Nicht alle Allgäuer profitieren von der Elektrifizierung der Strecke München-Lindau

Das Schienennetz im Allgäu gilt als eine der größten Diesel-Inseln in Deutschland. Doch damit ist bald Schluss – zumindest teilweise: Die frisch elektrifizierte Strecke (München –) Geltendorf – Memmingen – Lindau geht Ende 2020 in Betrieb. Aber selbst eine lang erwartete Infrastrukturmaßnahme wie diese kann die Planer der BEG ins Schwitzen bringen. Denn nicht alle Allgäuer profitieren gleichermaßen von der Elektrifizierung.

Die Kemptener z.B. fühlen sich nach der kompletten Verlagerung des Fernverkehrs ab Dezember 2020 auf die dann elektrisch betriebene Allgäustrecke über Kempten abgehängt. Die BEG versucht zu beruhigen. Foto: Stadt Kempten

Ziel des Ausbaus der Strecke durch den Bund ist es, die Fahrzeit im Fernverkehr zwischen München und Zürich von heute viereinhalb auf unter dreieinhalb Stunden zu verkürzen. Ab Ende 2021 wird auch der bisher dieselbetriebene Regionalverkehr zwischen München, Memmingen und Lindau auf elektrische Fahrzeuge umgestellt. Betrieben werden die Regionalzüge dann vom Unternehmen Go-Ahead, welches sich im europaweiten Vergabeverfahren durchgesetzt hat (DMM berichtete). Der Fahrplan der BEG sieht auf der Strecke dann ein deutlich erweitertes Angebot mit schnelleren Verbindungen und mehr Direktzügen vor. Beispielsweise gibt es jede zweite Stunde eine schnelle Expressverbindung zwischen München und Memmingen. Mit ihr verkürzt sich die Fahrtzeit um eine halbe Stunde gegenüber dem heutigen Regionalzugangebot. Bis zum Start des neuen Fahrplankonzepts Ende 2021 wird DB Regio bereits ab Fahrplanwechsel 2020 mit elektrischen Loks und Doppelstockwagen von München nach Memmingen unterwegs sein.

Möglichst wenige Dieselfahrzeuge unter Fahrdraht. Die Strecken im Ober- und Ostallgäu rund um Kempten, Kaufbeuren und Immenstadt werden vorerst nicht elektrifiziert. Das bedeutet: Die bisherigen Direktverbindungen aus dieser Region nach München werden weniger. Der Grund ist einleuchtend: „Es ist weder ökologisch noch wirtschaftlich vertretbar, dass wir eine unverändert hohe Anzahl an dieselbetriebenen Zügen aus dem südlichen Allgäu auf der frisch elektrifizierten Strecke nach München fahren lassen. Das wäre absurd. Die Devise lautet überall im Schienennetz: so wenig wie möglich Diesel unter Fahrdraht. Denn genau das ist ja das Ziel einer Streckenelektrifizierung: dass elektrische Züge fahren“, unterstreicht Bärbel Fuchs, BEG-Geschäftsführerin.

Diese Aussicht stieß im Ober- und Ostallgäu zunächst auf wenig Gegenliebe. Die Verbindung nach München ist für viele Allgäuer wichtig, auch uns insbesondere für Firmenkunden und deren Geschäftsreisende. Die Sorge war, dass die Region nach der Elektrifizierung schlechter an die Landeshauptstadt angebunden sein wird als heute. Genau diese Situation zuvermeiden, war von Anfang an das Ziel der BEG-Planungsexperten. Die Verbesserungen für die Memminger sollten möglichst nicht zu Lasten der Kemptener und Kaufbeurer gehen. „Wie so oft hatten wir viele verschiedene Parameter abzuwägen“, sagt BEG-Planungsleiter Florian Liese. „Aber ich glaube, wir haben am Ende einen guten Kompromiss gefunden zwischen weitgehend elektrischem Verkehr auf der Strecke Buchloe – München einerseits und einer dennoch weiterhin guten Anbindung des südlichen Allgäus an die Landeshauptstadt andererseits.“

Mehr Verbindungen nach München, aber weniger Direktzüge. Die Idee war folgende: Es werden auch weiterhin Direktverbindungen aus dem Allgäuer Dieselnetz nach München angeboten, aber die Zahl dieser Direktverbindungen wird reduziert. Im Gegenzug wächst dafür die Gesamtzahl der Verbindungen nach München, wenn man also alle Verbindungen mit und ohne Umstieg zusammenzählt. Und es gibt eine weitere Kompensation: Richtung Augsburg steigt die Zahl der Direktverbindungen an den meisten Stationen deutlich. „Das kam in der Diskussion im Allgäu manchmal etwas zu kurz: Nicht nur München ist für die Region ein wichtiges Ziel, sondern auch Augsburg, sowohl für Pendler als auch für Umsteiger zum Fernverkehr“, erklärt Bärbel Fuchs.

Ein Beispiel: Die Zahl der umsteigefreien Verbindungen zwischen Kaufbeuren und München sinkt zwar ab Ende 2021, aber die Zahl aller Verbindungen nach München – inklusive Umstieg in Buchloe – steigt an. Gleichzeitig wird es mehr Direktverbindungen von Kaufbeuren nach Augsburg geben.

Im stündlichen Wechsel direkt nach München und Augsburg. Zwischen Lindau, Oberstdorf, Immenstadt, Kempten und Buchloe profitieren Geschäftsreisende und alle anderen Fahrgäste ab Ende 2021 von einem Stundentakt. Bislang waren auf dieser Strecke der Alex und DB Regio jeweils im Zweistundenrhythmus unterwegs. Da die lokbespannten Alex-Züge ohne Neigetechnik jedoch langsamer waren, ergab sich kein exakter Takt. Ab Ende 2021 fährt hier DB Regio stündlich mit dieselbetriebenen Neigetechnikzügen vom Typ VT612, die freilich als nicht gerade sehr zuverlässig gelten. Ab Buchloe fahren die VT 612 dann jede Stunde abwechselnd entweder direkt nach München oder Augsburg weiter. In den Zwischenstunden müssen die Fahrgäste entweder Richtung München oder Augsburg umsteigen. Damit sind München und Augsburg aus dem Oberallgäu weiterhin stündlich schnell erreichbar, Direktverbindungen nach München und Augsburg gibt es abwechselnd jede zweite Stunde.

Zwischen Füssen und Buchloe können Fahrgäste mit der Bayerischen Regiobahn (BRB) stündlich reisen. Die meisten Züge aus Füssen verkehren direkt weiter nach Augsburg. In diesen Fällen bestehen in Buchloe kurze Umsteigezeiten in die elektrisch betriebenen Züge nach München. Es wird aber auch aus Richtung Füssen über den ganzen Tag verteilt weiterhin einzelne Direktverbindungen nach München geben. Quelle: BEG / DMM