Auftaktveranstaltung beweist: Touristiker haben mit Klimaschutz wenig am Hut

Der Bundeswirtschaftsminister und stv. Bundeskanzler hat bei der Tourismus-Branche ein hartes Brett zu bohren. Bei der Vorstellung des Strategieentwurfs zur Nationalen Tourismusstrategie stieß der Minister auf viel Widerstand. Das Gastgewerbe, arg gebeutelt durch die Pandemie und den Fachkräftemangel, erhoffte sich von der „Nationalen Tourismusstrategie“ des Wirtschaftsministeriums eigentlich Unterstützung. Doch drohen dem Geschäft neuerliche Belastungen.

Der Strategieentwurf (https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Tourismus/nachhaltigen-tourismus-wettbewerbsfaehig-gestalten.pdf?__blob=publicationFile&v=8) bringt so etwas wie das Gegenteil dessen, was sich die Reisebranche erhofft hatte, z.B. den Fokus auf die Reduzierung von Flugreisen auch bei Geschäftsreisenden, eine Stärkung des ÖPNV u.a.m.. Alles in allem so etwas wie rote Tücher für die Branche, die zwar predigt, den dringend notwendigen Erfordernissen im Kampf gegen den Klimawandel gegenüber aufgeschlossen zu sein, in Wahrheit aber nur das Geschäft und den Profit im Auge hat. 

Der Inhalt des Strategieentwurfs in Kürze: Dort heißt es schwarz auf Weiß:

In der 20. Legislaturperiode schreibt die Bundesregierung den Prozess zur nationalen Tourismusstrategie fort und verbessert die Koordinierung der Tourismuspolitik, um den Tourismusstandort Deutschland nach der Covid-19-Pandemie nachhaltig, klimafreundlich, sozial gerecht und innovativ zu gestalten. 

Als ersten Schritt hierzu legt die Bundesregierung ein Arbeitsprogramm vor, in dem branchenübergreifende und branchenspezifische Maßnahmen und Projekte aus den Bundesressorts in den Bereichen Klimaneutralität, Klima- und Naturschutz, Fachkräftesicherung, Digitalisierung und Wettbewerbsfähigkeit gebündelt werden. Auf diese Weise werden die unterschiedlichen Facetten der Querschnittsbranche Tourismus adressiert und zahlreiche Anknüpfungspunkte geschaffen, um die Herausforderungen in den Kernbereichen Klimaneutralität/Umwelt- und Naturschutz, Fachkräftesicherung, Digitalisierung und wettbewerbsfähiger Tourismus anzugehen. 

1. Arbeitsprogramm als kontinuierlicher Prozess. Die Bundesregierung wird das Arbeitsprogramm kontinuierlich weiter- entwickeln. Sie lädt die für die Tourismuswirtschaft relevanten Akteure, insbesondere die Länder, Destinationen und die Branche selbst, dazu ein, sich mit eigenen Maßnahmen zu beteiligen, damit größtmögliche Praxisnähe geschaffen und Synergien genutzt werden. 
Klimaneutralität/Umwelt- und Naturschutz: Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) sieht ehrgeizige Vorgaben zur Reduktion der Treibhausgasemissionen in den einzelnen Sektoren (Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft und Abfall) vor. Das wirkt sich unmittelbar auch auf die Tourismuswirtschaft als Querschnittsbranche aus. Diese Sektorziele führen dazu, dass auch im Bereich der Tourismuswirtschaft die Treibhausgasemissionen absolut reduziert werden müssen. 

2. Datenlage verbessern, Dialogformate etablieren und Informationen in die Fläche tragen. Die Bundesregierung will die Datengrundlagen im Bereich Klimaneutralität, Umwelt- und Naturschutz verbessern und Unternehmen wie auch Reisende stärker für das Thema Klima- und Umweltschutz sensibilisieren. Dazu wird z. B. der Deutsche Klimafonds Tourismus (DKT) etabliert, der es der Tourismusbranche leichter machen soll, Treibhausgas-Reduktionen (THG) umzusetzen und zu dokumentieren. Darüber hinaus wird die Tourismuswerbung der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) stärker auf das Thema Klimaschutz ausgerichtet werden. 

3. Klima- und umweltschädliche Emissionen im Verkehr senken – Klimafreundlichkeit aller Verkehrsträger verbessern. Tourismus ist ohne Mobilität nicht denkbar. Sie klimafreundlicher zu gestalten, ist ein zentraler Hebel für emissionsärmeren Tourismus. Die Bundesregierung stärkt umweltfreundliche Verkehrsmittel wie die Schiene, u. a. durch den Deutschlandtakt, und das Fahrrad, z. B. durch den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur. Aber auch der Straßen-, Luft- und Schiffsverkehr werden fester Bestandteil des Reisens bleiben und müssen umwelt- und klimafreundlicher werden. Deshalb fördert die Bundesregierung beispielsweise den Ausbau der Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität sowie die Entwicklung neuer Antriebe und Kraftstoffe. Um Maßnahmen für eine klimaneutrale Luftfahrt zu bündeln, hat sie dazu im Juni 2022 ein gemeinsames Papier vorgelegt. Die Bundesregierung unterstützt zudem ambitionierte Quoten für Power-to-Liquid (PtL) im Luft- und Schiffsverkehr, um einen Markthochlauf anzureizen, oder fördert die Landstromversorgung von Schiffen an Häfen. 

4. Klima-, Umwelt- und Naturschutz im Tourismus stärken. Zu besserem Klima-, Umwelt- und Naturschutz können die verschiedensten Bereiche der Querschnittsbranche Tourismus beitragen. Die Bundesregierung unterstützt z. B. Projekte für mehr Regionalität und Umweltfreundlichkeit bei Lebensmitteln oder auch für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Kulturbereich sowie in Tourismusdestinationen mit dem Bundeswettbewerb. Mit „LIFT Klima“ werden vorbildliche Projekte kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) im Hinblick auf die Verbindung von Klimaschutz mit wirtschaftlicher Entwicklung gefördert. 

5. Fachkräftesicherung. Motivierte, gut ausgebildete Mitarbeitende sind immer schwerer zu gewinnen und zu halten, trotz über 3 Mio. Flüchtlingen, die sich mit Ausnahme der Ukrainer kaum integrieren wollen und von denen nur ein Bruchteil arbeiten will – das gilt auch und insbesondere im Tourismus. Die Bundesregierung nimmt setzt mit der Fachkräftestrategie wichtige Schwerpunkte, die u. a. das Ausschöpfen der in- und ausländischen Fachkräftepotenziale sowie das lebenslange Lernen umfassen. Um alle relevanten Akteure zu vernetzen, wird u. a. die Allianz für Aus- und Weiterbildung fortgesetzt sowie der Aufbau von Weiterbildungsverbünden gefördert. Als übergreifende Maßnahme unterstützt auch das von der Bundesregierung geförderte Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe KMU dabei, Fachkräfte zu finden, zu binden und weiter zu qualifizieren. 

6. Arbeits- und Ausbildungsstellen besetzen. Mit Programmen wie der „Passgenauen Besetzung“ oder der Förderung des SCHULEWIRTSCHAFT-Preises „Das hat Potenzial!“ will die Bundesregierung Nachwuchs- und Passungsproblemen auf dem Ausbildungsmarkt entgegentreten. 

7. Ausländische Arbeitskräfte rekrutieren. Mit den Willkommenslotsen und dem „Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ unterstützt die Bundesregierung Unternehmen bei der Besetzung von offenen Ausbildungs- und Arbeitsstellen mit Geflüchteten; ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei aktuell auf Geflüchteten aus der Ukraine, für die gerade der Tourismussektor eine Perspektive bieten kann. Alle anderen über 2 Mio. zumeist illegal Zugewanderte, ob aus Afghanistan, Syrien, Afrika usw. sind oft als Einwanderer in das deutsche Sozialsystem gekommen (müssen demzufolge von allen Arbeitenden finanziert werden) und viele von ihnen lehnen Integration und Arbeit ab. Innerhalb des Pilotprojekts „Hand in Hand for international Talents“ sollen aus Indien, Brasilien und Vietnam Fachkräfte u. a. für das Gastgewerbe rekrutiert werden. Darüber hinaus sind Verfahrenserleichterungen für die Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen für ausländische Arbeitskräfte geplant. 

8. Arbeitsbedingungen attraktiver machen. Mit zunehmenden Fachkräfteengpässen gewinnt die Verbesserung von Arbeitsqualität und Arbeitskultur an Bedeutung. Dies ist im Wesentlichen Aufgabe der Arbeitgebenden. Die Bundesregierung unterstützt deren Anstrengungen u. a. mit der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA). Gemeinsam mit verschiedenen Partnern schafft sie darin Experimentierräume, die Lösungen für gute Arbeitsbedingungen und eine mitarbeiterorientierte Arbeitskultur auch in einer veränderten Arbeitswelt erarbeiten; die Lösungen richten sich vornehmlich an KMU. 

9. Digitale Infrastruktur ausbauen. Die Digitalisierung wird in Zukunft auch das Reisen und den Tourismus deutlich verändern und bietet vielfach auch Lösungen für aktuelle Herausforderungen und Probleme der Branche an. Eine adäquate digitale Infrastruktur ist dafür Grundvoraussetzung. Die Bundesregierung unterstützt den Ausbau z. B. mit der Gigabitstrategie. 

10. Digitalisierung insbesondere in KMU vorantreiben. Die Nutzung digitaler Technologien ist oft in KMU aufgrund fehlender personeller und finanzieller Ressourcen geringer ausgeprägt als in Großunternehmen. Deshalb will die Bundesregierung insbesondere KMU, die auch die Tourismusbranche prägen, mit verschiedenen Angeboten den Weg ins digitale Zeitalter erleichtern, u. a. mit den Programmen Netzwerk Mittelstand Digital, Digital Jetzt, go digital oder DigiRess (Digitale Anwendungen zur Steigerung der Ressourceneffizienz in zirkulären Produktionsprozessen). 

11. Daten und Informationen bereitstellen und effizient nutzen. Um die Digitalisierung für spezifische Belange der Tourismuswirtschaft nutzen zu können, müssen Daten und Informationen in adäquater Form bereitgestellt werden. Dafür sorgt u. a. das Knowledge Graph Projekt der DZT, über das die Möglichkeiten des Einsatzes digitaler Technologien im Tourismusmarketing verbessert werden sollen. Das Projekt Datenraum Kultur ermöglicht einen dezentralen und sicheren Datenaustausch im Kulturbereich und fördert damit digital basierte Angebote. Mit der Initiative Stadt.Land.Digital will die Bundesregierung Kommunen informieren und vernetzen, die auf dem Weg zur Kommune der Zukunft, zur „intelligenten“ Stadt oder „smarten“ Region sind. 

12. Wettbewerbsfähiger Tourismus - Ländliche Räume stärken. Die Bundesregierung flankiert die Entwicklung ländlicher Räume insbesondere im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW). Hiervon profitiert häufig der Tourismus in großem Maße, da er in vielen ländlichen Räumen einen besonders gewichtigen Wirtschaftsfaktor darstellt. In der laufenden Neuausrichtung, bei der Ziele, Fördervoraussetzungen und Schwerpunkte der Förderung überprüft und angepasst werden, wird die Bundesregierung die wichtige Rolle des Tourismus im Blick behalten. 

13. Mittelstand sowie Gründer unterstützen. Der Tourismus ist eine überwiegend mittelständisch geprägte Branche. Auf diese Weise kann sie überproportional von den Förder- und Beratungsangeboten der Bundesregierung profitieren, die sich ganz allgemein an KMU richten. Eine wichtige Rolle spielt für KMU der Abbau unverhältnismäßiger Bürokratie. Die Bundesregierung plant dazu ein ressortübergreifendes Entlastungsgesetz sowie Praxischecks für KMU in bestimmten Politikbereichen. 

14. Freizeit und Kultur fördern, Lebensqualität erhöhen. Für Wettbewerbsfähigkeit und Akzeptanz im Tourismus ist es unabdingbar, die Gegebenheiten in den Regionen – sowohl auf dem Land als auch in den Städten – so attraktiv wie möglich zu gestalten und dabei die Interessen der lokalen Bevölkerung zu achten. Die Bundesregierung fördert mit Maßnahmen wie der Innenstadt- und der Einzelhandelsstrategie die Attraktivität der Innenstädte und unterstützt in verschiedenen Programmen bundesweit und regional die deutsche Kulturlandschaft in ihrer ganzen Vielfalt. Daneben stärkt sie beispielsweise mit dem Masterplan Freizeitschifffahrt und dem 1000-Bahnhöfe-Programm weitere tourismusrelevante Angebote in den Regionen. 

15. Internationalen Tourismus beleben. Die Bundesregierung will nicht nur den Inlandstourismus fördern, sondern auch zur Erholung des internationalen Tourismus beitragen. Im Fokus steht u. a. die Koordinierung mit den relevanten Akteuren auf europäischer und internationaler Ebene, um Störungen im internationalen Tourismus so gering wie möglich zu halten. Gleichzeitig will die Bundesregierung zur Krisenbewältigung, zum Wiederaufbau nach der Covid-19-Pandemie und zur Förderung der Resilienz der Tourismuswirtschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern beitragen. Denn gerade in diesen Ländern leistet der Tourismus einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stabilisierung. 

Kritik der Reiserbanche. Der Strategie-Entwurf , dessen Bebilderung viel Natur, aber wenig Touristen zeigt, bringt viele Einschränkungen und Strafen. „Berechnung von CO2-Emissionen bei Jugendreisen“, „Stärkung des ÖPNV“, Fokus auf die „Reduzierung von Flugreise“ bei Geschäftsreisenden – typisch grüne Ziele, übertragen auf den Tourismus, heißt es bei den Teilnehmern der Auftaktveranstaltung. Unverständlich aber die dumme Reaktion der Teilnehmenden Reaktion auf Habecks Ankündigung, er wolle in 2023 keinesfalls in den Urlaub zu fliegen. Sie hatten offensichtlich vergessen oder wollen heute nichts mehr davon wissen, dass der Deutsche Tourismusverband im Juli 2022 ausdrücklich die damals vom Kabinett beschlossenen Eckpunkte der Tourismusstrategie begrüßt hatte - vor allem den Umbau zur Klimaneutralität, aber wie sich bei Habecks Urlaubsankündigung zeigte, ist das Thema Klimaschutz bei den TurismusvertreterInnen dann doch nicht so ernst gemeint. Dass Touristiker ausländische Beucher Gäste auch mit einer intakten Umwelt nach Deutschland locken können, das war 2022 wohl nur so etwas wie ein Lippenbelenntnis der Reisebranche. Die immer drängenderen Probleme wie „Klimaneutrale Luftfahrt“ und das Ziel, Flugreisen durch längere Aufenthalte im Land nachhaltiger zu gestalten, scheinen offensichtlich nicht im Tourismus angekommen zu sein.

Die Teilnehmer der Auftaktveranstaltung stören sich u.a. auch daran, dass der  Entwurf zur Nationalen Tourismusstrategie deutsche Tourismuszentralen im Ausland lieber anweisen will, auf die Bedeutung von nachhaltigem Reisen per Bus und Bahn hinzuweisen. Gastbetriebe hierzulande fürchten daher um Kundschaft von weither: Gerade Urlauber, die nur per Flugzeug anreisen können, geben nach dem Motto „Wer will beim Urlaub des Lebens schon knausrig sein?“ oft mehr Geld aus als sparbewusste deutsche Heimaturlauber. Ihnen das Fliegen auszureden, streut Salz in offene Wunden. Quelle: Bundeswirtschaftsministerium / DMM