Der böse Weg zur Hardware-Umrüstung

Die Tricksereien mit den Dieselmotoren und die jetzt angekündigte neue CO2-Steuer werden schneller zum Niedergang der Verbrenner führen als viele heute noch glauben. Im Moment aber dreht sich noch alles um das zwanghafte Erhalten des Selbstzünders. Umweltbewusst sein, die Luftqualität verbessern und die Fahrzeugflotte verjüngen – mit solchen Versprechen wollen die Automobilhersteller zurzeit potenzielle Käufer anlocken. Was bis vor einiger Zeit die Umwelt- oder Abwrackprämie war, wird jetzt zum "Bye-Bye-Bonus" oder "Hybrid Deal". Und aktuell kommen noch die Diesel-Prämien aufgrund der Beschlüsse der Bundesregierung vom 02. Oktober 2018 hinzu.

In der Praxis müssen potenzielle Kunden, darunter sicher auch viele gewerbliche, einige Voraussetzungen erfüllen, um wirklich von den Boni profitieren zu können. Wohnort, Zulassungsbedingungen des alten Fahrzeugs, Fristen, Neu- oder Gebrauchtfahrzeuge und auch nicht alle Modelle: Jeder Hersteller hat seine eigenen Prämien-Regeln aufgestellt, Kleingedrucktes inklusive. Und für die Bewohner der besonders belasteten Städte gelten jetzt eben besondere Bedingungen. Wir beantworten hier die wichtigsten Fragen zum Dieselpaket und stellen weiter unten die Prämienmodelle vor.

Welche Städte sind vom neuen Maßnahmenpaket für Diesel betroffen? Generell wird das schon bestehende "Konzept für saubere Luft" nun auf alle 65 Städte ausgeweitet, die den zulässigen Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschreiten. Die Nachrüstung kommunaler Schwerfahrzeuge mit SCR-Kats wird hier vom Bund mit 80 Prozent genauso gefördert wie gewerblich genutzte Handwerker- und Lieferwagen von 2,8-7,5-t-Gesamtgewicht, die ihren Firmensitz in der Stadt oder einem angrenzenden Landkreis haben. Über die Übernahme des Restanteils verhandelt der Bund noch mit den Autoherstellern.

In welchen Städten können Dieselfahrer tatsächlich umtauschen oder nachrüsten? Betroffen sind aktuell 14 besonders stark belastete "Intensivstädte" mit mehr als 50 Mikrogramm NOx pro Kilometer: München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg a.d. Lahn, Düsseldorf, Kiel, Heilbronn, Backnang, Darmstadt, Bochum und Ludwigsburg. Plus X: Sollten noch andere Kommunen (z.B. Frankfurt und seit dem Urteil vom 9. Oktober auch Berlin) Verkehrsbeschränkungen planen (müssen), gilt das Privat-Programm auch hier. Einbezogen sind immer die Autos direkt angrenzender Landkreise und beliebig entfernt wohnende Pendler, die in der Stadt arbeiten, Selbstständige mit Firmensitz in der Stadt und Autofahrer mit besonderen Härten, z.B. Kranke, die regelmäßig zum Arzt müssen.

Warum sind die anderen belasteten Städte ausgenommen? Tatsächlich überschreiten noch 51 weitere Städte den offiziellen Richtwert von 40 Mikrogramm NOx /km. Allerdings geht der Bund davon aus, dass die teils schon laufenden Maßnahmen wie die freiwilligen oder angeordneten Software-Updates ausreichen, um dort in den grünen Bereich zu kommen.

Wie funktionieren die Umtauschprämien? Durch "attraktive Umtauschprämien" sollen in den 14 Intensivstädten ältere Diesel durch saubere ersetzt werden. Besitzer von Fahrzeugen mit den Abgasnormen Euro 4 und Euro 5 müssen beim Händler nachweisen, dass sie die Aktion in Anspruch nehmen können, also z.B. in der Stadt arbeiten. Auf den offiziellen Restwert eines Fahrzeugs, der per DAT- oder Schwacke-Liste ermittelt wird, soll dann die Prämie des Herstellers aufgeschlagen werden, um die Lücke zum Kauf eines neuen Euro-6-Autos möglichst zu verkleinern. Die Prämien gelten sowohl für Neu- als auch Gebrauchtfahrzeuge.

Ist der neue Diesel wirklich sauberer?.Das weiß der Käufer nicht – außer das Auto ist nach der neuesten Abgasnorm 6d-Temp oder 6d zertifiziert. Immerhin erhält er ein Fahrzeug, das mit seiner Euro 6-Norm derzeit von den Fahrverboten noch nicht betroffen ist. Die Ergebnisse des realitätsnahen ADAC Ecotests beweisen, dass viele Euro-6b-Fahrzeuge zwar auf dem Prüfstand, aber mit durchschnittlich 341 mg NOx/km auf der Straße nicht wirklich sauber fahren. Also könnte das neue Auto beim Stickoxid-Ausstoß sogar schlechter sein. Und Fachkeute fürchten, dass 6d Tdemp auch nur eine Mogelpackung ist.

Was passiert mit den umgetauschten Dieseln? Das entscheidet der Händler. Im Gegensatz zur Abwrackprämie, die mehr als 200.000 Kunden in Anspruch nahmen, kann der Händler das angekaufte Auto auch weiterverkaufen – z.B. in unbelastete Städte und Landkreise oder ins Ausland. Oder anders ausgdedrückt: "Dreckige Autos" woanders schert die Bundesregierung und Autobauer wenig.

Lohnt sich die Umtauschprämie finanziell? Der ADAC hat es mal für eine Mercedes C-Klasse mit 80.000 km, Euro 5-Diesel und Erstzulassung 3/2012 durchgerechnet. Das Auto wird bei Mercedes in Zahlung gegeben, der Händlereinkaufspreis laut DAT: 10.900 €. Beim Kauf einer C-Klasse legt der Mercedes-Händler 6.000 € Prämie drauf. Das macht 16.900 Euro für den Käufer. Nur: Eine gleichwertige C-Klasse kostet ihn mindestens 35.000 €. Die Differenz beträgt also 18.100 € – so viel muss der Neue dem Käufer erst mal wert sein. Gut für den Kunden ist, dass er sich auf den eher höheren Listenpreis beziehen kann. Schlecht: Neben der offiziellen Umweltprämie wird der Händler wohl keine weiteren Rabatte anbieten.

Wer bietet die Umtauschprämien an? Die Umtauschprämien sind für die Hersteller ein prima Verkaufsprogramm. Deshalb präsentierten schon kurze Zeit nach Verkündung des Dieselprogramms erste Hersteller wie BMW, Daimler, VW oder Renault ihre Umtauschprogramme mit Rabatten zwischen 2.000 und 10.000 Euro – und fast alle anderen werden folgen. Doch den Autokäufern droht ein Prämienchaos: Einige Hersteller nehmen auch Euro 1- bis 4-Fahrzeuge in Zahlung, andere sogar Euro 6-Autos, manche nur Modelle der eigenen Marke, oft gelten die Angebote auch bundesweit. Wer den Überblick behalten will, findet auf www.adac.de eine ständig aktualisierte Liste der Hersteller-Prämien.

Allerdings: Noch sind die neuen Umweltprämien für die "Intensivstädte" und besonders belastete Kommunen nur von wenigen Herstellern ausgearbeitet. Man darf sich also nicht wundern, wenn man im Netz dazu noch nichts finden kann und auch die Händler nicht bescheid wissen.

Lange bestritten Autoindustrie und Bundesverkehrsministerium, dass sich ältere Diesel-Fahrzeuge mit SCR-Systemen nachrüsten lassen. Bei diesen Hardware-Einbauten wird ein spezieller Katalysator in den Abgasstrang integriert. Dieser Katalysator macht dann die giftigen Stickoxide mithilfe des Harnstoffs AdBlue unschädlich. Autohersteller und Verkehrsministerium hielten bislang wenig von dieser Maßnahme: Zu teuer, zu aufwändig, zu wenig NOx-Reduktion.

Diese Haltung hat sich jetzt geändert, zumindest im Verkehrsministerium. Am 2.10.2018 kündigte Verkehrsminister Andreas Scheuer an, Nachrüst-Systeme "so schnell wie möglich" zu genehmigen. Voraussetzung: Der Nachrüstsatz kann den Stickoxidausstoß unter 270 mg/km senken. Gleichzeitig forderte das Ministerium die jeweiligen Autohersteller auf, "die Kosten für das SCR-System und den Einbau" bei von Fahrverboten bedrohten Fahrzeughaltern zu übernehmen.

Dass Hardware-Nachrüstungen an Euro-5-Dieselfahrzeugen nicht nur möglich sind, sondern auch funktionieren, bewies der ADAC Württemberg mit Unterstützung des baden-württembergischen Verkehrsministeriums durch einen Test von verschiedenen Diesel-Nachrüstsystemen. Die Ergebnisse präsentierte der Club im Februar 2018.

Nach der ersten Testreihe optimierten drei der untersuchten Anbieter ihre Technik weiter: Baumot Twintec, Oberland-Mangold sowie HJS. Die überarbeiteten SCR-Systeme werden seit dem Sommer 2018 in einem Opel Astra 1.7 CDTI, einem VW T 5 und einem Fiat Ducato geprüft. Nun liegt ein weiterer Zwischenbericht zur Wirksamkeit der Diesel-Nachrüstsysteme vor. Insgesamt 50.000 km müssen die Fahrzeuge zurücklegen. Die Testwagen fahren täglich eine fest definierte Strecke von rund 700 km, die zu 56 % aus Fahrten in der Stadt, auf Land- und Bundesstraßen sowie rund 44 % Autobahn besteht.

Für den Dauertest wurden die Wagen mit Datenloggern ausgestattet, die das Abgasverhalten aufzeichnen: Etwa NOx-Emissionen vor und hinter dem SCR-System, Abgastemperaturen und AdBlue®-Verbrauch. Die ersten 10.000 km sind mittlerweile absolviert. Das Ergebnis nach den ersten Messungen: Alle drei getesteten Euro 5 Dieselfahrzeuge stoßen im Straßenverkehr selbst unter günstigen äußeren Bedingungen von Temperaturen ab 23° C ungereinigte Rohemissionen von bis zu 1.200 Milligramm Stickoxid (NOx) pro Kilometer aus. Damit liegt ihr Schadstoffausstoß um ein Vielfaches über den offiziell geltenden Prüfstand-Grenzwerten.

Die gute Nachricht: Nach Einbau der verschiedenen Diesel-Umrüstsysteme sinken diese Emissionen im ADAC Test um 60 bis 80 %. . Damit drücken sie den NOx-Ausstoß der Testfahrzeuge auf oder unter den Grenzwert von 270 Milligramm pro Kilometer (mg/km), den die Große Koalition beim Dieselkompromiss in die Diskussion gebracht hat.

Die ADAC Experten gehen davon aus, dass der Dauertest im Januar 2019 abgeschlossen sein wird. Bis dahin wird sich auch zeigen, wie die Hardware-Nachrüstsysteme mit winterlichen Bedingungen wie Frost, Regen und Schnee klarkommen.

Was kostet der "Umrüst-Spaß"? Das Verkehrsministerium kalkuliert mit Nachrüstkosten von durchschnittlich 3.000 Euro – und erwartet, dass die deutschen, aber auch die ausländischen Automobilhersteller die Summe einschließlich der Einbaukosten übernehmen. Filteranbieter wie TwinTec oder Oberland-Mangold würden für die Betriebssicherheit ihres Systems garantieren – allerdings nicht für Schäden, die durch die Benutzung am Fahrzeug entstehen. Doch dieses Risiko will natürlich nicht der Autobauer übernehmen. Die Haftungsfrage bleibt also ungeklärt. Quelle: ADAC / DMM