Deutscher Pkw-Markt weiterhin robust

Die deutsche Automobilindustrie hat ein prall gefülltes Lastenheft. Ein eingeleiteter Transformationsprozess wird das Automobil, die Mobilität und damit auch die Branche selbst verändern. Mehreren Megatrends bestimmen weltweit das Geschehen: eine wachsende Bevölkerung, die immer mehr in Großstädten lebt, eine wachsende, kaufkräftige Mittelschicht mit hohem Mobilitätsbedarf sowie Digitalisierung und Vernetzung in allen relevanten Märkten.

Diese Wachstumsdynamik muss kombiniert werden mit Umwelt- und Klimaschutz. Das heißt für die Automobilindustrie: Mehr Mobilität mit weniger Emissionen, mehr Wachstum mit weniger Ressourcenverbrauch. Als innovative Automobilindustrie mit hohen  Forschungsinvestitionen (des Steuerzahlers!) sieht sich die deutsche Autoindustrie in der  Pole-Position; das sagen aber Japaner und Koreaner sowie Tesla auch. Um in diesem Langstreckenrennen erfolgreich zu sein, müssen auch die politischen Leitplanken passend gesetzt sein, fodert der Verband der Automobilindustrie (VDA). 

CO2-Regulierung und Elektromobilität. Bereits das CO2-Ziel der EU für 2020/2021 ist sehr ambitioniert. Aktuell werden die CO2-Ziele für Pkw bis 2030 diskutiert. Der VDA sieht 35 oder gar 40 % als unrealistisch hoch. Der Verband spricht von einem überspannten Bogen. 

Der Kommissionsvorschlag (minus 30 %) ist  nur zu schaffen, wenn der Anteil der Elektro-Neuzulassungen rapide steigt – in ganz Europa. Wie sehr  der Markt für E-Fahrzeuge Fahrt aufnimmt, hängt von vielen Faktoren ab: Batteriekosten, Ladeinfrastruktur, Kraftstoffpreise, öffentliche Beschaffung. 

Die deutsche Automobilindustrie geht massiv in Vorleistung:
•                    Sie verdreifacht in den kommenden drei Jahren ihr Angebot an E-Modellen auf 100.
•                    Sie investiert mit Staatshilfe bis dahin 40 Mrd. Euro in alternative Antriebe.
•                    Sie ist Spitzenreiter bei alternativen Antriebspatenten: Weltweit kommt jedes dritte Patent im Bereich Elektromobilität und Hybridantrieb aus Deutschland. Andree Länder aber sind sehr viel schneller in der Umsetzung von Fahrzeugen mit E- und Hybridantrieben. In der EU beträgt der Marktanteil der deutschen Hersteller bei Elektro-Pkw-Neuzulassungen 50 %, in Deutschland sind es 66 %. 

Rahmenbedingungen – Ladeinfrastruktur. Innovative Produkte allein genügen nicht, auch die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Die Halbierung der Bemessungsgrundlage bei der Besteuerung von Elektro-Firmenwagen (befristet vom 01.01.2019 bis 31.12.2021) wird ein wirksamer Hebel sein, um den Markthochlauf zu beschleunigen. Zudem sollte der Umweltbonus über Juni 2019 hinaus verlängert werden, die Fördergelder sind noch nicht ausgeschöpft. Vor allem muss die Ladeinfrastruktur stärker ausgebaut werden. Derzeit hat Deutschland 13.500 öffentlich zugängliche Ladepunkte, 900 davon sind Schnellladepunkte. Zum Vergleich: In Oslo teilen sich 450 Einwohner eine Ladestation (viele haben aber zuhause ihre eigenen Wallboxen), in Berlin, mehr als sechsmal so groß wie Oslo, sind es zehn Mal so viele (4.500). In Norwegen beträgt die Zulassungsquote von rein elektrischen Automobilen fast schon 50 %. Und Deutschland? In vielen anderen EU-Ländern ist die Ladeinfrastruktur noch weniger ausgeprägt. Der größte Teil der Ladevorgänge findet im privaten Bereich statt. Damit elektrisches Laden selbstverständlich wird, müssen auch das Bauordnungs-, Miet- und Eigentumsrecht angepasst werden. 

Der Hochlauf der Elektromobilität wird vorangetrieben, so der VDA weiter. Aber man dürfe die Debatte nicht auf ein Entweder-oder verkürzen. Der Verbrennungsmotor, Hauptursache für die katastrophalen Entwicklungen beim Klima, wird noch lange gebraucht, glaubt der VDA. Auch die Option von klimaneutralen Kraftstoffen (E-Fuels) sollten genutzt werden, sie wirken auf den gesamten Fahrzeugbestand. Denn die individuelle Mobilität nimmt weiter zu. Eine aktuelle DLR-Studie kommt zum Ergebnis: Im Jahr 2040 werden Pkw in Deutschland nicht weniger Kilometer zurücklegen, sondern mit 700 Mio. km 11 % mehr als im Jahr 2010. Im Bestand werden zwar noch etliche Autos einen Verbrennungsmotor – meist als Hybrid oder Plug-in-Hybrid – haben, allerdings wird bei den Neuzulassungen der rein-batterieelektrische Antrieb immer dominierender. 

Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, vernetztes und automatisiertes sowie autonomes Fahren. Die Zukunft des Autos ist vor allem elektrisch – und sie ist digital.  Wie wichtig dabei Künstliche Intelligenz (KI) ist, hat soeben der Digital-Gipfel gezeigt. KI spielt eine entscheidende Rolle auf dem Weg zum automatisierten und fahrerlosen Fahren. Und sie bietet für die Automobilindustrie in den Produkten sowie in der Produktions- und Wertschöpfungskette enorme Potenziale. Die großen Fortschritte bei Digitalisierung, vernetztem und automatisierten Fahren sowie dem autonomen Fahren werden auch auf der IAA 2019 in Frankfurt erlebbar sein. 

Die weltweiten Patentanmeldungen zum vernetzten und automatisierten Fahren zeigen: Die deutschen Hersteller und Zulieferer sind dabei sehr erfolgreich, über die Hälfte der Patente kommt von ihnen. International ist das Platz 1. 

Digitalisierung heißt auch: Hersteller und Zulieferer werden zu Dienstleistern, entwickeln neue Mobilitätslösungen: Carsharing, Ride-Pooling, E-Scooter-Sharing, Mobilitätsplattformen und Mobilitäts-Apps sind hierfür Beispiele – und nur der Anfang. Wir treiben das vernetzte und automatisierte Fahren voran. Dazu brauchen wir eine leistungsfähige digitale Infrastruktur – also flächendeckendes 4G und 5G entlang der Landes- und Bundesstraßen, der Autobahnen sowie in Industrieregionen. 

Saubere Luft in Städten und individuelle Mobilität. Deutsche Hersteller haben kürzlich zusätzliche Maßnahmen für saubere Luft zugesagt. Sie sehen Hardwarenachrüstungen zwar nach wie vor kritisch, aber sind dennoch bereit, sich finanziell zu beteiligen. Der VDA ist allerdings davon überzeugt, dass eine rasche Bestandserneuerung das bei weitem effektivste Mittel ist, um die Luft in den betroffenen Städten noch sauberer zu machen. 

Thema Diesel. Mit „modernsten Diesel-Pkw“ wird die Stickoxidfrage beantwortet; Experten und Klimaforscher sehen das freilich ganz anders. Laut VDA aber haben die neuen Diesel auch auf der Straße geringe NO2-Emissionen. Obwohl die Euro 6d-temp-Norm erst ab September 2019 für alle Pkw-Neuzulassungen gilt, sind heute schon über 1.200 Modelle (Benziner und Diesel) auf dem Markt, davon kommen über 700 von deutschen Konzernmarken. Derzeit sind bereits gut zwei Drittel aller Pkw-Neuzulassungen Euro-6d-temp-Fahrzeuge. Die Marktdurchdringung mit neuesten, sauberen Pkw kommt also zügig voran. Der VDA sieht sich auf der Zielgeraden bei der teilweisen Lösung des Problems. 

Die Automobilindustrie muss Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Ob das mit dem Diesel klappt, steht auf einem anderen Blatt Papier. Deshalb wird es nachhaltig umweltfreundliche Produkte und neue Mobilitätsdienstleistungen geben zur Bewältigung des Transformationsprozesses. Dafür werden zweistellige Milliardenbeträge in Forschung und Entwicklung investiert – auch für „Made in Germany“. Aber die Zukunftsgestaltung Hunderttausender Arbeitsplätze in Deutschland und die Sicherung deutscher Standortkapazitäten kann nur gemeinsam mit Politik und Gewerkschaften gelingen. 

Für freien und fairen Hande. Die Welt hat noch ganz andere Probleme auf Lager. Auswirkungen des Brexit sind schon jetzt spürbar. Im bisherigen Jahresverlauf ging der deutsche Pkw-Export nach Großbritannien um 14 % zurück.  Jedem muss heute klar sein: Vom Brexit profitiert keiner, er trifft die automobilen Lieferketten unmittelbar. Ähnliches gilt für die Handelsbeziehungen mit den USA. Die EU und die USA stehen zusammen für 50 % des Welthandels. Ein WTO-konformes transatlantisches Abkommen zu Industriegütern, das Automobile einschließen sollte, unterstützen wir. Zollabbau und möglichst breite Verständigung im regulatorischen Bereich sind der richtige Weg. Davon profitieren beide Seiten. 

Zum G20-Gipfel:  Die Signale aus Buenos Aires sind ein ermutigendes Zeichen, dass im Handelskrieg zwischen den USA und China eine Lösung gefunden werden kann. Wenn China seine Importzölle senkt, hat das auch positive Auswirkungen für die deutschen Unternehmen. Die deutschen Automobilhersteller haben 2017 aus ihrer US-Fertigung 150.000 Light Vehicles (Pkw, SUV) nach China exportiert: Jedes fünfte Auto, das deutsche Hersteller in den USA fertigen, geht nach China. 

Pkw-Weltmarkt – USA, China, Europa. Der Pkw-Weltmarkt spürt den Gegenwind, der durch den Handelskonflikt zwischen den USA und China ausgelöst wurde. So ist der Export deutscher Pkw-Hersteller aus den USA nach China in den ersten zehn Monaten um ein Drittel zurückgegangen. Der chinesische Pkw-Markt ist seit Monaten rückläufig. Für Europa erwartet der VDA ein kleines Plus (+1 %) auf 15,8 Mio. Pkw. Hier bremst vor allem Großbritannien. Frankreich und Spanien hingegen wachsen, Italien wird etwas schwächer. Für 2019 wird erwartet, dass Europa sein sehr hohes Absatzniveau halten wird (15,8 Mio.).

Deutscher Markt. Der Pkw-Inlandsmarkt wird 2018 rund 3,4 Mio. Neuzulassungen umfassen (-1 %). Das ist angesichts der Verwerfungen, die die WLTP-Umstellung mit sich bringt, ein gutes Ergebnis. Und es ist umso bemerkenswerter, als 2017 das bislang höchste Neuzulassungsniveau in diesem Jahrzehnt brachte. 2019 dürfte ein ähnlich starkes Jahr werden und über dem Mittel der letzten fünf Jahre liegen. Der VDA erwartet ein Volumen von knapp 3,4 Mio.  Neuzulassungen (-1 %). 

Pkw-Produktion und Export. Die Pkw-Inlandsproduktion wird 2018 gut 5,1 Mio. Einheiten umfassen. Das ist ein Rückgang um 9 %, ausgelöst vor allem durch die WLTP-bedingte vorübergehende Delle. Dieser Effekt ist auf wenige Monate beschränkt. Für 2019 ist der Verband zuversichtlich, dass die Inlandsfertigung wieder gesteigert werden kann, um 2 % auf gut 5,2 Mio. Einheiten. Die Pkw-Auslandsproduktion hingegen wächst sowohl in diesem wie im kommenden Jahr. Für 2018 rechnet der VDA mit einem Volumen von rund 11,4 Mio. Einheiten, das ist ein Plus von 5 %. 2019 dürften es 11,7 Mio. sein (+3 %). 

Insgesamt bleibt damit die Pkw-Weltproduktion der deutschen Konzernmarken 2018 mit 16,5 Mio.  Neuwagen stabil.  Jedoch hängt viel davon ab, wie sich die internationale Handelspolitik  weiterentwickelt. Wenn es gut läuft, kann 2019 erstmals die 17-Mio.-Marke erreicht werden.  Der Pkw-Export wird 2018 mit 4 Mio. Einheiten um 8 % unter Vorjahreswert sein. Für 2019 wird ein leichtes Plus (+2 %) auf 4,1 Mio. exportierter Pkw erwartet. 

Beschäftigung. Im Inland ist die Zahl der Beschäftigten bis September um zwei 2 % auf 833.700 MitarbeiterInnen gestiegen. Das sind 15.600 mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres – und das ist das höchste Beschäftigungsniveau seit der Wiedervereinigung.  Einschließlich des Kfz-Gewerbes (Handel und Werkstätten) beläuft sich die Belegschaft der Automobilbranche in Deutschland sogar auf 1,28 Mio. Beschäftigte. Dabei sind die vielen vor- und nachgelagerten Bereiche wie z. B. Gießereien, Tankstellen, Taxigewerbe, Speditionen etc. noch nicht mitgerechnet. Für 2019 wird ein ähnlich hohes Beschäftigungsniveau wie 2018 vorhergesagt. Quelle: VDA / DMM