Deutsche Bahn: 30.000 sollen gehen

Die Deutsche Bahn ist vor allem beim Fernverkehr nicht nur unpünktlich, sondern steht auch finanziell weiter unter Druck: In Halbjahr 1 erwirtschaftete sie einen Verlust von rund 1,2 Mrd. Euro. Nun sollen 30.000 Bahner in den kommenden fünf Jahren das Unternehmen verlassen, d.h., jede siebte Stelle wird abgebaut. Vor allem in der Verwaltung soll ein großes „Streichkonzert" stattfinden.

Am Abend des 01. Juni wurde die ICE-Magistrale bei Kitzingen oberhalb des Maintals durch ein Jahrhundert-Regenereignis zerstört. Seit einigen Tagen ist sie eingleisig wieder befahrbar. Die Instandsetzungarbeiten ziehen sich bis in den September hinein. Foto: G. Zielonka

Die strukturellen Schwächen des Schienennetzes in Deutschland und die angespannte betriebliche Lage, auch infolge von Streiks und Extremwetter, haben die wirtschaftliche Entwicklung der Deutschen Bahn (DB) im ersten Halbjahr 2024 negativ beeinflusst. Damit dringend nötige Reparaturen an der Infrastruktur zügig beginnen konnten, ist die DB wie schon im ersten Halbjahr 2023 zudem mit erheblichem zusätzlichem Aufwand in Vorleistung gegangen. 

Schlechtes Management und miese Verkehrspolitik. Die aktuelle Situation hat aber nicht nur das aktuelle Bahnmanagement allein zu verantworten; schon die Vorgängerchefs des heutigen Bahnchefs Lutz leisteten zum Teil katastrophale Arbeit im Benehmen mit unfähigen Bundesverkehrsministern (meist von CSU und CDU), die ihre Aufgabe in einer konsequenten Schwächung der Schiene betrachteten. Im Lauf der Jahrzehnte wurden zahllose Strecken stillgelegt und abgebaut. Tausende Bahnhöfe wurden verfallen gelassen und/oder verkauft. Die Schieneninfrastruktur ist inzwischen mit Ausnahme der Neubaustrecken marode. Am deutlichsten wird der Unterschiede zwischen der D-Infrastruktur, wenn man mit dem Zug beispielsweise nach Österreich oder in die Schweiz fährt. Es ist, als ob man in andere Welten fährt. Auf deutscher Seite weitgehend Elend, auf Schweizer und österreichischer Seite moderne Gleisanlagen und saubere Bahnhöfe.
Der Bahn allein darf man ihre Lage nicht in di Schuhe schieben. Einen Gutteil Schuld tragen Politiker der Union, die in Sachen Verkehrspolitik und Schiene über die Jahrzehnte eine denkbar schwache Perfomance hinlegte. 

Zurück zur aktuellen Situation. Der DB-Konzern schloss das erste Halbjahr 2024 mit einem operativen Verlust (EBIT bereinigt) von minus 677 Mio. Euro ab – mehr als 950 Mio. Euro schlechter als im ersten Halbjahr 2023. Das Konzern-Ergebnis nach Ertragssteuern betrug minus 1,2 Mrd. Euro (1. Halbjahr 2023: minus 71 Mio. Euro). Die weiterhin positiven Ergebnisbeiträge der profitablen Logistik-Tochter DB Schenker konnten die Verluste im Kerngeschäft der DB nur teilweise ausgleichen. Der Systemverbund Bahn verzeichnet im ersten Halbjahr 2024 einen operativen Verlust von minus 1,2 Mrd. Euro (erstes Halbjahr 2023: minus 339 Mio. Euro). Der Umsatz des DB-Konzerns sank leicht um 3 % auf 22,3 Mrd. Euro.

Der DB-Konzern hat seine Investitionen in das Schienennetz und in eine bessere Bahn im ersten Halbjahr 2024 aufgrund stark erhöhter Bundesmittel erneut gesteigert und setzt so die Ausbau-Strategie für eine Starke Schiene in Deutschland weiter konsequent um. Die Netto-Investitionen sind gegenüber dem ersten Halbjahr 2023 um rund 35 % auf 4 Mrd. Euro gestiegen. Die Brutto-Investitionen haben 7,3 Mrd. Euro erreicht – ein Plus von 18 %. Trotz der Verluste im ersten Halbjahr hält die DB an dem Ziel fest, ihr operatives Ergebnis im Systemverbund Bahn im Gesamtjahr 2024 gegenüber dem Vorjahr um rund 2 Mrd. Euro zu verbessern und bestätigt grundsätzlich ihre Prognose für den Konzern. Zudem setzt die DB ihre Maßnahmen zur Kostensenkung und Verbesserung der Effizienz vor allem in der Verwaltung fort. Im Klartext: Massenentlassungen über die kommenden 5 Jahre. Jeder siebte Eisenbahner muss gehen. 

„Extremwetterereignisse in nie dagewesenem Ausmaß haben die ohnehin sanierungsbedürftige Schieneninfrastruktur an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gebracht und die betriebliche und finanzielle Lage im Personen- und Güterverkehr verschärft. Dazu kamen Streiks und Havarien wie der Rauhebergtunnel“, sagt DB-Vorstandsvorsitzender Dr. Richard Lutz. „Im Fernverkehr hat uns das in Summe im ersten Halbjahr rund 7 Prozentpunkte Pünktlichkeit gekostet und zusätzlich die Nachfrage gedämpft. Trotz dieser Belastungen wollen wir im Gesamtjahr 2024 im DB-Konzern operativ wieder schwarze Zahlen schreiben. Deshalb haben wir neben der Sanierung der Infrastruktur auch kurzfristige Maßnahmen zur Stabilisierung der betrieblichen und der wirtschaftlichen Lage eingeleitet“, betont Lutz.
Mit dem Aktionsplan Pünktlichkeit treibt die DB etwa in besonders stark ausgelasteten Knoten den planmäßigen Beginn von Fahrten voran. 

Die störanfällige Infrastruktur, hohe Bautätigkeit und eine gesunkene Pünktlichkeit im Fernverkehr von 62,7 % haben in den ersten sechs Monaten 2024 Leistung, Umsatz und Ergebnis der DB-Eisenbahnverkehrsunternehmen stark beeinträchtigt. Die Betriebsleistung auf dem Schienennetz verringerte sich in den ersten sechs Monaten 2024 gegenüber dem Vorjahreszeitraum leicht um 1,8 % auf 548 Mio. Trassenkilometer.

Fernverkehr. 64,2 Mio. Reisende nutzten im ersten Halbjahr 2024 die Fernverkehrszüge der DB – rund  6 % weniger als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres. Die Verkehrsleistung des Fernverkehrs sank wegen der Streiks und der auch wetterbedingten Einschränkungen im Schienennetz im gleichen Zeitraum um 3,6 % auf rund 20,9 Mrd. Personenkilometer.
Die weißen Züge der DB fuhren im ersten Halbjahr mit 2,8 Mrd. Euro insgesamt rund 68 Mio. Euro weniger Umsatz als im Vorjahreszeitraum ein. Nach den von Streiks geprägten ersten Monaten des Jahres kehrten die Reisenden zuletzt in hoher Zahl in die Züge zurück und machten den Juni 2024 zum umsatzstärksten Monat in der Geschichte des Fernverkehrs. DB Fernverkehr schloss das Halbjahr 2024 mit einem operativen Verlust (EBIT bereinigt) von minus 232 Mio. Euro ab (erstes Halbjahr 2023: minus 62 Mio. Euro).

DB Regio verzeichnete im ersten Halbjahr 2024 weiterhin deutlich positive Auswirkungen des Deutschland-Tickets: 855 Mio. Passagiere reisten im ersten Halbjahr 2024 mit den Nahverkehrszügen der DB – ein Plus von rund 6 % gegenüber den ersten sechs Monaten 2023. Sie fuhren zudem erheblich längere Strecken: Die Verkehrsleistung bei DB Regio Schiene stieg um mehr als 17 % auf 19,5 Mrd. Personenkilometer. Der Umsatz von DB Regio legte um 283 Mio. Euro auf rund 5,0 Mrd. Euro zu. Das operative Ergebnis (EBIT bereinigt) blieb mit minus 66 Mio. Euro (erstes Halbjahr 2023: minus 37 Mio.) leicht negativ.

Die DB konzentriert sich insgesamt stärker auf ihr Kerngeschäft. U.a. haben die zahlreichen Auslandsaktivitäten dazu beigetragen, das in Deutschland die eigentlichen Ausgaben sträflich vernachlässigt worden sind und das System Schiene zu einem guten Teil verlotterte. Wie geplant hat sie im Mai 2024 den Verkauf von DB Arriva abgeschlossen. Die Verschuldung des DB-Konzerns hat sich damit um mehr als 1 Mrd. Euro reduziert.

Der von der Bundesregierung beschlossene deutliche Ausbau der Unterstützung für die Schiene ist im Juni mit der Auszahlung der ersten Tranche der für 2024 geplanten Eigenkapitalerhöhungen für die DB in Höhe von rund 3 Mrd. Euro angelaufen. Das stabilisiert die Verschuldung des DB-Konzerns. Die Netto-Finanzschulden der DB sanken per 30. Juni 2024 um rund 1 Mrd. Euro im Vergleich zum Vorjahresende.

Ausblick. Im zweiten Halbjahr setzt die DB alles daran, die gestartete Generalsanierung der Riedbahn zwischen Frankfurt/Main und Mannheim erfolgreich umzusetzen und damit den Umbau des hochbelasteten Netzes in ein Hochleistungsnetz einzuleiten. Ab sofort plant die DB auch über die großen Hauptkorridore hinaus Baustellen anders. In festgelegten Zeitfenstern wird das Bauen gebündelt und das Bauvolumen erhöht. Das soll mehr baufreie Zeiten schaffen und die Verlässlichkeit für Verkehrsunternehmen und Fahrgäste steigern. P.S. Früher, also in den 1960er bis 1980er Jahren wurde unter den „rollenden Rad“ gebaut. Das funktionierte letztlich besser und verscheuchte keine Kunden, wie das heute durch monatelange Sperren und Schienenersatzverkehr praktiziert wird.

Für das Gesamtjahr 2024 hält der DB-Konzern grundsätzlich an seinen Zielen fest: Die Investitionen in eine leistungsfähige Infrastruktur sollen 2024 auf einem sehr hohen Niveau weiter steigen: Die Brutto-Investitionen für das Gesamtjahr auf ungefähr 21 Mrd. Euro und die Netto-Investitionen unter Einbeziehung der Eigenkapitalerhöhung des Bundes auf rund 11 Mrd.  Euro. Die Umsatz-Prognose wurde mit rund 45 Mrd. Euro leicht abgesenkt auf das Niveau des Vorjahres. Für das Gesamtjahr 2024 will der DB-Konzern einen operativen Gewinn (EBIT bereinigt) in Höhe von etwa 1 Mrd.  Euro erwirtschaften. Aber: Alle Prognosen sind unter anderem abhängig von der Entwicklung der betrieblichen Lage sowie vom weiteren Zufluss erwarteter Bundesmittel. Quelle: DB / DMM