Ärger wegen ständig überfüllter Züge

Sind Sie schon mal als Business Traveller in der Schweiz mit dem Zug auf der neuen Gotthard-Achse unterwegs gewesen? Das ist i.d.R. kein Vergnügen. Denn einen Sitzplatz in den supermodernen aber katastrophal überfüllten Triebzügen zu finden ist zu bestimmten Zeiten schwierig, wenn nicht unmöglich, und das nicht nur an Wochenenden. Darunter leiden nicht nur die Reisenden, sondern auch das Zugpersonal.

Trotz deutlicher Rückmeldungen der Zugpersonale an die Leitung der SBB scheint sich die Situation nicht zu bessern. Erst vor einigen Tagen machten Tessiner Zugbegleiter bei einem Treffen mit Verantwortlichen in Luzern aus ihrem wachsenden Frust keinen Hehl. Trotzdem kam es letztes Wochenende wieder zum Chaos. Als Gründe dafür nannte die SBB das schlechte Wetter nördlich der Alpen und das schöne Wetter im Süden, den Herbstferienbeginn in der Deutschschweiz und – von sich aus – den Umstand, dass kein einziger zusätzlicher Zug geplant worden war.

Die überfüllten Züge stellen die Nerven von Kund/innen und Personal auf eine harte Probe. Letzteres sieht sich oft in der Rolle des Blitzableiters, wenn sich erstere berechtigterweise darüber beklagen, dass sie ihre Fahrt zwar bezahlt haben, aber keinen Sitzplatz finden. Neben den vielen legitimen Beschwerden der Kundschaft hat die SBB-Leitung auch vom Personal schon unzählige Meldungen über die unerträgliche Situation erhalten.

Letzten Donnerstag traf sich die Tessiner Sektion der Gewerkschaft des gesamten Verkehrspersonals der Schweiz (SEV Unterverband des Zugpersonals (ZPV)) in Luzern mit SBB-Verantwortlichen, um das Problem der überfüllten Züge anzugehen und betriebliche Lösungen zu finden. Das Personal forderte u.a., dass zusätzliche Züge geplant werden müssen, wenn mit großem Verkehrsaufkommen zu rechnen ist. Doch schon am darauffolgenden Wochenende war keine Besserung festzustellen: Überfüllte Züge sorgten einmal mehr für viele Negativschlagzeilen.

Die Erklärungen der SBB-Medienstelle brachten das Zugpersonal noch zusätzlich auf die Palme. Das Wetter, der Ferienanfang in der Deutschschweiz und – vor allem – die verpasste Planung von Zusatzzügen sind auch in ihrer Kumulation keine akzeptable Rechtfertigung dafür, wenn auf der Nord-Süd-Achse die Züge zum x-ten Mal überfüllt sind! Die SBB muss ein zuverlässiges Verkehrsunternehmen bleiben. Momente mit hohem Verkehrsaufkommen sind absolut vorhersehbar. Für solche Momente sind genügend Züge und Kundenbegleiter/innen vorzusehen.

Wenn das Wetter nördlich der Alpen trüb und südlich der Alpen sonnig ist, macht es heute der Gotthardbasistunnel möglich, an einem Tag ins Tessin und zurück zu reisen. Das ist inzwischen allen bekannt und für den Tessiner Tourismus eine Chance. Zudem erhebt die SBB auf den Zügen laufend die Kundenfrequenzen, um sich über die Kundenströme ein Bild zu verschaffen. Deshalb sollte sie heute langsam wissen, wann viele Reisende zu erwarten sind, und sich darauf einstellen.

Das Personal hat bisher mehr als genug Geduld gezeigt. Dass die Zahl der Reisenden dank Alptransit erheblich zugenommen hat bedeutet, dass sich die SBB dafür rüsten muss. Es genügt nicht, ständig Entschuldigungen zu suchen und zu kommunizieren und darauf zu vertrösten, dass es künftig schon besser werde. Quelle: SEV / DMM