Schummelt Mercedes mit neuen Motoren?

Im Rahmen eines Verfahrens im Abgasskandal der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Von Rueden gegen die Daimler AG forderte das Landgericht Hannover eine Auskunft von Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ein. Das KBA-Schreiben lässt den Schluss zu, dass Mercedes-Motoren mit einer bislang nicht bekannten Abschalteinrichtung versehen sind. Bei dieser orientiert sich die Abgasrückführung an den Prüfbedingungen für die Kfz-Zulassung.

Gegenstand des Verfahrens gegen den Stuttgarter Autobauer ist ein Mercedes-Benz GLC 250 d 4Matic mit Dieselmotor OM 651 der Abgasnorm Euro 6. Wörtlich heißt es im Auskunftsschreiben des KBA: „In den betroffenen Fahrzeugen wird eine Strategie zur Erhöhung der Raten der Abgasrückführung (AGR) genutzt. Die Strategie startet u.a. unter Berücksichtigung der Ansauglufttemperatur sicher im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) und den dort definierten Prüfbedingungen. Nach Ablauf einer kumulierten Zeitdauer wird die Strategie abgeschaltet.“ Das bedeutet, das Mercedes-Fahrzeug hält die Stickoxidgrenzwerte nur im Prüfstand für eine bestimmte Zeit ein. Im normalen Fahrbetrieb findet keine ausreichende Abgasreinigung statt und das Fahrzeug stößt mehr Schadstoffe als erlaubt aus.

„Diese Strategie wurde durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) als unzulässige Abschalteinrichtung bewertet, da der Fahrzeughersteller keine Begründung der Zulässigkeit der Strategie gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO 715/2007/EG vorbringen konnte“, heißt es weiter im Auskunftsschreiben.

Es handelt sich hier um eine neue Art der Abschalteinrichtung. Sebastian Steffens, Verbraucherrechtsanwalt bei der Kanzlei Von Rueden und Betreuer des Verfahrens, äußert sich dazu: „Bisher haben wir angenommen, dass Mercedes-Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 6 wegen Manipulationen am SCR-Katalysator zurückgerufen werden. Wir hatten nur Kenntnis davon, dass das KBA die zu geringe Zuführung von AdBlue in den SCR-Katalysator oder die Steuerung der Kühlmittelsolltemperatur in Mercedes-Fahrzeugen beanstandet.“ Steffens führt weiter aus: „Hier ergibt sich erstmals eine Beanstandung der AGR-Rate in Abhängigkeit von den definierten Prüfbedingungen. Insbesondere die Abschaltung ’nach Ablauf einer kumulierten Zeitdauer‘ – die sogenannte ‚Timer‘-Funktion – legt nahe, dass die Funktion auf die Einhaltung der Grenzwerte im Prüfstand zugeschnitten ist. Die Verwendung einer solchen Prüfstandserkennung ist sittenwidrig.“

Die KBA-Auskunft verdeutlicht, so die Kanzlei, dass die Funktionsweise des AGR-Systems in Mercedes-Fahrzeugen nicht ausschließlich über sogenannte Thermofenster temperaturabhängig erfolgt, sondern auch von spezifischen Prüfbedingungen abhängt. In den Dieselwagen von Mercedes sind Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung weit verbreitet. Insofern diese neue Form der Abschalteinrichtung auch in anderen Fahrzeugen Verwendung findet, droht Daimler ein ähnlicher Skandal wie dem Volkswagen mit dem EA 189-Motor. 

Die Kanzlei VON RUEDEN ist auf den Abgasskandal spezialisiert und setzt sich für Verbraucherrechte ein. Bislang haben wir bundesweit mehr als 14.000 Mandanten gegen Autohersteller vertreten – darunter auch rund 3.000 Mercedes-Halter. Die Kanzlei erreichte bisher die meisten Urteile gegen Daimler und wird vom Verbraucherportal Finanztip im Abgasskandal empfohlen. Aktuell ruft Daimler Autos mit der neuen Euronorm 6d Temp zurück. In einem Schreiben der Handelsorganisation an Kunden der V-Klasse (Vito) ist zu lesen: „Wir haben festgestellt, dass bei Ihrem Fahrzeug die Onboard-Diagnose und Anzeige von bestimmten emissionsrelevanten Fehlertypen im Bereich der Abgasrückführung nicht in jedem Fall entsprechend der regulatorischen Vorgaben umgesetzt wurde.“ Die betroffenen Halter sollen sich mit einer autorisierten Werkstatt in Verbindung setzen, um die Software des Motorsteuerungsgerätes zu aktualisieren.

Was Daimler im Schreiben verklausuliert ausdrückt, liegt für die Kanzlei Von Rueden aus Berlin klar auf der Hand: Dass der Autobauer selbst bei dem mit der erst seit Januar geltenden Abgasnorm 6d Temp ausgestatteten Fahrzeugen schummelt. Rechtsanwalt Johannes von Rueden hat den Verdacht, dass die Stuttgarter mit dem Aufruf zur „Kundendienstmaßnahme“ verpflichtende Rückrufe durch das Kraftfahrt-Bundesamt vermeiden wollen. Quelle: RA Von Rueden / DMM