Der ganz "normale" Geschäftsreise-Wahnsinn

Als Geschäftreisender pünktlich am Ziel anzukommen, ist in Deutschland vermutlich eine Kunst. Mir gelingt sie immer seltener. Von reibungsloser Mobilität ohne nervenaufreibende Verspätungen kann man kaum noch sprechen. Nachstehend drei meiner jüngsten Erlebnisse.

Stuttgart ist die deutsche Staumetropole. Für 25 Kilometer in die Innenstadt braucht man bis zu 3 Stunden...

Ich hatte vor einigen Tagen in Köln zu tun. Bei Thalys. Nach Präsentation und Small Talk im Museum Ludwig nahe Hauptbahnhof wollte ich mit dem ICE zurück Richtung Nürnberg. Gebucht hatte ich 1. Klasse, damit ich genügend Ruhe und Freiraum zum Arbeiten habe. Um den Zug zu erreichen, der nicht am Hauptbahnhof, sondern in Köln-Deutz jenseits des Rheins hält, eilte ich schnellen Schritts über die Deutzer Brücke. Drüben ziemlich gehetzt angekommen dann die Botschaft der Bahn auf ihren Zugzielanzeigern, mein ICE hat 45 Minuten Verspätung. Ein Bombenfund bei Essen soll ursächlich gewesen sein. Der ICE3 traf dann auch tatsächlich besagte Dreiviertel Stunde später ein, kam aber in umgekehrter Wagenfolge. Der Rest ist schnell erzählt. Die Verspätung aufzuholen war natürlich nicht möglich. Aber die Reise war dann doch sehr kurzweilig dank einem hoch interessanten Gesprächspartner Okay, die Bombe verzeihe ich der Bahn mal.

Diese Woche, am 08. Mai 2019, hatte ich geschäftlich in Hamburg zu tun. Diesmal fuhr ich nicht mit dem Zug, sondern nutzte mal die Lufthansa, für einen Hin- und Rückflug Frankfurt-Hamburg-Frankfurt. Ich weiß, in Sachen ökologischer Fußabdruck ist das nicht unbedingt vorbildlich und es ist für mich auch eher die Ausnahme, für innerdeutsche Businesstrips das Flugzeug zu nehmen. Dass die Lufthansa und ihre Günstigtochter Eurowings mit dem Thema Pünktlichkeit ebenso auf Kriegsfuß stehen wie der Fernverkehr der Deutschen Bahn, ist mir seit zehn Flugausfällen und weiteren Verspätungen 2018 wohl bekannt. Ich war mit dem Shuttle pünktlich am Terminal 2 der Hamburg Airport und weil ich noch ein paar Minuten Zeit hatte, bin ich in die LH-Lounge marschiert. Dann ploppte die Mitteilung der Lufthansa auf, mein Flug LH027 sei verspätet. Statt 17 Uhr sollte der Start um 17.15 Uhr erfolgen. Eine Viertel Stunde? Kann man verkraften, dachte ich. Trotzdem sollten wir pünktlich um 16.35 Uhr zum Gate A18 antreten. Nur. Der A321 war auch um 17 Uhr noch nicht gelandet. Also mit 17.15 Uhr, das wird nichts. Aber um 17.10 Uhr dockte der Jet endlich am Gate an. Gut 50 Minuten später als geplant. Nach der endlosen Aussteige und Boardingzeremonie hoben wir schließlich um 17.45 Uhr ab. Die Piloten entschuldigten sich noch mit dem Verweis auf den Flughafen Hamburg, der zurzeit an der Ausbesserung einer Landepiste arbeitet. Sei’s drum, ich erwarte schon gar keine pünktlichen Flüge mehr.   

Dann der Freitag, 10. Mai 2019. Den werde ich so schnell nicht vergessen. Diesmal habe ich das Auto genommen für eine Veranstaltung in München und anschließendem Termin noch in Stuttgart. Nach München bin ich vorsichtshalber schon am Abend des 09. Mai angereist. Am 10. Mai nach Ende meiner Veranstaltung im Münchner Südosten brauch ich mit dem Geschäftswagen um 11.45 Uhr auf Richtung Stuttgart. Ankunft 14.15 Uhr, sagte mir mein Navi. Das passt, denke ich mir noch. Über die A8 von München über Augsburg und Ulm auf der teils vollkommen neu trassierten Autobahn ging’s vergleichsweise flott voran. Kurz nach Ulm aber sagte mir mein Navi, dass die Verkehrsführung geändert wurde und schon sprang die Zielzeit um 30 Minuten weiter. Im Radio dann immer wieder die Meldung, die A8 sei wegen eines Lkw-Unfalls dicht. Also runter bei Wendlingen. Da war’s ca. 14 Uhr. Die neue Route sollte mich über diverse Zubringer zur B10 und vorbei an Esslingen nach Zuffenhausen führen. Haha. Allein die Zubringerstrecke war dicht. Fünf Kilometer gute 30 Minuten. Dann die B10. Auf allen Spuren Richtung Stuttgart eine Meer von „Millionen Lkw und Pkw“. Mein Navi sagt mir, dass ich für die restlichen 25 Kilometer eine weitere Stunde rechnen muss. Aso bei der nächsten Ausfahrt wieder runter auf diverse Nebensträßchen und durch Städtchen, die ich im Leben noch nicht gesehen hatte. Inzwischen ist es 15.30 Uhr, endlich die östliche Stadtgrenze von Stuttgart erreicht. Auch hier offensichtlich Millionen von Automobilen auf B14, B27 und sonstigen vollgestopften Asphaltpisten zwischen Häuserschluchten hindurch. Zwischen links und rechts der Fahrbahn und Straßenbahngleisen bewege ich mich im Millimetertempo voran. Inzwischen ist es 16.30 Uhr. Mein Ziel: noch 11 km entfernt. Inzwischen schüttet es wie aus Kübeln. Von roter Ampel zu roter Ampel vergehen Ewigkeiten. Jetzt ist es schon 17 Uhr. Und noch immer nicht am Ziel. Langsam dämmert mir, dass es mit dem Autowahnsinn in den Städten so nicht mehr weitergehen kann. Erst recht nicht mit Verbrennermotoren. Ich rede mir selber Schuldgefühle ein und erinnere mich an all‘ das, was wir zum Thema Klimawandel und Ursachenbekämpfung lesen und schreiben. Wahrscheinlich stehen mir Verzweiflung und schlechtes Gewissen ins Gesicht geschrieben, zumal ich mit meinem SUV unterwegs bin. 17.30 Uhr, ein Seufzer der Erleichterung, ich hab’s geschafft. Dachte ich jedenfalls. Meine spätere Reise weiter nach Hause setzte dem Ganzen noch das i-Tüpfelchen auf.

Was mir mein Navi nicht sagte: Die Auffahrt von Zuffenhausen über die B10 auf die Autobahn A81 Richtung Autobahnkreuz Weinheim und Würzburg ist wegen Bauarbeiten gesperrt. Mit schwant Böses. Erneut mit unzähligen automobilen Leidensgenossen auf mehreren Landstraßen erreiche ich auf Umwegen die Auffahrt Ludwigsburg. Natürlich dank Durchschnittstempo 25 km/h mit weiterer Verspätung. Auch der A81 dann der nächste Stau. Es sind vielleicht 50 km zum Weinheimer Kreuz, die habe ich immerhin in 1 Stunde geschafft. Sehr zügig geht es dann bis Würzburg-Kist. Dort aber auch die A3 Richtung Nürnberg einzubiegen wäre Selbstmord. Auf dem 10 km langen Teilstück bis Randersacker hätte ich dank „Millionen“ von blockierenden Lkw weitere 90 Minuten gebraucht. Also bin ich `runter bei Gerchsheim und über Land und einer weiteren Straßensperrung bei Sommerhausen am Main  doch noch zuhause angekommen.

Mein Fazit: 450 km Strecke waren es insgesamt von München über Stuttgart bis Kitzingen. Die reine Fahrzeit mit dem Geschäftswagen: Fast 9 Stunden! Jetzt weiß ich, dass der Verkehrsinfarkt unmittelbar bevorsteht.  Gernot Zielonka