DB: Brenner-Nordzulauf wird wohl erst nach 2030 begonnen

Bis Geschäftsreisende aus dem Raum München mit dem Zug binnen drei, vier Stunden nach Mailand fahren können, vergehen wohl noch Jahrzehnte. Denn anders als Österreich und Italien hat Deutschland seine Hausaufgaben bei der schnellen Alpenquerung samt Brenner-Basistunnel nicht gemacht. Beim deutschen Anteil des Projekts, dem nördlichen Brennerzulauf (München-Rosenheim-Kufstein) hakt es wohl noch Jahre. Die DB baut auch schon mal vor: Vor 2030 kann ihrer Ansicht nach die Neubaustrecke nicht gebaut werden.

Wie DMM schon vor zehn Jahren berichtete, beabsichtigt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur eine zweigleisige Neubaustrecke für den Brenner-Nordzulauf errichten zu lassen. Die DB Netz setzt dafür den Auftrag für die Vorplanungen um. Gesucht wird eine möglichst raumverträgliche Trassenführung für eine zweigleisige Neubaustrecke mit einer maximalen Streckengeschwindigkeit von 230 km/h und einer maximalen Steigung von 12,5 ‰. Sie soll dazu beitragen den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern. Der Brenner-Nordzulauf ist Teil des Skandinavien-Mittelmeer Korridors. Herzstück dieses europäischen Kernnetzkorridors ist im alpenquerenden Abschnitt der Brenner Basistunnel zwischen Innsbruck und Franzensfeste, an dem seit Längerem gebaut und der in voraussichtlich vier Jahren fertiggestellt sein wird.

Die bestehende zweigleisige Strecke wird auf lange Sicht gesehen das Güterverkehrswachstum nicht mehr aufnehmen können. Verkehrsverlagerung, umweltfreundliche Verkehre und Klimaschutz sowie schnellere Fernverkehrsverbindungen von und nach Italien und mehr Kapazität für einen dichteren Nahverkehr in der Region sind weitere Vorteile. Torsten Gruber: „Der Ausbau der Brennerbahn bringt einen dreifachen Nutzen. Mehr Nahverkehr für die Menschen vor Ort, schnellere Fernverkehrszüge nach Italien und mehr Güter auf der Schiene statt auf der Straße.“

Die Neubaustrecke dient dem Fern- und Güterverkehr als Teil des international vereinbarten viergleisigen Ausbaus des Brenner-Korridors von München bis Verona. Im Inntal stellt sie die Verbindung zu der 2012 fertiggestellten viergleisigen österreichischen Strecke von Innsbruck bis zum Knoten Radfeld her. Nach Eröffnung des zweigleisigen Brenner Basistunnels bleibt die bestehende zweigleisige Strecke über den Brennerpass in Betrieb. Daher stehen auch im Querschnitt Brenner insgesamt vier Gleise zur Verfügung. Dieses viergleisige System setzt sich auch in Italien fort. Für den Südzulauf zwischen Franzensfeste, Bozen, Trento und Verona gibt es definierte Ausbauprojekte, sodass auf dem gesamten Korridor durchgängig vier Gleise zur Verfügung stehen sollen.

Für die EU ist der Brenner-Korridor eines der Top-Verkehrsprojekte zwischen Skandinavien und dem Mittelmeer. Aufgrund der Erfahrungen aus anderen Projekten ist mit einer baulichen Umsetzung des deutschen Anteils frühestens in den 2030er Jahren zu rechnen.

Vor vier Jahren starteten DB und ÖBB mit den Planungen für eine Neubaustrecke zwischen dem Tiroler Inntal bis vor die Tore Münchens und starteten begleitend dazu einen Dialog mit Bürgern und Kommunen. Während die Österreicher ihre Neubaustrecken in Tirol längst fertiggestellt haben, ermittelten die Fachplaner Schritt für Schritt im Schneckentempo Bereiche, die für eine Streckenführung in Frage kommen könnten. Im Januar 2019 begann die Bahn mit der Reduzierung der zahlreichen Grobtrassen-Ideen. Dabei galt es auch 110 Vorschläge von Bürgern zu alternativen Trassenverläufen zu prüfen. Von den nun ausgewählten fünf Grobtrassen enthalten vier Ideen von Bürgern aus der Region. Zum Beispiel haben die Bahnplaner den Vorschlag übernommen, eine Verknüpfungsstelle zwischen bestehender und neuer Strecke näher an die Autobahn zu legen – und weiter entfernt von Wohnbebauungen. Gleiches gilt für einen zusätzlichen Tunnelabschnitt östlich des Inns. Fünf Varianten konzentrieren sich nun auf zwei grobe Streckenverläufe westlich und östlich von Rosenheim.

Die Varianten „Blau“ und „Violett“ verlaufen östlich von Rosenheim und knüpfen bei Niederaudorf an die bestehende Strecke im Inntal an. Im Norden verbinden sich beide Trassen entweder bei Großkarolinenfeld oder bei Aubenhausen. Im Süden unterscheiden sie sich durch die Tunnelanteile. „Türkis“, „Gelb“ und „Oliv“ stellen Varianten westlich von Rosenheim dar. Dabei gibt es südlich und nördlich jeweils mehrere Möglichkeiten für Verknüpfungsstellen mit der bestehenden Strecke.

DB-Projektleiter Torsten Gruber: „Wir erwarten, dass viele Ängste und Sorgen weichen werden, weil wir in den kommenden Monaten die jetzt noch übrig gebliebenen Trassenverläufe viel konkreter planen und damit auch detaillierter mit der Region besprechen.“ Durch die Reduzierung auf fünf Einzelvarianten sind nun einige Ortschaften nicht mehr von den Trassenplanungen betroffen. In anderen Gemeindegebieten – besonders im südlichen Inntal – kommen ausschließlich Tunnelführungen vor.

In den kommenden eineinhalb Jahren werden die Bahnen die fünf Einzelvarianten vertieft planen. Hierbei wird beispielsweise die Höhenlage der Gleise ermittelt und der Trassenverlauf genauer festgelegt. Am Ende gilt es die Trasse auszuwählen, die am besten den unterschiedlichen Anforderungen gerecht wird. Dabei kommen Bewertungskriterien zum Einsatz, die gemeinsam mit den Bürgern aus der Region entwickelt wurden. Im Fokus stehen die Auswirkungen auf Menschen und Umwelt sowie Technik und Verkehr. Landwirtschaft, Flächenverbrauch sowie Trinkwasser und Tourismus sind wesentliche Aspekte, die für viele Menschen vor Ort von zentraler Bedeutung sind. Außerdem wird ein Raumordnungsverfahren eingeleitet.

Die Vorstellung am Montag, 01. Juli 2019, dient als Auftakt zu einer Reihe von Infoveranstaltungen, um den Bürgern die aktuellen Entwürfe für Grobtrassen, deren Entstehung und die weitere Arbeit ausführlich zu erläutern. Vom 04. Juli bis 05. August veranstalten DB und ÖBB 16 Informations-Ausstellungen von Kufstein bis Großkarolinenfeld. Die Einladungen mit den Terminen werden zeitnah via Postwurfsendung verschickt. Zu sehen gibt es die Grobrassenpläne auch im Infobüro in Rosenheim.

Auf der Projekt-Website werden alle Unterlagen und die Termine der Infomärkte veröffentlicht. Die Einbindung der Öffentlichkeit erfolgt über einen strukturierten Dialog mit repräsentativen Vertretern aus der Region. Hierfür haben sich seit Herbst 2015 die Gemeindeforen des gemeinsamen Planungsraumes im Inntal südlich von Rosenheim bis nach Österreich sowie des erweiterten Planungsraums rund um Rosenheim konstituiert. Das Ziel des Beteiligungsverfahrens ist es, in einem transparenten Prozess die für alle Beteiligten beste Trassenvariante zu finden. 25 Gemeinden von Großkarolinenfeld über Rosenheim und Kufstein bis nach Langkampfen in Tirol nehmen an diesem Dialog mit bisher über 200 Veranstaltungen teil. Mit einem Info-Büro, Fachvorträgen und einer Projektwebsite bieten die Bahnen weitere Möglichkeiten zur Information über die Planungsprozesse. Quelle: Deutsche Bahn / DMM