Das Verspätungs- und Ausfall-Chaos in den Griff bekommen

2018 kam es im gesamten europäischen Luftverkehr zu einem massiven Anstieg von Verspätungen und Flugstreichungen. Die Hauptursache für diese Unregelmäßigkeiten war, dass das starke Wachstum im Luftverkehr an luft- und bodenseitige Kapazitätsgrenzen stößt, insbesondere bei der Organisation der Flugsicherung. 2019 könnte Leisure- und Businessreisenden Ähnliches blühen.

Sonderfaktoren wie die inzwischen abgeschlossene Eingliederung von Flugzeugen und Crews in andere Flugbetriebe infolge der Air Berlin-Insolvenz, Fluglotsenstreiks in Südeuropa sowie eine besondere Häufung von Gewittern infolge des Klimawandels taten ihr Übriges, vielen Passagieren das Fliegen zu vergällen. Die durchschnittliche Verspätung eines jeden Fluges stieg europaweit von 12,4 Minuten im Jahr 2017 auf 14,7 Minuten im Jahr 2018. Auch die Flugstreichungen nahmen zu: Der Anteil der gestrichenen Flüge am gesamten Flugangebot erhöhte sich von 1,5 % auf 2,0 %.

Um die Zuverlässigkeit im Luftverkehr zu verbessern und strukturelle Kapazitätsengpässe zu beheben, haben Politik und Unternehmen am 05. Oktober 2018 insgesamt 24 Maßnahmen miteinander vereinbart (DMM berichtete). Hiervon fielen 15 Maßnahmen in den Bereich der Unternehmen und neun in den Bereich der Politik.

Am 28. März 2019 kamen Politik und Unternehmen noch einmal zusammen, um zu evaluieren, welche Maßnahmen bereits umgesetzt wurden und was bislang angestoßen wurde. Die Ergebnisse zeigen: Vieles wurde bereits realisiert oder zumindest initiiert, aber es gibt weiter dringenden Handlungsbedarf, um die strukturellen Kapazitätsengpässe zu beheben. Insbesondere bei der Organisation der Flugsicherung in Deutschland und Europa sowie bei der Organisation der Passagier- und Gepäckkontrollen in Deutschland sind weitere Fortschritte dringend nötig, damit es zu einer nachhaltigen Entspannung im Flugbetrieb kommen kann.

Die Fluggesellschaften und Airports haben die von ihnen zugesagten Vorhaben nach eigenen Angaben umgesetzt. Zu den wesentlichen Maßnahmen gehören:

  • Die deutschen Fluggesellschaften haben die Zahl ihrer Reserveflugzeuge in Summe mehr als verdoppelt. Des Weiteren haben sie ihre Flugpläne entzerrt, bei den Flug- und Bodenzeiten zusätzliche Pünktlichkeitspuffer eingebaut und am Boden und in der Luft mehr Personal eingestellt.
  • Die Flughäfen haben über 3.000 Beschäftigte außer Plan eingestellt, um Engpässe bei den Bodenverkehrsdiensten auszugleichen. Zudem haben sie zusätzliche Flächen für die staatlich organisierten Passagier- und Gepäckkontrollen zur Verfügung gestellt.
  • Die DFS Deutsche Flugsicherung steigert die Anzahl der Lotsen, indem die Zahl der Auszubildenden deutlich erhöht wird und die aktiven Lotsen von anderen Tätigkeiten entlastet werden. Darüber hinaus schafft die DFS mehr Kapazität im deutschen Luftraum, indem sie Flüge in niedrigere Flughöhen sowie auf Umwegen durch weniger frequentierte Sektoren führt.

Die Umsetzung aller Maßnahmen fordert den Unternehmen erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen ab. Insgesamt soll das Verspätungsproblem im aktuellen Sommerflugplan etwas abgemildert werden. Dennoch bleibt die Lage angespannt; denn die anhaltende Nachfrage sorgt dafür, dass der Luftverkehr in Deutschland in 2019 weiter wachsen wird.

Europa-Problem. Die nationalen Flugsicherungen stoßen bei vielen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung auf gesetzlich-regulative Hürden auf europäischer Ebene. Um die Kapazität im europäischen Luftraum nachhaltig zu erhöhen, bedarf es daher verstärkter Initiativen der EU und ihrer Mitgliedstaaten:

  • Es müssen bedarfsgerechte Personalressourcen geschaffen und ein flexibler Lotseneinsatz ermöglicht werden.
  • Es müssen Fortschritte bei der Automatisierung der Flugsicherungsdienste gemacht werden.
  • Die grenzüberschreitende Kooperation muss optimiert werden.

Kapazitätsengpässe bei den staatlichen Luftsicherheitskontrollen in Deutschland verschärfen sich. Ein Handlungsfeld, bei dem weitere Fortschritte auf nationaler Ebene realisiert werden können, sind die staatlich organisierten Passagier- und Gepäckkontrollen. Diese sind weniger effizient als an großen Flughäfen im Ausland wie etwa London, Madrid oder Brüssel. In der Folge kommt es an deutschen Flughäfen deutlich häufiger zu sehr langen Wartezeiten bei den Kontrollstellen. Dies führt ebenfalls zu Verspätungen von Flugzeugen, etwa wenn diese auf Passagiere warten müssen oder wenn aufgegebenes Gepäck von nicht pünktlich erschienenen Passagieren wieder ausgeladen werden muss.

Bei der Lufthansa gab es 2018 allein bei Abflügen aus Frankfurt und München bei mehr als 32.000 Flügen solche Gepäckausladungen mit über 260.000 Verspätungsminuten. Rund 4 % der Verspätungen in Deutschland ließen sich 2018 auf die staatlich organisierten Luftsicherheitskontrollen und die Grenzkontrollen zurückführen. Bezieht man daraus resultierende Folgeverspätungen mit ein, sind es sogar fast 7 %. Der Vergleich zeigt: Die Sicherheits- und Grenzkontrollen in Deutschland schlagen als Verspätungsursache deutlich stärker zu Buche als in anderen europäischen Ländern. In Deutschland sind diese Verspätungen 2018 noch angestiegen, während sie im europäischen Durchschnitt zurückgingen.

Es geht aber nicht nur um die reine Verspätung des Flugzeugs, das Problem ist umfassender. Denn selbst wenn das Flugzeug nicht verspätet abhebt, ist es ärgerlich für die Passagiere, wenn sie an der Sicherheitskontrolle lange warten müssen oder gar ihren Flug verpassen. An einzelnen Standorten wurden von den Sicherheitsbehörden in den letzten Monaten erste verbesserte Kontrollspuren in Betrieb genommen. Ebenso haben die Behörden erste Versuche gestartet, bei ihren Sicherheitsdienstleistern mit neuen Verträgen Anreize für mehr Effizienz zu setzen.

Die Branche hat ihr Angebot unterstrichen, an einigen großen Flughäfen die Verantwortung für die Durchführung der Kontrollen zu übernehmen. Quelle: BDL / DMM