Dramatischer Irrflug über Portugal

In letzter Zeit häufen sich Vorfälle mit Passagiermaschinen, bei denen die Avionik bzw. elektronische Steuerung offensichtlich Probleme bereitet. Den 188 Passagieren einer nagelneuen Boeing 737MAX8 von Lion Air wurde diese erst vor wenigen Tagen (29. Oktober 2018) zum Verhängnis. Ein vergleichbarer Fall trug sich am 11. November 2018 mit einem Regionaljet Embraer 190 von Air Astana zu, der aber zum Glück mit einem happy End ausging. Dabei hatten die Piloten über Portugal die Kontrolle über ihr Flugzeug über einen Zeitraum von fast zwei Stunden verloren. Sie hatten die Wahl zwischen Absturz über Land oder einer versuchten Notwasserung.

Eine Langstreckenversion Embraer E190LR von Air Astana brachte die beiden Piloten und vier Techniker in tödliche Gefahr. Foto: Air Astana

Die Embraer E190 LR, Baujahr 2014, war von Air Astana am 2. Oktober als Flug KC1388 zur Wartung nach Portugal geflogen worden. Wie das Nachrichtenportal Observador meldet, hatte die Elektronik der Maschine vor dem eigentlichen Geschehen offenbar schon einige Male Probleme bereitet. Bei der Wartungsgesellschaft OGMA-Indústria Aeronáutica de Portugal sollte die Fehlfunktion behoben werden.

Mutmaßlich in Ordnung gebracht hob die Embraer E190 am Sonntag (11. November 2018 ) am OGMA-Werksflughafen Alverca um 13:21 Uhr Ortszeit ab. Ziel von Rückführungsflug KC1388 war Minsk in Weißrussland. An Bord die beiden Piloten – ein 54jähriger Brite und ein 37jähriger Kasache, sowie vier Techniker von Air Astana. Schon rund zwölf Minuten nach dem Start fielen jedoch alle zentralen Instrumente des Jets (P4-KCJ) aus. Die Cockpitbesatzung verlor daraufhin die Kontrolle über den Jet und sandte einen Notruf aus. „Mayday, mayday, mayday. Wir haben Steuerungsprobleme“, funkten sie.

Nach 26 Minuten funkten sie erneut „Flugzeug total unkontrollierbar“. Sie wünschten sich Anweisungen für eine Notwasserung und wollten schnell weg vom Land. Die portugiesischen Fluglotsen versuchten die beiden Flugzeugführer zu beruhigen und unterstützten bei der Suche nach einer Lösung für die gravierenden Probleme an Bord. Doch es half nichts, die Piloten meldeten, sie könnten den Flieger nicht steuern und hätten weiterhin keinerlei Kontrolle. Sie fragten nach einem Ort mit besserem Wetter und guten Sichtbedingungen, um landen zu können, so die Piloten kurze Zeit später.

Die Lotsen alarmierten unterdessen die portugiesische Luftwaffe. Zwei F-16-Kampfjets stiegen auf und näherten sich der manövrierunfähigen Embraer. Gleichzeitig wurden weitere Flieger und die Marine in Alarmbereitschaft versetzt. Das Notfallszenario Notwasserung wurde durchgespielt, wie Verteidigungsminister João Gomes Cravinho bei Twitter bestätigte: Danach sollte die kasachische Maschine im Rio Tejo oder im nahen Atlantik eine Landung versuchen. Doch musste der Plan wegen des schlechten Wetters rasch verworfen werden.

Die E190 flog steuerungslos einen unkontrollierten Kurs weiter. Sie kreiste im Schlingerkurs  und in der Höhe schwankend in der Region von Lissabon und Ribatejo. Nach rund einer Stunde Irrflug wollten die Piloten, weil sie keine Besserung erkennen konnten, das Flugzeug immer noch auf dem Wasser niederbringen. Ihr Ziel war der Süden des Landes, wo bessere  Wetterbedingungen herrschten. Dann geschah ein kleines Wunder, die Elektronik hörte auf „zu spinnen“ und die E190 begann sich zu stabilisieren. Und plötzlich leuchteten auch einige der überlebensnotwendigen Instrumente der Avionik wieder auf. Daraufhin entschloss sich der Krisenstab in Lissabon, die Maschine zum Flughafen Beja zu schicken. Während der Sinkflug halbwegs klappte, gelang die Notlandung nicht auf Anhieb. Beim ersten Versuch sah zwar alles gut aus, plötzlich kippte aber die E190 nach rechts weg, wie ein Beobachter dem TV-Sender SIC berichtete. Die Piloten starteten durch. Auch der zweite Landeversuch misslang. Kurz vor dem Aufsetzen verlor der Jet plötzlich an Höhe und kippte nun nach links. Auch diese gefährliche Situation meisterten die beiden Piloten. Im dritten Versuch gelang dann um 15.28 Uhr eine perfekte Landung. Die völlig entnervte Besatzung musste in eine Klinik eingeliefert werden. Quelle: Observador / aerotelegraph.com / DMM