Anteil der Geschäftswagen mit Dieselantrieb im Sinkflug

Laut Kraftfahrt-Bundesamt ist zwischen Januar und Oktober 2020 der Anteil von Pkw mit reinem Dieselantrieb auf nur noch 26 % gesunken. Branchenkenner Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer meint, Diesel-Pkw entwickeln sich am deutschen Automarkt immer mehr zu einem Auslaufmodell. Der Experte ist der Ansicht, die Auslaufphase beim Diesel hat längst begonnen. Und wenn vermutlich 2022 die neue EU-Abgasnorm 7 in Kraft treten wird, sind deren Maßgaben so streng, dass die geforderten Emissionen bei Diesel- aber auch bei Ottomotoren nur noch mit immens hohem Aufwand und entsprechend teuer umzusetzen sein werden. Damit dürfte das Ende der Verbrenner eingeläutet werden.

Die alternativen Antriebsarten verzeichneten im Oktober 2020 bis zu dreistellige Zuwachsraten. 23.158 Neuzulassungen von Elektro-Pkw führten zu einem Anteil von 8,4 % (+365,1 %) am Zulassungsvolumen. Es wurden 62.929 hybridangetriebene Pkw neu zugelassen (22,9 %/+138,5 %), darunter 24.859 Plug-in Hybride (9,1 %/+257,8 %). Fossile Brennstoffe bildeten trotz zurückgehender Zulassungszahlen erneut die häufigste Antriebsart. 42,1 % der Neuwagen waren Benziner (115.382/-29,8 %), 26,0 % waren mit einem Dieselantrieb ausgestattet (71.370/-18,9 %). Mit weniger als 1,0 % gingen 872 flüssiggas- (0,3 %) bzw. 566 erdgasbetriebene (0,2 %) Neuwagen in die Statistik ein. Beide Gasantriebe verzeichneten zusammen einen Zuwachs von +67,8 %.

Der Grund für die aktuell schlechten Diesel-Verkaufszahlen am deutschen Automarkt sind neben den anhaltenden Folgen des Abgasskandals die Konkurrenz durch Benzin-Plug-In Hybride sowie die teure Abgasreinigung beim Selbstzünder. Weitere Gründe sind laut Dudenhöffer die CO2-Steuer sowie die „die Welle der reinen Elektroautos“. Wie DMM meldete, steigt die CO2-Steuer laut Beschluss bis 2025 auf 60 Euro pro Tonne, wodurch Diesel- im Vergleich zu Ottokraftstoff teurer werden wird.

Diesel fallen aus dem Programm. Tatsache in der jüngeren Vergangenheit  ist, dass immer mehr Hersteller Dieselmodelle aus dem Programm genommen haben. Zunächst traf es die Kleinwagen. Beim drei- und fünftürigen Mini etwa sucht man den Diesel schon seit 2019 im Konfigurator vergeblich. Auch bei Seat fährt der Ibiza künftig ohne Dieselantrieb, ebenso wie der Arona. Gleiches gilt für VW Polo und T-Cross, die wegen zu geringer Nachfrage künftig auf den TDI verzichten müssen. Parallel dazu verloren aber auch die Großen ihre sparsamen und durchzugskräftigen Antriebe. Bei Porsche war schon nach dem Diesel-Skandal Schluss mit Selbstzündern. Der Audi Q7 V8 TDI und sein Konzernzwilling VW Touareg V8 TDI geben nun ihre Achtzylinder-Diesel für einen Benziner-Hybriden her. Auch BMW mustert noch in diesem Jahr seinen erst 2016 eingeführten Sechszylinder-Topdiesel M50d aus.

Wird der Diesel also vom unteren und oberen Rand des Marktes schrittweise ausgemustert? Wenn es nach den Herstellern der wichtigsten Flottenfahrzeuge geht, wohl eher nicht. Sie sind der Überzeugung, dass der Diesel für Kunden mit hoher Jahresfahrleistung nach wie vor der Motor der ersten Wahl“  ist, sagt BMW-Sprecher Dieter Falkensteiner. Vor allem in den 3er- und 5er-Baureihen ebenso wie in deren SUV-Derivaten ist der Selbstzünder unverändert gefragt. Auch bei Mercedes ist der umstrittene Dieselanteil am Gesamtabsatz in Europa stabil geblieben, in Deutschland laut Unternehmenssprecher René Olma sogar von Januar bis Juni im Vergleich zum Vorjahreszeitraum leicht gestiegen.

Und auch Audi und VW berichten von einem stabilen Dieselmix. Bei den Ingolstädtern beträgt der Anteil aktuell gut ein Drittel, wobei die Verteilung in den Baureihen noch deutlicher ausfällt. A4 Avant, Q7 und Q8 fahren zu gut drei Viertel mit einem Diesel, beim A6 Avant sind es sogar 85 %. Ähnliche Werte meldet Volkswagen. Beim großen Touareg sind mit 97 % so gut wie alle Dieselfahrer. Den Passat Variant kaufen die Kunden zu 68 % als TDI, wobei sich hier auch erstmals der Hybrid-Effekt bemerkbar macht. Denn 23 % entfallen hier auf das Plug-in-Hybridmodell GTE. „Ähnlich könnte das im nächsten Jahr auch für Golf und Tiguan aussehen“, mutmaßt VW-Sprecher Christian Buhlmann, weil dann in allen Klassen ein Plug-in-Benziner verfügbar ist. Aktuell liegt der Golf 8 bei 39 % Diesel-Einbaurate, wobei die gerade erst eingeführten Varianten (GTD, Variant) noch nicht mitgezählt sind. Ähnliches gilt für den Tiguan mit 46 %.

Doch weitere Gesetzesverschärfungen könnten weiteren Selbstzünder den Garaus machen. Schon vor den gerade scharf diskutierten Entwürfen zur Einführung der Abgasnorm Euro 7 hat das EU-Parlament kürzlich mit großer Mehrheit einen Vorschlag verabschiedet, nach dem zur Einhaltung der EU-Grenzwerte für Stickoxid-Emissionen ab September 2022 nur noch RDE-Daten unter realen Fahrbedingungen verwendet werden sollen. Um diese Grenzwerte von 80 mg NOx nach WLTP im Labor und 120 mg/km nach RDE auf der Straße zu erreichen, braucht es schon jetzt aufwändige Abgasreinigungen. Experten beziffern die kleine Chemiefabrik im modernen Diesel-Auspuffstrang, bestehend aus Oxidationskatalysator, Partikelfilter, Stickoxid-Speicher-Katalysator, SCR-Katalysator inklusive Harnstofftank, auf 1.500 Euro Mehrkosten. Das ist für einzelne Modelle einfach zu teuer.

Importeure schmeißen die Diesel schon mal raus. Viele Importeure haben deshalb schon längst die Reißleine gezogen. Nach Toyota und Nissan will auch Honda die Selbstzünder mit den anstehenden Modellwechseln aus dem Programm nehmen. Beim überarbeiteten Mazda CX-3 fällt der Diesel aus dem Programm, ebenso wie beim Renault Captur. Und auch Volvo verbannt schrittweise den Diesel aus seinen Modellen. Jüngstes Beispiel: das erfolgreiche Kompakt-SUV XC40, das hierzulande zu mehr als die Hälfte mit Diesel geordert wurde und demnächst nur noch mit mehr oder weniger elektrifizierten Benzinern zu haben ist.

Noch ist das Flottengeschäft ein Diesel-Anker. Auch bei der Firmenkundschaft haben Diesel-Pkw an Bedeutung verloren: Waren Anfang 2015 noch 77 % aller Dienstwagen in Deutschland mit einem Dieselmotor ausgestattet, sank dieser Anteil bis zum Juli 2020 auf 45 %, Tendenz: Weiter sinkend. Argumente für eine Trendumkehr sind nicht zu erkennen, so Dudenhöffer. Deshalb zieht der Autopapst das Fazit: „Die Auslaufphase beim Diesel hat begonnen“. Freilich ist mit dem Ausverkauf des Diesels in nächster Zeit noch nicht zu rechnen. Denn im Großkunden- und Flottengeschäft spielt er eine noch große Rolle, Betonung liegt auf „noch“. Denn sollten die Grünen 2021 an die Regierung kommen, versprechen sie das Aus des Diesel-Privilegs, womit Dieselautos fahren weit weniger attraktiv werden wird als es heute der Fall ist. Indes gilt heute bei Flottebbetreibern, die weniger auf das Thema Umwelt- und Klimaschutz achten, und das ist die große Mehrheit, die Faustformel: Je mehr Langstreckenpriorität, Größe und Gewicht des Fahrzeugs, umso höher der Dieselanteil. „Diesel sind auf absehbare Zeit unerlässlich zur Senkung der Kohlendioxid-Emissionen“, glaubt Audi-Technikexperte Udo Rügheimer. Und auch der jüngste Entfall des V8 TDI sei kein Beginn des Aussterbens der Dieseltechnik. „Mit diesem V8 haben wir erstmals bewiesen, wie leistungsfähig und sparsam ein performanter TDI sein kann“, so der Audi-Sprecher. Bis 2024 will Audi 37 Mrd. Euro in die Weiterentwicklung vor allem alternativer Antriebe stecken. Rund ein Drittel davon fließt in die Elektromobilität, in den anderen zwei Dritteln sind auch „Vorleistungen für moderne Verbrenner-Technologien“ enthalten. Deshalb habe „der TDI mittel- und langfristig einen festen Platz im Angebotsportfolio bei Audi“, so Rügheimer.

Auch bei Mercedes „hat der Diesel für Premium-Fahrzeuge definitiv eine Zukunft“, sagt Sprecher René Olma und verweist auf die neuen nach Euro 6d zertifizierten Diesel der Schwaben, die „über viele tausende Kilometer Laufleistung unter RDE-Bedingungen“ mit Stickoxid-Durchschnittswerten um die 25 bis 30 mg überzeugten. Das zeige, dass „die NOx-Herausforderung mit der neuesten Motorengeneration auch bei Diesel-Fahrzeugen technisch gelöst werden kann“, so der Mercedes-Sprecher. Quelle: KBA / Ferdinand Dudenhöffer / ampnet/fw / DMM