Deutscher ÖPNV soll der teuerste der Welt bleiben

Deutschland hat weltweit den teuersten ÖPNV, den auch zig Tausende Geschäftsreisende zwangsweise nutzen müssen. In Luxemburg sind Busse und Bahnen jetzt kostenfrei zu nutzen, in nahezu allen anderen Ländern, die einen ÖPNV anbieten, sind Bahnen und Busse sehr viel günstiger als im Hochpreisland Deutschland. Kundenfreundliche Angebote scheut der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) – Branchenverband für über 600 Unternehmen aus dem öffentlichen Personenverkehr – wie der Teufel das Weihwasser. Der VDV lehnt sogar die Einführung von 365-Euro-Tickets ab.

Die abstruse Begründung: „Aktuell würden 365-Euro-Tickets die Verkehrswende eher ausbremsen als beflügeln. Der sofortige Einnahmenverlust bei der Einführung solcher Ticketangebote läge bundesweit bei mindestens 4 Mrd. Euro jährlich. Das entspricht etwa einem Drittel aller heutigen Fahrgeldeinnahmen. Bei Abotickets würden die Einnahmen sogar um bis zu zwei Drittel sinken. Diese Gelder müssten jedes Jahr zusätzlich aus Steuermitteln kompensiert und dynamisiert werden, um die künftig aufgrund der notwendigen Angebotsausweitungen und Maßnahmen zur Betriebsstabilisierung überproportional steigenden Personal- und Betriebskosten zu berücksichtigen“, so VDV-Präsident Ingo Wortmann.

Der VDV spricht sich deshalb gegen solche einmaligen Ticketpreisreduzierungen und stattdessen für eine Angebotsoffensive im ÖPNV aus. Zunächst müssten die zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel dringend in den Ausbau und in die Modernisierung des ÖPNV fließen. „Wir müssen den Nahverkehr in Deutschland flächendeckend ausbauen und modernisieren, um zusätzliche Kapazitäten und Angebote zu schaffen, damit mehr Menschen umsteigen können. Dazu brauchen wir keine künstlich niedrigen Ticketpreise, die zusätzlich mehrere Milliarden Euro an Steuergeldern pro Jahr kosten. Die Erkenntnisse gerade aus Städten wie Wien zeigen, dass nicht der Ticketpreis das entscheidende Argument für die Nutzung von Bus und Bahn ist, sondern die Qualität und Verfügbarkeit des Angebots“, so Wortmann.

Volle Fahrzeuge und Bahnsteige motivieren nicht zum Umstieg. Bei der nötigen Angebotsqualität gibt es nach Ansicht des Verbandes schon heute wachsende Herausforderungen im deutschen ÖPNV: „In den Spitzenzeiten sind die Busse und Bahnen in den Ballungsräumen und Großstädten zu voll, viel mehr geht nicht. Wenn wir dann rein über den Ticketpreis und ohne die nötigen zusätzlichen Kapazitäten die Menschen vom Umstieg überzeugen wollen, dann geht der Schuss nach hinten los. Die Klimaschutzziele im Verkehrssektor erreichen wir nicht über volle Fahrzeuge und Bahnsteige, damit schrecken wir höchstens potenzielle Neukunden ab“, so Wortmann weiter.

Vor allem Fußgänger und Radfahrer steigen um. In den Städten im In- und Ausland, in denen bislang ÖPNV stark vergünstigt oder sogar zum Nulltarif getestet wurde, gab es starke Fahrgastzuwächse. Allerdings, das zeigen die entsprechenden Auswertungen vor Ort, steigen viele der zusätzlichen Kunden nicht vom Pkw um, sondern sind vorher Rad gefahren oder zu Fuß gegangen. In diesen Fällen werden folgerichtig keine Emissionen eingespart oder die Umwelt entlastet. Eine andere Gruppe, die davon profitiert, sind diejenigen, die vorher bereits den ÖPNV genutzt haben. Vor allem für die bereits heute durch ein Abonnement langfristig gebundenen Stammkunden wird es zum Teil deutlich preiswerter. Dem jeweiligen Verkehrsunternehmen gehen jedoch Einnahmen verloren, die durch öffentliche Mittel ausgeglichen werden müssen.

Wien schuf für ÖPNV-Finanzierung zusätzliche Einnahmequellen. Weitere Kosten entstehen durch eine absehbar nötige Ausweitung des Angebots, also mehr Fahrzeuge, mehr Personal, etc.. „Niemand könnte uns garantieren, dass die Verluste aus entgangenen Ticketeinnahmen dauerhaft aus öffentlichen Haushaltmitteln kompensiert würden. In Wien hat man deshalb zusätzliche und dauerhafte Einnahmen für den ÖPNV geschaffen, zum Beispiel durch die Einführung einer U-Bahn-Steuer. So eine Möglichkeit gibt es in Deutschland nicht, also könnte das Geld hier nur aus den konjunkturabhängigen öffentlichen Haushalten kommen“, so Wortmann abschließend. Quelle: VDV / DMM