Die Tu-214 soll's richten

Aeroflot & Co. hatten sich in den letzten Jahren auf Airbus und Boeing bei ihrer Flottenplanung konzentriert. Jetzt, da beide Weltmarktführer keine Flugzeuge und auch keine Ersatzteile mehr an russische Carrier liefern dürfen, holt der Kreml den einstigen Hoffnungsträger, die zweistrahlige Tupolew Tu-214 aus der Versenkung. 70 dieser Jets will der russische Staatskonzern Rostec in den kommenden acht Jahren produzieren, meldet die Nachrichtenagentur Tass.

Im TASS-Bericht wird Juri Sljusar, Chef der zu Rostec gehörenden Flugzeugbau-Holding UAC, mit den Worten zitiert, derzeit seit der Bau von 20 Tu-214 im Gang. Seit einigen Jahren fertigt UAC die Tu-214 in Kleinserie für das auf Mord, Totschlag und Vergewaltigung von Zivilisten (siehe "Spezial-Operation" bzw. russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine) spezialisierte russische Militär. 

Bei der Tu-214 handelt es sich um eine schwerere und vielseitig verwendbare Weiterentwicklung der Tupolew Tu-204. Die Kabine der Tu-214 ist sehr flexibel und kann je nach Wünschen und Erfordernissen sowohl in reiner Passagier- oder Frachtkonfiguration als auch gemischt als Passagier- und Frachtkonfiguration eingerichtet werden. Die Tu-214 wurde speziell auf Mittelstrecken ausgelegt. Sie entspricht westlichen Zulassungskriterien und ist in ihrer Klasse ein bei der Beschaffung vergleichsweise günstiges Flugzeug, nicht jedoch im Betrieb, weshalb den Maschinen kein kommerzieller Erfolg beschieden war. 

Neben der Basisvariante gibt es auch noch eine Langstreckenversion mit zusätzlichen Tanks mit einer Reichweite von 8.150 km, eine Version mit VIP-Ausstattung, die mit Zusatztanks ausgerüstet eine Reichweite von 9.075 km hat, sowie die „quick-change“-Version Tu-214C3, deren Konfiguration flexibel und schnell zwischen reinem Frachter und normaler Zweiklassenbestuhlung gewechselt werden kann.

Anfang Juni 2009 wurden die ersten beiden im Kasaner Flugzeugwerk gebauten Tu-214SR an GTK Rossija (die für den Transport von russischen Regierungsmitgliedern zuständige Fluglinie) übergeben. Insgesamt wurden acht TU-214SR an Rossija ausgeliefert. Zwei Exemplare sind als fliegender Gefechtsstand für den Präsidenten im Einsatz. Weltweit sind 21 Tu 214 im Einsatz. 

Nur wenige der insgesamt 34 bisher gebauten Exemplare fanden überhaupt ihren Weg zu kommerziellen Airlines. U.a. hatte auch die 2002 gegründete deutsche Airline Blue Wings AG (Bocholt, Basis am Flughafen Düsseldorf, im Februar 2010 insolvent gegangen) solche Jets bestellen wollen. Im Dienst steht keine zivile Tu 214 mehr. Dabei war die Tu-214, als sie am 20. März 1996 zum Erstflug abhob, technisch gesehen ein gutes Produkt. Das Flugzeug basiert weitgehend auf der noch in der ehemaligen UdSSR entwickelten und seit 1989 fliegenden Tu-204, die optisch der B 757 ähnelt und von der rund 50 Stück gebaut wurden. Die Tu 214 besitzt ein Zweimann-Glascockpit mit Fly-by-wire-Steuerung, Head-up-Displays für die Piloten und in Russland entwickelte Avionik. Die Reichweite gab der Hersteller seinerzeit mit 6.670 km an. 

Die Reisegeschwindigkeit der Tu-214 beträgt 850 km/h, die Dienstgipfelhöhe 12.000 Meter. Bis zu 210 Passagiere finden in der 3,6 m breiten und 2,15 m hohen Kabine Platz. In der Regel finden sich dabei sechs Sitze in jeder Reihe. Mit einer Länge von 46,2 m und einer Spannweite von 42 m ist die Tu-214 größen- und leistungstechnisch vergleichbar mit dem Airbus A321. Beide Muster sind Mittelstreckenjets, besitzen ähnlich große Standardrumpf-Kabinen und stammen aus den 1990er-Jahren. Die Wirtschaftlichkeit war bisher das große Manko der Tu-214. Auch UAC-Chef Sljusar ist sich dieses Umstands natürlich bewusst. Im Grunde allerdings sei die Tu-214 ein hochwertiges und zuverlässiges Flugzeug - und was den höheren Verbrauch angeht, sieht er auch den Staat in der Pflicht.

"Ich denke, dass es möglich ist, die Kosten für den Treibstoff auf Regierungsebene zu regulieren, um sicherzustellen, dass die Wirtschaftlichkeit der Fluggesellschaften nicht beeinträchtigt wird", so Sljusar. Außerdem sei die Tu-214 zwar weniger effizient als A321 und Co. Jedoch rechnete der UAC-Mann vor, dass die Kerosinkosten nur für 25 % der auflaufenden Gesamtkosten im Flugbetrieb verantwortlich seien. Damit sei der Betrieb der Tu-214 unterm Strich nur noch etwa 5 bis 6 % teurer als das Vergleichsmuster A321. Diese Spanne sei jedoch "nichts im Vergleich zu der Tatsache, dass die Unternehmen über eine Flotte neuer Flugzeuge verfügen werden, die fliegen und den russischen Bürgern ermöglichen können, von einer Stadt zur anderen zu fliegen." Quelle: TASS / wikimedia / aeri / DMM