An Karneval ist mit alkoholisierten Fußgängern zu rechnen

Da und dort wird im frühen Jahr 2021 vielleicht Karneval (Fasching) gefeiert, je nachdem, ob dies die jeweilige Corona-Lage zulässt. In diesem Zusammenhang gibt es ein interessantes Urteil des Oberlandesgerichts Köln. Dabei ging es um einen Autofahrer, der einen mitten auf einer Bundesstraße laufenden beschwipsten Karnevalisten angefahren hatte. Den Richterspruch sollten sich auch Dienstwagennutzer zu Herzen nehmen, beinhaltet er doch den Hinweis, dass durch das Bewegen eines Automobils Betriebsgefahren ausgehen.

Der Kläger war in der Nacht nach Rosenmontag zu Fuß auf dem Weg nach Hause. Er trug ein in dunklem Braun gehaltenes Ganzkörperkostüm als Bär. Die Strecke führte ihn entlang einer Bundesstraße, an deren Seite sich ein Fuß- und Radweg befindet. Auf der unbeleuchteten Strecke war eine Geschwindigkeit von 70 km/h zulässig. Wann und wie der mit rund 1,5 Promille alkoholisierte Kläger auf die Fahrbahn der Bundesstraße geriet, konnte nicht geklärt werden. Unklar blieb ebenfalls, ob er die Fahrbahn überqueren oder ein Auto anhalten und "trampen" wollte. Als er von einem Pkw erfasst wurde, befand er sich nicht am Straßenrand, sondern auf der linken Hälfte der Fahrspur. Der Fußgänger wurde schwer verletzt.
Das erstinstanzlich zuständige Landgericht Bonn hatte entschieden, dass der Kläger zu 75 %  und die Beklagten – Fahrer und Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs – zu 25 % für die Schäden haften.

Das OLG wies darauf hin, dass die Haftungsquote der Beklagten mit 25 % nicht zu hoch angesetzt worden sei. Daraufhin haben die Beklagten die Berufung zurückgenommen. Die Anschlussberufung des Klägers hatte damit ihre Wirkung verloren.

Zur Begründung führte das OLG im Wesentlichen aus, dass dem Kläger ein ganz erheblicher Sorgfaltspflichtverstoß zur Last falle. Er habe gegen § 25 Absatz 3 Straßenverkehrsordnung verstoßen, als er sich nachts mitten auf der Fahrbahn befunden habe. Diese enorme Sorglosigkeit des Klägers sei als alkoholbedingte Ausfallerscheinung einzuordnen.
Obwohl der Kläger für die Entstehung des Schadens maßgebliche Ursachen damit grob fahrlässig selbst herbeigeführt habe, habe sich auch die mit einem Kfz verbundene "Betriebsgefahr" in geradezu klassischer Weise verwirklicht. Auch gegenüber einem sich grob fahrlässig verhaltenden Fußgänger hafte ein Autofahrer, wenn er sich selbst nicht wie ein "Idealfahrer" verhalten habe. Von diesem – von den Beklagten zu beweisenden – Umstand könne aber nicht ausgegangen werden.

Die Behauptung der Beklagten, der Kläger sei erst im letzten Moment vor das Auto getreten und der Unfall vom Fahrer unter keinen Umständen zu verhindern gewesen, sei nicht bewiesen worden. Es sei nicht mehr feststellbar, wann der Kläger die Fahrbahn betreten habe. Auch ein Sachverständiger hätte zur Klärung dieser Frage nichts beitragen können. Angesichts der Verkehrssituation, die bei Nacht und Feuchtigkeit besondere Aufmerksamkeit des Fahrers erfordert habe, sei eine Mithaftung in Höhe einer Betriebsgefahr von 25 %  angemessen, zumal alkoholisierte Fußgänger an Karneval nicht gänzlich unwahrscheinlich seien.

Die Beklagten müssen neben einem Viertel der materiellen Schäden auch ein Schmerzensgeld bezahlen, dessen endgültige Höhe in diesem Verfahren noch nicht festgelegt werden musste. Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 06.03.2020, Az.: 11 U 274/19 / DMM