DB: Nur auf den ersten Blick sind es gute Zahlen

„Klimafreundliche Mobilität boomt. Die Nachfrage stimmt und wächst aktuell weiter stark. Für 2023 könnte es im Fernverkehr mit deutlich mehr als 150 Millionen Reisenden eine neue Rekordzahl geben. Das spornt uns an, für unsere Kunden so schnell wie möglich besser zu werden - denn Deutschland verdient eine Bahn, die leistungsfähiger und pünktlicher ist.“ Worte von Dr. Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender Deutsche Bahn AG.

Stark gewachsene Fahrgastzahlen im Fern- und Regionalverkehr 2022 - dennoch steht die DB vor der riesigen Hausaufgabe, ihr Netz wieder in Ordnung zu bringen, um das Thema Pünktlichkeit in Griff zu bekommen. Foto: DB

Der Deutsche Bahn-Konzern (DB) schreibt wieder schwarze Zahlen. Trotz Belastungen des Bahngeschäfts durch Pandemie-Folgen, Ukraine-Krieg und stark gestiegene Inflation hat der DB-Konzern das Geschäftsjahr 2022 mit einem deutlichen operativen Gewinn abgeschlossen. Das operative Ergebnis (EBIT bereinigt) verbesserte sich im Vergleich zum Corona-Jahr 2021 um rund 2,8 Mrd. Euro auf knapp 1,3 Mrd. Euro. Der Konzernumsatz (bereinigt) wuchs 2022 gegenüber dem Vorjahr um 19,1 % auf rund 56,3 Mrd. Euro. In den Jahren 2020 und 2021 hatte die DB pandemiebedingt noch Verluste in Milliardenhöhe gemacht. 

Die DB-Logistiktochter Schenker verhindert einen noch größeren Verlust der Deutschen Bahn im Jahr 2022. 2023 aber wird sich das Minus aber drastisch ausweiten, räumt Konzernchef Richard Lutz ein. Dessen Bezüge haben sich 2022 übrigens verdoppelt. Laut Geschäftsbericht lag die Vergütung des Vorstandsvorsitzenden bei 2,24 Mio. Euro. Sein Grundgehalt lag bei fast 970.000 Euro. Hinzukam ein Bonus von mehr als 1,26 Mio. Euro. Gleichzeitig rief der 58-jährige Bahnmanager seine Beschäftigten im Tarifstreit zum Maßhalten auf. Sämtlichen Vorstandsmitgliedern wurde im vergangenen Jahr ein erfolgsabhängiger Bonus gezahlt. 2021 und 2020 erhielten die Vorstandsmitglieder solche Boni den Geschäftsberichten zufolge nicht.

Dennoch: Die Bilanz für das Jahr 2022 der Deutschen Bahn zeigt dringenden Handlungsbedarf auf. Das System Schiene muss für seine große Bedeutung als Klimaschützer im Verkehr fit gemacht werden. Es braucht dafür allerdings effizientere Strukturen bei der Deutschen Bahn, um den Sanierungsstau abzubauen, Kapazitäten zu erhöhen und die Pünktlichkeit zu verbessern. Das betrifft auch die Genehmigungsverfahren im Eisenbahnbundesamt, die klare Orientierung der Politik am Deutschlandtakt anstatt völlig unglaubwürdiger Verkehrsprognosen sowie eine Infrastrukturgesellschaft, die Pünktlichkeit statt Gewinne verbessert.

Maßgeblicher Treiber der positiven Entwicklung des Konzerns war neben einer starken Nachfrage im Personenverkehr – der allerdings unterm Strich rote Zahlen erzeugte, erneut die Logistik-Tochter DB Schenker. Sie übertraf beim operativen Ergebnis den Spitzenwert von 2021 um fast 50 %, erwirtschaftete mit rund 1,8 Mrd. Euro den höchsten operativen Gewinn ihrer Unternehmensgeschichte und hat den Konzern damit in die Gewinnzone zurückgebracht.

Im Kerngeschäft der DB verbesserten sich im Vergleich zum Vorjahr Umsatz und Ergebnis 2022 insgesamt ebenfalls erheblich. Mit dem Nachlassen der Corona-Pandemie sind die Fahrgäste schnell zurückgekehrt:

  • Rund 2 Mrd. Reisende nutzten 2022 die Züge der DB – gut 40 % mehr als im Vorjahr.
  • DB-Fernverkehr zählte sogar rund 61 % mehr Passagiere. Er steigerte im vergangenen Jahr seinen Umsatz gegenüber 2021 um mehr als 2 Mrd. Euro auf rund 4,8 Mrd. Euro.
  • DB Regio schaffte ein Umsatz-Plus von gut 1 Mrd. Euro.
  • Die Verkehrsleistung im Personenverkehr auf der Schiene nahm 2022 im Vergleich zum Vorjahr kräftig um etwa 63 % auf nahezu 82,6 Mrd. Personenkilometer.

Fehler der Vergangenheit rächen sich. Die Betriebsleistung auf der dicht befahrenen Schieneninfrastruktur der DB stieg 2022 im Vergleich zum Vorjahr weiter um 2,2 % auf rund 1,13 Mrd. Trassenkilometer. Damit ist das Netz stärker belastet als vor der Pandemie. Es ist zu alt, zu störanfällig und hat zu wenig Kapazität. Der Grund: Ein unfähiges Bahnmanagement und ebenso miserable Verkehrspolitiker haben jahrzehntelang einen unverantwortlichen Rückbau von Gleisen und Weichen betrieben, hunderte, wenn nicht tausende von Bahnhöfen verlottern lassen und aufgegeben, Gleisanschlüsse zu zahllosen Firmen gekappt und viele weitere Süden begangen. Die immensen Fehler früherer Bahnverantwortlicher führten zu einer katastrophalen Performance im Fern- und Güterverkehr. Deutschland hat weltweit unter den Industrienationen die unpünktlichsten Züge. 2022 lag die Pünktlichkeitsquote z.B. im Fernverkehr bei nur 65 %. 

„Das vergangene Jahr markiert einen Wendepunkt. Allen Beteiligten ist klar geworden: Wir müssen umsteuern und die Sanierung und Modernisierung der Infrastruktur gänzlich anders angehen“, so der Bahnchef wohl wissend, was seine Vorgänger das System Bahn in Grund und Boden gerichtet haben. 

Unsichere Zukunft. Unter anderem aufgrund der hohen Inflation und milliardenschwerer Vorleistungen für zusätzliche Verbesserungen in der Infrastruktur rechnet die DB im laufenden Geschäftsjahr mit einem operativen Verlust von etwa 1 Mrd. Euro. Der Konzernumsatz (bereinigt) soll 2023 mehr als 56 Mrd. Euro betragen. Die Brutto-Investitionen werden voraussichtlich auf über 18 Mrd. Euro steigen und die Netto-Investitionen auf mehr als 8,5 Mrd. Euro. Die Nettofinanzschulden werden sich wahrscheinlich auf über 33 Mrd. Euro erhöhen. Alle Vorhersagen sind wegen volatiler Marktentwicklungen mit großen Unsicherheiten behaftet. 

Derzeit verhandelt der Konzern mit der Gewerkschaft EVG über einen neuen Tarifvertrag für rund 180.000 Beschäftigte. Die EVG fordert mindestens 650 Euro mehr im Monat für alle Beschäftigten oder zwölf Prozent mehr Geld für die oberen Lohngruppen. Die Bahn hat u.a. angeboten, die Löhne in zwei Schritten um insgesamt 5 % anzuheben. Zudem wurden Einmalzahlungen von insgesamt 2.500 Euro in Aussicht gestellt. Die EVG lehnt dies ab. Legt die DB kein gutes Angebot vor, schließt die Eisenbahnergewerkschaft weitere Arbeitskämpfe nicht aus, vielleicht sogar schon zu Ostern. Quelle: DB / EVG / DMM