Amtrak-Chef will Fernverkehre reduzieren

Der amtierende CEO von Amtrak, Ex-Delta Air Lines Chef Richard H. Anderson (64), legte aktuell einen Rentabilitätsplan vor, der gegen jegliche Vernunft angesichts des Klimawandels gerichtet ist. Er plant eine Kürzung aller Fernverbindungen in den USA und den Abschied vom traditionellen Speisewagenservice. Letzterer ist berühmt dafür, dass in den Speisewagen noch richtige Köche und tolles Servicepersonal tätig sind. Feinste Speisen und Getränke, hundertmal besser als der entsetzliche Fertiggerichte-Fraß in europäischen Fernverkehrszügen, werden heute in den wenigen verbliebenen Fernzügen angeboten. "Ride This Train" sang Johnny Cash 1960 und warnte schon damals vor dem Niedergang der amerikanischen Eisenbahn. Die einst stolze amerikanische Bahnwelt ist ohnehin mit der Konkurrenz von Automobil und Flugzeug massiv zusammengstutzt worden.

Der Amtrak-Chef will Kürzungen beim Fernverkehr in den USA durchsetzen. Foto: greg G.

Die einst stolze Eisenbahnnation, die größte der Welt, hat bereits böse Zeiten hinter und neuerrings wieder vor sich: Mit dem Aufschwung der Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg begann gleichzeitig der Niedergang der Schiene. Durch das Aufkommen von Pkw, Lkw und Flugzeug sowie dem Bau von zahllosen Highways verringerte sich das Transportaufkommen drastisch. Aufgrund der Beschränkungen konnten die Gesellschaften unrentable Züge nicht einfach einstellen. Sie mussten nachweisen, dass kein Bedarf mehr bestand. Durch die Einschränkung des Services und weiterer Maßnahmen wurden die Kunden auf bestimmten Strecken regelrecht „abgeschreckt“, so wie das die Deutschen Bundesbahn und spätere DB AG ebenfalls praktizierte. Diese Maßnahmen hatte jedoch auch Auswirkungen auf gut funktionierende Verbindungen, so dass zu Beginn der 1970er Jahre kaum noch Personenzüge verkehrten. Der Staat sah sich deshalb genötigt, am 01. Mai 1971 die Amtrak (National Railroad Passenger Corporation) zu gründen.

Schon bald erkannte man, dass viele Gesellschaften nur überleben konnten, wenn sie eine bestimmte Größe besaßen. Somit begann die sogenannte „Merger-Era“. Viele mittlere Gesellschaften schlossen sich zu größeren Einheiten zusammen, aber auch große Unternehmen vereinigten sich. Auch wurde es den Eisenbahnen wesentlich erleichtert, Strecken zu verkaufen oder stillzulegen. Dies hatte zur Folge, dass viele Nebenstrecken der großen Bahnen verkauft wurden. Es entstand zu Beginn der 1980er Jahre eine große Anzahl von sogenannten Shortlines, die mehr oder weniger lebensfähig waren. Eine Folge war auch, dass sich die großen Gesellschaften mehr und mehr auf ein Kernnetz beschränkten. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts gibt es jeweils zwei große Eisenbahngesellschaften im Osten (Norfolk Southern und CSX) und im Westen (BNSF und Union Pacific). Dazu kommen dann noch die beiden kanadischen transkontinentalen Eisenbahngesellschaften Canadian Pacific Railway und Canadian National. Die Class 1-Gesellschaften sind nunmehr bestrebt ihr Netz weiter zu optimieren.

Beim Personenverkehr hat sich keine Änderung gegenüber den 1990er Jahren ergeben. Die staatliche Gesellschaft Amtrak ist weiterhin auf jährliche Zuschüsse in Millionenhöhe angewiesen und ist trotz Investitionen und Restrukturierungen nicht in der Lage, ihre Züge wirtschaftlich zu betreiben. Zu den Problemen trägt bei, dass Amtrak den größten Teil der betriebenen Strecken nicht besitzt, sondern Verkehrsrechte erwerben muss und ihre schnellen Personenzüge mit Ausnahme des Nord-Ost-Korridors gegenüber den langsamen Güterzügen benachteiligt sind.

Ein weiteres Manko: Der Sicherheitsstandard ist für den gemischten Betrieb begrenzt, erst 2008 wurde per Gesetz die Einrichtung von Positive Train Control, einem Zugbeeinflussungs- und Sicherheitssystem nach mehreren schweren Unfällen vorgeschrieben. Der Ausbau sollte bis 2015 auf den mit Personen- und Güterzügen genutzten Strecken abgeschlossen sein. Dieses Ziel wurde verfehlt, der Kongress verschob deshalb den Fertigstellungstermin auf Ende 2018. Gegenüber dem Verkehr auf Langstrecken steht der weitere Ausbau des Pendel- und Nahverkehrs in den großen Zentren des Nord-Ost-Korridors, in und um Chicago sowie in Kalifornien an. Dort ist auch die nächste Hochgeschwindigkeitsstrecke von San Francisco nach Los Angeles bzw. auch nach Las Vegas geplant. So richtig voran kommen die Projekte aber nicht.

Das funktionellste Stück von Amtrak ist nach wie vor der 457 Meilen lange Nordostkorridor zwischen Boston und Washington DC. Die superschnellen Züge auf den Relationen Boston-New York-Philadelphia-Washington DC werden sehr häufig von Firmenkunden bzw. Business Travellern genutzt. Denn sie sind i.d.R. schneller als Flugzeug und Bahn von Cityzentrum zu Cityzentrum. Auf diesem oft drei- und viergleisig ausgebauten Abschnitt besitzt Amtrak einen Großteil der Gleistrassen und kann diese kontrollieren, so dass die Züge pünktlich sind und der Korridor über 13 Mio.  Reisende und einen Betriebsgewinn von weit über 1/2 Mrd. USD einspielte. Auf dem Nord-Ost-Korridor betreibt die Amtrak u.a. die Acela-Hochgeschwindigkeitszüge mit maximal 240 km/h auf teils ausgebauten und elektrifizierten Neubaustrecken. Schon in zwei Jahren sollen hier von Alstom gekaufte 300 km/h schnelle Züge verkehren.

Dann gibt es noch den Rest von Amtraks 21.400-Meilen-Netzwerk. Hier besitzt Amtrak kaum eine der befahrenen Strecken, da diese größtenteils den Güterbahnen gehören. Die Fahrgastzahlen auf den 15 Fernverkehrsrouten gingen im vergangenen Jahr um 4 % auf 4,5 Mio. Fahrten zurück. Der Betriebsverlust von 543 Mio. USD überstieg die Gewinne des Nordostkorridors.

Aus diesem Grund stellte Amtrak 2017 Richard H. Anderson (64) als CEO aus der Privatwirtschaft ein, der Delta Air Lines Inc. nach deren Konkurs wieder in die Gewinnzone gebracht hatte. Mit Wirkung zum 12. Juli 2017 wurde Anderson zum Präsidenten und CO-CEO neben Charles W. Moorman von Amtrak bestellt. Nach dem Ende der Übergangsphase wurde er ab 31. Dezember 2017 alleiniger CEO der Bahngesellschaft. Barron’s Magazine ernannte Anderson 2014 zum „World’s Best CEOs“ und Business Travel News führte ihn auf der Liste der wichtigsten Unternehmensführer.

Anderson hatte bei seiner Ernennung zum Bahnchef versprochen, in 2018 operativ die Gewinnschwelle zu erreichen, um die jährlichen Kongresssubventionen in neue Züge, Gleise und Bahnhöfe ausgeben zu können. Heute sieht er das alles etwas anders: "Wenn Sie eine Eisenbahn von Grund auf neu bauen wollten, würden Sie nie eine wie Amtrak entwerfen," erläutert er nun gegenüber Bloomberg.

Der Amtrak-Chef will einen Teil der Fernverkehrsrouten in luxuriöse Ausflüge für Eisenbahnfreunde umwandeln und einen anderen in kürzere, schnellere Strecken zwischen den Städten aufteilen. Der Amtrak-Boss scheint indes einen Mangel an Sensibilität gegenüber der Eisenbahn zu praktizieren. Beim Besuch der Washingtoner Union Station ließ er den als Museumsstück aufgestellten privaten Pullmanwagen des ehemaligen Präsidenten Franklin D. Roosevelt beseitigen und im April 2018 den traditionellen Speisewagendienst in Nachtzügen auf zwei Routen östlich des Mississippi einstellen und durch aufgewärmte Fertiggerichte ersetzen. Quelle Bloomberg / DMM