisse im Einzelnen:

  1. Fluggesellschaften: Der weltweite Luftverkehr ist im Jahr 2020 um zwei Drittel gegenüber dem Vorjahr eingebrochen. Mit der einsetzenden Pandemie ist der Passagierverkehr im April beinahe vollständig zum Erliegen gekommen. In den Sommermonaten erholte sich der Flugverkehr langsam wieder. Mit dem seit September wieder steigenden Infektionsgeschehen und den damit einhergehenden Reisebeschränkungen stagnierte diese Erholung aber und ging in Europa sogar wieder zurück. Mit einem weltweiten Rückgang von 49 % waren Inlandsverkehre weniger stark von den pandemiebedingten Einbrüchen betroffen als internationale Verkehre, die um 75 % zurückgingen. Aus diesem Grund haben sich die Märkte auch unterschiedlich entwickelt: In Weltregionen, die von großen Inlandsmärkten geprägt sind, wie in den USA oder Asien, war der Rückgang des Verkehrs nicht so groß wie in Weltregionen, die stärker durch internationale Verkehre geprägt sind, wie in Europa oder im Nahen Osten. Die deutschen Fluggesellschaften transportierten 2020 rund 40 Mio. Passagiere und damit 75 % weniger als im Vorjahr.
  2. Flughäfen: Die Passagiernachfrage an den deutschen Flughäfen ist nach den ersten zwei Monaten des Jahres stark eingebrochen und hat sich nur für einen kurzen Zeitraum im Sommer leicht erholt. Insgesamt begrüßten die deutschen Flughäfen 2020 rund 63 Mio. Passagiere und damit 75 % weniger als im Vorjahr. Dabei war der Einbruch der Nachfrage gleichmäßig über alle Verkehrssegmente – innerdeutsch, innereuropäisch, interkontinental – verteilt und hat große Flughäfen mit Drehkreuzbetrieb in gleichem Maße getroffen wie kleine Flughäfen. Auch im europäischen Vergleich zeigen sich keine grundsätzlichen Unterschiede: Der Passagierrückgang liegt bei nahezu allen großen Flughäfen Europas zwischen 70 und 80 %. Verglichen mit der weltweiten Entwicklung waren die Einbrüche bei den deutschen Flughäfen aber fast das ganze Jahr lang stärker als im weltweiten Trend. Hauptgrund dafür ist auch hier, dass der deutsche Markt vor allem durch internationale Verbindungen geprägt ist und dass diese noch stärker eingebrochen sind als Inlandsverkehre, die in anderen Regionen der Welt eine größere Rolle spielen.
  3. Flugbewegungen: Die deutsche Flugsicherung hat 2020 insgesamt 1.460.768 Flüge nach Instrumentenflugregeln in und über Deutschland gezählt. Mit einem Minus von 56 % sind die Flugbewegungen nicht ganz so stark zurückgegangen wie die Passagiernachfrage. Gründe dafür sind, dass mit dem Passagierrückgang auch die Auslastung der Flugzeuge gesunken ist und dass die Fluggesellschaften auch eher kleinere Flugzeuge auf den Strecken eingesetzt haben. Eine weitere Ursache ist der nur geringe Rückgang beim Frachtverkehr.
  4. Travel Retail: 60 % der europäischen Passagiere kaufen regelmäßig am Flughafen ein. Damit leisten Einnahmen aus dem Travel-Retail-Geschäft einen strukturell wichtigen Beitrag zur Finanzierung von Flughäfen. In der Covid-19-Krise haben sich die Verkäufe der Travel-Retail-Unternehmen analog zu denen im Passagiergeschäft entwickelt, und in der Folge haben die Retail-Betriebe hohe Umsatzverluste zu verkraften.
  5. Auswirkungen auf die Unternehmen: Mit dem Einbruch der Passagiernachfrage und den zahlreichen Beschränkungen im Reiseverkehr sind die Umsätze von Fluggesellschaften, Flughäfen, Flugsicherung und den Dienstleistungs- und Retailbetrieben an den Flughäfen nahezu komplett weggebrochen. Die Unternehmen haben mit zahlreichen Maßnahmen zur Kostensenkung gegengesteuert, dennoch führte der Umsatzausfall zu einem starken Anstieg der Verschuldung und damit zu einer Minderung der Investitionskraft der Unternehmen. Mit der Kurzarbeiterregelung konnten 2020 viele Arbeitsplätze und wichtiges Know-how in den Unternehmen erhalten werden. In der Spitze waren 80 % der Beschäftigten in der deutschen Luftverkehrswirtschaft in Kurzarbeit. Dennoch sind aktuell 60.000 der 255.000 Arbeitsplätze in der deutschen Luftverkehrswirtschaft vom Abbau bedroht, also fast jeder vierte Job. Es gab vereinzelte Insolvenzen, sowohl in Deutschland als auch im Rest der Welt. Größere Marktaustritte oder Übernahmen sind aber bislang ausgeblieben, wodurch die Marktstruktur bislang im Wesentlichen erhalten geblieben ist. An den Flughäfen drohen weitere Einnahmeausfälle durch Insolvenzen von dort ansässigen Unternehmen, sobald die Regeln zur Insolvenzanmeldung wieder in Kraft gesetzt werden.

 
Kurzfristiger Ausblick: Aufgrund des starken Infektionsgeschehens und der weitreichenden Reisebeschränkungen wird zu Beginn des Jahres 2021 nur ein Bruchteil des üblichen Flugverkehrs angeboten. Gegenüber dem Referenzjahr 2019 liegt das Flugangebot in Sitzen im Januar und im Februar bei 20 %. Mit einsetzendem Sommerflugplan stehen für März dann 47 % in den Flugplänen, wobei die deutschen Fluggesellschaften beim Kapazitätsaufbau in Summe etwas vorsichtiger agieren als die ausländischen Fluggesellschaften.

Langfristiger Ausblick: Aufgrund einer veränderten Nachfrage im Geschäftsreiseverkehr wie auch bei touristischen Reisen wird der Luftverkehr in den nächsten Jahren nicht zu der ursprünglich prognostizierten Entwicklung zurückkehren – weder weltweit noch speziell in Deutschland. Ein Szenario für den deutschen Markt, das davon ausgeht, dass die gesundheitliche Krise bis Ende 2021 und die Rezession bis Ende 2022 überwunden ist, sieht auch für die nachfolgenden Jahre Auswirkungen auf das Passagiergeschäft. Demnach wird das Niveau von 2019 voraussichtlich im Jahr 2025 wieder erreicht. Die einzelnen Verkehrssegmente werden sich voraussichtlich in unterschiedlicher Geschwindigkeit erholen: Der private Reiseverkehr wird aller Voraussicht nach schneller das Vorkrisenniveau erreichen als der Geschäftsreiseverkehr. Insgesamt gehen in dem Szenario im Zeitraum von 2020 bis 2030 rund 25 % der Verkehrsleistung im deutschen Markt verloren.  Quelle: BDL / DMM