Die Schweizer Bundesbahnen SBB liebäugeln schon lange mit einer umsteigefreien Reisemöglichkeit nach London. Nun prüfen die Schweiz und Großbritannien erstmals konkret eine direkte Bahnverbindung. Das Schweizer Bundesratsmitglied Albert Rösti und die britische Transportministerin Heidi Alexander haben in London eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet, wie das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) am Freitag mitteilte.
Der Bedarf scheint vorhanden: Täglich starten rund 50 Flüge aus der Schweiz in Richtung London, zumeist mit Geschäftsreisenden an Bord. Eine umsteigefreie Bahnverbindung gilt als klimafreundliche Alternative. Ziel ist eine Reisezeit von unter sechs Stunden, um gegenüber dem Flugzeug konkurrenzfähig zu sein. Laut der Eurotunnel-Betreiberin Getlink ist dies möglich. Heute geht insbesondere beim Umsteigen in Paris mit Bahnhofswechseln viel Zeit verloren.
Allerdings sind die Herausforderungen nicht unerheblich: Da das Vereinigte Königreich nicht dem Schengen-Raum angehört, müssen an den Abfahrtsbahnhöfen Sicherheits- und Passkontrollen wie am Flughafen eingerichtet werden – bisher unüblich im Schweizer Bahnsystem mit frei zugänglichen Bahnsteigen. Auch dürfen durch den Eurotunnel unter dem Ärmelkanal hindurch nur speziell zugelassene Züge fahren. Solche haben z.B. Siemen Mobility und Alstom geliefert.
Bundesrat Rösti und Ministerin Alexander haben am Londoner Bahnhof St. Pancras ein Eurostar-Terminal, das für Reisen in andere europäische Länder gebraucht wird, besichtigt.
Weiter braucht es ein trilaterales Abkommen mit Frankreich, das für die Durchfahrt zwingend ist. Albert Rösti beabsichtige, im Verlauf des kommenden Jahres dem Bundesrat einen Richtungsentscheid zur Etablierung einer direkten Bahnverbindung zu unterbreiten, heißt es.
Auch die Deutsche Bahn war einmal stark an einer direkten ICE-Verbindung von Frankfurt über Köln und Brüssel nach London interessiert. Geplant war eine Aufnahme des Fahrgastbetriebs 2012. Eigens hierfür wurde ein ICE3 durch den Eurotunnel zum Londoner Bahnhof St. Pancras gebracht. Aber die Widerstände der Briten und Franzosen waren zu groß. An der technischen Machbarkeit lag es nicht, dass das Vorhaben letztlich fallen gelassen wurde. Inzwischen aber steigt das Interesse wieder, zumal auch andere Bahnunternehmen Interesse daran haben, vom Kontinent auf die Insel zu fahren. Quelle: UVEK / DMM