Boeing wirft Chef-Lobbyisten raus

Tim Keating, Executive Vice President of Government Operations von Boeing, Cheflobbyist und politischer Stratege des Unternehmens in Washington, D.C., und eine führende Persönlichkeit in der Obersten Etage des Flugzeugherstellers, ist „nicht mehr im Unternehmen“. Das war der knappe Wortlaut in einem Memo des Boeing-Vorstandsvorsitzenden Dave Calhoun am Montagnachmittag. Interims-Nachfolger ist Marc Allen, Chief Strategy Officer des Unternehmens.

Calhouns Memo lieferte keine Erklärung für Keatings plötzlichen Abgang, der ohne Vorwarnung erfolgte. Seine Botschaft enthielt kein Wort des Lobes oder des Dankes für die scheidende Führungskraft, was darauf hindeutete, dass Keating gegen seinen Willen abgeschossen wurde. Bemerkenswert: Keatings Biografie verschwand umgehend aus der Liste der Executive-Biografien auf der Unternehmenswebsite. Boeing wollte sich auch gegenüber DMM nicht äußern.

Keating, der früher in der Clinton-Administration arbeitete, spielte jahrelang eine Schlüsselrolle beim US-Luftfahrtunternehmen. Als großer US-amerikanischer Rüstungskonzern hat Boeing Militärverträge im Wert von mehreren Mrd. USD und das Business hängt von einer engen Beziehung zur Regierung, dem größten Einzelkunden, ab. Keating wurde 2008 eingestellt, um seine politischen Einfluss zu nutzen. 2011 trug Keatings aggressive Lobbyarbeit gegenüber dem Kongress dazu bei, dass Boeing z.B. den Tankervertrag KC-46 gewann.

Diesen Sieg begoss Keating mit Rich Michalski, seinem Amtskollegen in der Zentrale der Gewerkschaft International Association of Machinists. Die beiden hatten zusammengearbeitet, um Republikaner und Demokraten auf die Seite von Boeing zu ziehen. Keatings Nähe zu Michalski spielte auch eine entscheidende Rolle bei der hart umkämpften Abstimmung der Gewerkschaft im Jahr 2013, die den Bau der B777X in Everett sicherte. 2014 dann startete Keating einen ungewöhnlichen öffentlichen Angriff auf die Boeing-Ingenieurgewerkschaft, die Society of Professional Engineering Employees in Aerospace, und insbesondere auf den Exekutivdirektor der Gewerkschaft, Ray Goforth, den das Boeing-Management in Chicago verabscheute.

In jüngerer Zeit saß Keating bei den Anhörungen vor dem Kongress direkt hinter dem ehemaligen Boeing CEO Dennis Muilenburg, als der kurz darauf geschasste CEO betreffend die beiden tödlichen Abstürze der 737 MAX zur Rede gestellt worden war. Und er begleitete Muilenburg bei Besuchen im Trump Tower des vormaligen US-Präsidenten Donald Trump in New York sowie im Mar-a-Lago-Resort in Palm Beach (Florida). Dort schmiedeten beide an einer "freundschaftlichen Beziehung" zwischen Boeing und Trump. Keating steuerte zu jener Zeit nicht nur die Politik von Boeing nach außen, sondern beaufsichtigte auch die von Boeing zu vergebenden Spenden.

2019 ist aus den Finanzunterlagen des Unternehmens zu lesen, dass Keating für sein Engagement eine Entschädigung in Höhe von 4,4 Mio. USD erhalten hatte. Und er besaß seinerzeit Boeing-Aktien im Wert von knapp 21 Mio. US-Dollar zum heutigen Schlusskurs von 245,28 US-Dollar.

Bevor Keating zu Boeing kam, war er Senior Vice President of Government Relations bei Honeywell und Vorstandsvorsitzender bei Timmons and Company – einer der renommiertesten Lobbyfirmen in Washington DC. Zuvor war Keating als Berater von Präsident Bill Clinton und als Stabsdirektor für Gesetzgebungsangelegenheiten des Weißen Hauses tätig. Vor seinem Eintritt in die Clinton-Administration hatte Keating mehrere Positionen im US-Repräsentantenhaus inne. Quelle: DMM