Allgäubahn München-Lindau unter Strom

Nach zweieinhalb Jahren Bauzeit ist die Elektrifizierung der Bahnmagistrale (München-) Geltendorf-Lindau (ABS 48) weitgehend abgeschlossen. Dieser Tage fanden die letzten Tätigkeiten an Gleisen und Oberleitungsanlagen statt. Alle größeren Bauwerke, wie Brücken und Stellwerke konnten bereits früher vollendet werden. Jetzt stehen alle Streckenabschnitte unter 15 kV-Strom.

Die Elektrifizierungsarbeiten an der Allgäubahn sind beendet. Jetzt folgen Testfahrten und ab 13.12.2020 verkehren schnelle Schweizer Fernzüge zwischen Zürich und München. Foto: DB

Bereits im Jahr 2009 hatten Deutschland, die Schweiz und das Bundesland Bayern verabredet, den Verkehr auf der Allgäustrecke über Memmingen zu beschleunigen. Die Schweizer Regierung in Bern schob das Projekt mit einem zinsfreien Darlehen von 50 Mio. Euro an. Das Abkommen mit der Schweiz sah vor, dass ab Ende 2020 die Elektrifizierung fertiggestellt sein muss. Lange Zeit liefen die Bemühungen der Schweizer ins Leere, weil diese Art der Vorfinanzierung für öffentliche Bauvorhaben in Deutschland ungewöhnlich war. Das Bundesverkehrsministerium in Berlin, das für den Ausbau bezahlt, hatte sich zunächst dagegen gesträubt. Mit dem jetzigen Ausbau zielen die Bahnen in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland vor allem auf Geschäftsreisende und den Freizeitverkehr ab. DB und SBB hoffen darauf, attraktiver gegenüber Bus und Flugzeug zu werden.

Die Verbindung zwischen Zürich und München, die nur rund 250 km Luftlinie auseinanderliegen, ist gerade beim Personenverkehr ein Paradebeispiel für die Konkurrenz zwischen Bahn, Bus und Flugzeug. Vor Corona boten Lufthansa und Swiss doppelt so viele Flüge an als es direkte Zugverbindungen gab. Die Flugzeit beträgt knapp eine Stunde. Mit dem Zug waren es weit über 4 Stunden. Und seit der Liberalisierung des Fernbusverkehrs in Deutschland fahren auch Flixbus sowie andere Betreiber die Strecke.

Projektleiter Matthias Neumaier: „Nun folgt die Phase der Inbetriebsetzung. Dabei testen wir alle Anlagen millimetergenau. Die drei Monate bis zum Beginn des elektrischen Zugverkehrs sind genau durchgeplant.“ Ende September führt die DB Tests an der Bahnstromversorgung durch. Dabei kommt erstmals ein elektrischer Zug auf die Strecke. Ab Anfang Oktober folgen Messfahrten für den Neigetechnikbetrieb und für die Oberleitung. Die Fahrten werden mit dem zukünftig eingesetzten Schweizer Hochgeschwindigkeitstriebzug ETR 610 (Astoro) durchgeführt. Da die Messfahrten mit bis zu 176 km/h auch im Hochgeschwindigkeitsbereich stattfinden werden, ist es notwendig, die Bahnübergänge im jeweiligen Messabschnitt zeitweise zusätzlich mit Bahnübergangsposten zu sichern. Die Schranken können dann zwischen 10 und bis zu 25 Minuten geschlossen sein. Die einzelnen Streckenabschnitte werden mit 5 bis 6 Versuchsfahrten befahren. Die Bahn bittet die Straßenverkehrsteilnehmer um Verständnis.

Für die im Neigetechnikbetrieb gefahrenen höheren Geschwindigkeiten wird noch ein zusätzliches Sicherungssystem zur Geschwindigkeitsüberwachung installiert und bis Mitte November in Betrieb gesetzt. Anschließend können dann Fahrten zur Lokführerschulung stattfinden.

In das Projekt Elektrifizierung Allgäu, das die 155 km lange Verbindung von Geltendorf (westlich von München) über Buchloe und Memmingen bis Lindau umfasst, sind 500 Mio.  Euro investiert worden. Daran beteiligt hat sich u.a. die Schweiz, die schon seit Jahrzehnten den Ausbau der Verbindung Zürich-München gefordert hatte. Für den Lärmschutz entlang der Trasse wurden dabei rund 100 Mio. Euro aufgewendet. Mit einem speziellen Schallmesswagen werden Anfang Oktober auch diese Emissionen gemessen. In den kommenden Wochen finden noch kleinere Schallschutz-Restarbeiten statt. So werden z. B. in Westerheim die Wandelemente in die bereits vorbereitete Schallschutzkonstruktion eingesetzt und in Buxheim noch eine kleine Lücke geschlossen. Ansonsten finden Bauarbeiten und Schallschutzarbeiten im Zuge der ABS 48 nur noch im Stadtgebiet von Lindau statt.

Mit den Fernzügen wird die Reisezeit zwischen beiden Metropolen Zürich und München zunächst um etwa 1 Stunde verkürzt. Die Höchstgeschwindigkeit auf der auf deutscher Seite größtenteils nur eingleisigen Trasse beträgt 160 km/h. Im Fernverkehr eingesetzt werden Schweizer Neigetechnik-Triebzüge Astoro. Zwischen St. Gallen und St. Margrethen ist die Strecke auch in der Schweiz ausgebaut worden, um die Neigetechnik besser zu nutzen. 

Zu Beginn werden täglich statt vier Zügen in jeweils beiden Richtungen sechs im Einsatz sein. Laut den SBB könnte ein siebtes Zugspaar eingeführt werden, wenn die Passagierzahlen stimmen. Bei der Deutschen Bahn ist man bei dieser Frage noch vorsichtiger. Zukunftsmusik ist auch eine noch bessere Anbindung der Ostschweiz an das österreichische und das deutsche Bahnnetz. Es gibt Überlegungen, die S7 der Thurgauer SBB-Tochter Thurbo, die heute in Rorschach endet, bis nach Bregenz in Österreich und nach Lindau zu verlängern. Quelle: Deutsche Bahn / SBB / DMM