Der Vindobona lebt wieder auf

Die unter der Bezeichnung „Vindobona“ bekannte Fernzugverbindung von Berlin über Dresden und Prag nach Wien, 2014 eingestellt, soll nach dem Willen von ÖBB und ČD voraussichtlich zum Fahrplanwechsel im Dezember 2019 wieder eingeführt werden. Die ÖBB plant mit zwei täglichen Zugpaaren.

Der Vondfobona (im Bild der Fernzug in seiner berühmtesten Form als Dieseltribzug VT18.16) soll als moderner Businesszug ab Ende 2019 wieder eingeführt werden. Foto Rainer Haufe - Wikimedia

Der internationale Vindobona, seinerzeit ein beinahe artreiner luxuriöser Geschäftsreisezug, verkehrte von 1957 bis 2014. Die längste Zeit fuhr er zwischen Berlin und Wien über Dresden und Prag. Zuletzt verkehrte er von Hamburg über Berlin, Dresden, Prag, Brünn und Wien nach Villach. „Vindobona“ ist die lateinische Bezeichnung für die Stadt Wien. Der Zuglauf wurde zuletzt von den beteiligten Bahngesellschaften als Eurocity betrieben.

Erstmals eingesetzt wurde der Zuglauf 1957 als Schnelltriebwagen FDt 50/51 vom Bahnhof Berlin Friedrichstraße über Berlin Ostbahnhof – Elsterwerda – Dresden, Prag und Gmünd nach Wien-FJB. Vorgänger waren FDt-Züge Berlin – Prag ab Dezember 1950 und eine Schnellzugverbindung mit Kurswagen nach Wien. Zunächst führte der Zug nur Sitzplätze der ersten Klasse, doch schon ab dem Winterfahrplan (Wfpl) 1957/58 gab es auch die Möglichkeit in der zweiten Klasse zu reisen. Es wurde täglich ein Zugpaar eingesetzt, welches sich immer in der damaligen ČSSR kreuzte. Zum Sommerfahrplan 1959 verkehrte der Vindobona nicht mehr als FDt, sondern wurde nun als Ext (Expresstriebwagen) bezeichnet. Die DR fuhr den Vindobona planmäßig bis Mai 1960 mit einem SVT 137 der einstigen DRG-Bauart Köln.

Die Züge wurden überwiegend von West-Berlinern, Businesstravellern, Diplomaten und Skandinaviern im Transit durch die DDR genutzt, daneben diente er auch dem allgemeinen Verkehr zwischen der DDR, der ČSSR und Österreich. In Berlin bestand Anschluss an die Nachtzüge von Kopenhagen (Ostsee-Express) und Stockholm (Saßnitz-Express) über die Eisenbahnfähren Warnemünde – Gedser und Saßnitz – Trelleborg. Ab 1962 gab es Zubringerzüge von und nach Berlin Zoologischer Garten im damaligen West-Berlin. In den 1960er Jahren bot ein West-Berliner Reisebüro Sonderfahrten nach Prag an, die von West-Berlinern und DDR-Bürgern zur Familienzusammenführung genutzt wurden. Der Vindobona wurde dafür regelmäßig um eine weitere Triebwagengarnitur verstärkt, bei der auf DDR-Gebiet kein Aus- und Zustieg zulässig war. Zum Sommerfahrplan 1979 erfolgte die Umwandlung in einen lokbespannten Zug und die Zugnummer wurde nun in D 70/71 geändert.

Von Beginn an wurden für den Vindobona Dieseltriebwagen verwendet. Die beteiligten Bahnverwaltungen Deutsche Reichsbahn (DR), Tschechoslowakische Staatsbahn (ČSD) und Österreichische Bundesbahnen (ÖBB) einigten sich, im zweijährlichen Turnus und mit Naturalausgleich jeweils die Triebwagen zu stellen.

Die erste Garnitur stellte die DR mit den Triebwagen SVT 137 der Bauart Köln. Von 1960 bis 1962 stellte die ČSD die Triebwagen, dafür wurden zumeist die Ganz-MÁVAG-Triebwagen der Reihen M 495.0 und M 498.0 verwendet. Von 1962 bis 1964 setzte die ÖBB ihren Blauen Blitz ein, der eigens für diesen Einsatz mit einem Zwischenwagen verlängert wurde. Ab Winterfahrplan 1966/67 setzte die DR dann ihre neuen Schnelltriebwagen VT 18.16 ein. Von 1969 bis 1972 stellte die ČSD wieder die Triebzüge und setzte ihre neue Bauart M 296.1 mit der Höchstgeschwindigkeit 120 km/h dafür ein.  Der anschließende Einsatz der DR-Schnelltriebwagen VT 18.16 dauerte bis Ende Witerfahrplan 1978/79. Der Schnellzug Vindobona wurde durch den VT 18.16 zu einem Aushängeschild für die Reichsbahn der ehemaligen DDR. Obwohl zeitweise Fahrzeuge der anderen beteiligten Bahnverwaltungen zum Einsatz kamen, prägten die dieselhydraulischen Triebwagen der Bauart Görlitz diesen Zuglauf derart, dass heute noch von vielen die VT 18.16 mit Vindobona gleichgesetzt werden. Prinzipiell war der Schnellzug bei einer Triebwagengestellung platzkartenpflichtig und konnte daher nur mit einer gültigen Platzkarte benutzt werden.

Mit der Zeit konnten die eingesetzten Triebwagen, deren Sitzplatzkapazität begrenzt war, nicht mehr der steigenden Nachfrage im Reiseverkehr gerecht werden, sodass die Europäische Reisezugfahrplankonferenz 1978 in Edinburgh die Umwandlung des Vindobonas in einen lokbespannten Zug ab Fahrplanjahr 1979 beschloss. Er fuhr nun als D-Zug D 275/76, zeitweise vereint mit dem Interexpress „Hungaria“ (Berlin – Bratislava – Budapest). Dabei kamen nun auch Wagen der MÁV und JŽ in den Zugverband. Erstmals liefen dadurch auch Schlaf- und Liegewagen im Vindobona, welche als Kurswagen in den Relationen Belgrad bzw. Budapest – Malmö eingesetzt waren. Die Wagen wurden fortan von allen drei beteiligten Bahnverwaltungen gestellt. Der Zug endete auch nicht mehr in Wien FJB, sondern in Wien Mitte. Die meisten Wagen fuhren jedoch nach Budapest oder nur bis Prag. Zeitweise gab es auch Kurswagen von Berlin-Zoo. Als kurioses Reiseerlebnis galt der ČSD-Speisewagen mit vier unterschiedlichen Währungen auf der Speisekarte: (D-Mark, Mark der DDR, Tschechoslowakische Kronen und Österreichische Schillinge). Da der Vindobona einer wechselnden Gestellung der planmäßigen Sitz- und Kurswagen der beteiligten Bahnen unterlag, hatte er auch optisch oft einen internationalen Charakter. Er führte dabei Reisezugwagen der DR, ČSD, MÁV, JŽ und der ÖBB. Zusätzlich kam ein kombinierter Sitz- und Gepäckwagen der ČSD oder später im D 374/375 abschnittsweise ein Postwagen Deutsche Post (DDR) zum Einsatz.

Einen neuen Aufschwung erlebte der Vindobona nach der politischen Wende in Deutschland. Ab 1990 wurde er auf neuestes Wagenmaterial der DR umgestellt, es kamen die Bauarten Amz210, Bmz236 und WRmz136 zum Einsatz. Trotz der 1992 eingerichteten EuroCity-Linie Hamburg – Berlin – Prag verblieb dem Vindobona in diesem Zwei-Stunden-Takt mangels klimatisierter Erste-Klasse-Wagen die Zuggattung Schnellzug als D 375/376. Der Laufweg zwischen Prag und Wien wurde nicht mehr über die Franz-Josefs-Bahn geführt, sondern via Břeclav (Lundenburg) und Hohenau über die österreichische Nordbahn nach Wien Südbahnhof (Ostteil). Damit war der gesamte Zuglauf elektrisch zu befahren.

Die ÖBB setzte dafür bis Břeclav ihre Zweisystem-Lokomotiven der Reihen 1014 und 1146 ein. Zwischen Prag und Dresden setzte die ČD Mehrsystemloks der Baureihe 371 ein. Zwischen Dresden und Hamburg verkehrte der Zug mit Lokomotiven der DB-Baureihe 101, mit denen der Zug zwischen Berlin und Hamburg die maximale Reisegeschwindigkeit von 200 km/h erreichte. Mit der Neuordnung des internationalen Verkehrs zwischen Deutschland, Tschechien, Ungarn und Österreich wurde der Vindobona 1993 zum EuroCity 172/173 heraufgestuft. Die klimatisierten Wagen stellten die ÖBB. 2001 wurde der Laufweg von Berlin nach Hamburg-Altona verlängert. Die Wagenbestellung ging auf die Deutsche Bahn über. Seit der Fertigstellung des Berliner Hauptbahnhofs im Sommer 2006 verkehrte der Zug nicht mehr über die Stadtbahn, sondern über die Nord-Süd-Fernbahn.

2009 benötigte der Zug für seine 1.140 km lange Strecke 11.48 Stunden. In Dresden und in Praha-Holešovice fanden aufgrund wechselnder Stromsysteme Lokwechsel statt. Bis zur vollen Zulassung der ÖBB 1216 im tschechischen Netz wurde auch in Břeclav die Lokomotive gewechselt. Die Planung, im Jahr 2009 zumindest zwischen Wien und Dresden durchgängig mit einer Mehrsystemlok der ÖBB-Baureihe 1216 (Hersteller Siemens) oder der konkurrierenden ČD-Baureihe 380 (Hersteller Škoda) zu fahren und den Lokwechsel in Tschechien einzusparen, wurde nicht verwirklicht. Ebenso war seit Jahren im Gespräch, den Zuglauf mit den mehrsystemfähigen Pendolino-Zügen der ČD zu betreiben, aber auch diese Umstellung fand nicht statt.

Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2009 fuhr der Vindobona wieder den Prager Hauptbahnhof an, wechselte dort die Fahrtrichtung und der Zuglauf wurde über Wien hinaus bis nach Villach verlängert, womit der Vindobona nun 1.469 km vom Ausgangsbahnhof zum Endbahnhof zurücklegte. In Wien hielt der Zug zuletzt an den Bahnhöfen Simmering und Meidling. Diese Änderung wurde wegen der Stilllegung des Südbahnhofs und des Baues des Hauptbahnhofs vorgenommen. Die Gesamtfahrzeit betrug damit etwa 16 Stunden. Der Zug hielt 2011 zwischen den großen Städten noch in Klagenfurt am Wörthersee, Sankt Veit an der Glan, Leoben, Bruck an der Mur, (Wiener Neustadt Hauptbahnhof) – (Wien Meidling) – Wien Simmering – Břeclav, (Brno), Pardubice, Kolín, (Prag), Ústí nad Labem, Děčín, Bad Schandau, (Dresden, Berlin (– Südkreuz, Hbf., – Spandau)), Wittenberge, Ludwigslust und Büchen. In Hamburg hielt der Vindobona auf den Bahnhöfen Bergedorf, Hauptbahnhof, Dammtor und Altona.

Ab dem 14. Dezember 2014 wurde der Vindobona infolge eines veränderten Fahrplangefüges auf dem Laufweg Břeclav–Villach eingestellt. Grund für diese Änderung war die Einführung eines festen Taktfahrplanes mit Railjet-Garnituren zwischen Prag, Wien und Graz. Der verbleibende Zuglauf Hamburg–Břeclav verkehrt als EC 172/173 „Porta Bohemica“ über Bratislava nach Budapest Ostbahnhof. Quelle: DMM