Das Center of Automotive Management (CAM), ein unabhängiges, wissenschaftliches Institut für empirische Automobil- und Mobilitätsforschung, geht davon aus, dass viele europäische und koreanische Automobilhersteller 2024 durch entsprechende Rabattierungen die Anschaffungspreise reduzieren, um die Vorteile der chinesischen Hersteller sowie von Tesla wenigstens einigermaßen in den Griff zu bekommen.
Vorteile haben auf jeden Fall Automobilhersteller wie Tesla oder chinesische Autobauer, die dank ihrer hohen vertikalen Integration und Erfahrung bereits eine bessere Kostenposition besitzen. Erst im Jahr 2025 kann aufgrund einer hoffentlich höheren Anzahl kostengünstigerer Modelle deutscher Automobilproduzenten wieder mit einer stärkeren Dynamik der Elektromobilität in Deutschland gerechnet werden, das meint jedenfalls Prof. Stefan Bratzel, CAM-Studienleiter.
Zwischen Januar und Dezember 2023 registrierte das Kraftfahrtbundesamt (KBA) etwa 524.000 Neuzulassungen vollelektrischer Pkw, was einem Zuwachs von 11% gegenüber dem Vorjahreszeitraum (2022: 471.000) entspricht. Gleichzeitig stiegen die Gesamtzulassungen aller Antriebe um 7% auf 2,84 Mio. Fahrzeuge, sodass der BEV-Marktanteil mit 18,4% nur unwesentlich höher liegt als im Vorjahr (2022: 17,7%). Plug-In-Hybride (PHEVs) spielen seit der Beendigung der Kaufprämie keine bedeutsame Rolle mehr. Ihr Neuzulassungsanteil liegt 2023 nur noch bei 6,2% (2022: 13,7%). Die zukünftige Entwicklung des deutschen Elektrofahrzeugmarktes ist mit großen Unsicherheiten behaftet. Angesichts konjunktureller Risiken, der vorzeitigen Beendigung der Kaufprämie für Elektroautos und weiterhinmangelnder preisgünstiger Modelle rechnet das Center of Automotive Management (CAM) für das laufende Jahr 2024 mit rückläufigen BEV-Neuzulassungen in einer Spanne zwischen 430.000 bis 480.000 Pkw.
Mit Blick auf die Automobilmarken lassen sich unterschiedliche Entwicklungen erkennen. VW verkauft im Gesamtjahr 2023 rund 71.000 BEVs und steigert damit seinen Absatz leicht überdurchschnittlich um 11,7%. Da Tesla im Vergleich zum Vorjahr einen Absatzrückgang um 9,0 % auf nunmehr 64.000 Einheiten verbucht, verliert der Elektropionier erstmals seine Spitzenposition auf dem deutschen Fahrzeugmarkt. Die heimischen Premiummarken BMW, Mercedes-Benz und Audi rücken mit 40.000, 37.000 bzw. 31.000 neu zugelassenen BEVs auf die Ränge 3 bis 5 vor. Im direkten Vergleich verzeichnet BMW mit einem Absatzplus von 72,2 % das größte Wachstum, gefolgt von Mercedes-Benz mit 45,7 %, Unter den 20 Automobilmarken mit den meisten BEV-Neuzulassungen befinden sich mittlerweile vier Marken, die entweder ausschließlich oder nahezu vollständig vollelektrische Pkw verkaufen. Hierzu zählen Tesla (100 %), Smart (100 %), Polestar (100 %) und MG Roewe (87 %), die es als erste chinesische Marke sogar in die Top 10 der BEV-Neuzulassungsstatistik schafft. Ebenso stark überdurchschnittliche BEV-Verkaufsanteile besitzen Fiat (30%), Hyundai (27%), Renault (23 %) und Peugeot (22 %). Außerhalb der Top 20 befinden sich weiterhin etablierte Volumenmarken wie Ford (3,3 %), Toyota (4,5 %), Mazda (7,0%) und Nissan (9,3 %), deren BEV-Portfolio im Wettbewerbsvergleich noch stark verbesserungswürdig erscheint.
Ranking der Elektromodelle. Von allen verkauften vollelektrischen Pkw mit über 100 Modellen im Jahr 2023 entfallen mehr als die Hälfte (57 %) auf 15 BEV-Modelle. Dabei behauptet das Tesla Model Y analog dem Vorjahreszeitraum mit knapp 46.000 Einheiten und einem Absatzplus von 29 % seine Spitzenplatzierung und kann sich gegen die VW-Modelle ID.4/ID.5 (36.000 Einheiten, +46 %) durchsetzen. Während der Absatz des Fiat
500 in Deutschland um knapp ein Viertel (-24 %) einbricht und das Modell auf Rang 4 zurückwirft, rückt der Skoda Enyaq überraschend mit einem Zuwachs um 93 % auf Platz 3 vor. Die Top 10 vervollständigen die Modelle VW ID.3, Audi Q4, Seat (Cupra) Born, Tesla Model 3, BMW X1 und der Mini. Im Modellranking verpasst MG knapp den Einzug in die Top 10. Der Verkaufsschlager MG 4 wurde im Gesamtjahr 2023 mehr als 13.000 mal neu zugelassen (2022: < 2.000 Einheiten) und liegt damit nur knapp hinter dem Opel Corsa und Mercedes GLA auf Rang 13.
Anschaffungspreis und Reichweite der Elektromodelle. Damit der Hochlauf der Elektromobilität kurz- und mittelfristig weiter an Fahrt aufnimmt, sind neben ausgereiften technischen Fähigkeiten (d.h. Reichweite, Ladeleistung, Verbrauch) der Fahrzeuge insbesondere wettbewerbsfähige Anschaffungspreise erforderlich. In einer Analyse von mehr als 100 Elektromodellen, die im vergangenen Jahr 2023 in Deutschland neu zugelassen wurden, weisen der BYD Dolphin und das Tesla Model 3 gegenwärtig das attraktivste Verhältnis zwischen den Anschaffungskosten und der verfügbaren WLTP-Reichweite auf. Der BYD Dolphin ist bereits zu Preisen ab 35.990 € (brutto) erhältlich und bietet in der Einstiegsvariante 427 km Reichweite (WLTP), was einem Preis-Reichweiten-Verhältnis von ca. 84 €/km entspricht. Ähnlich attraktiv positioniert sich das Tesla Model 3: Mit einem Bruttolistenpreis von 45.668 € und einer WLTP-Reichweite von 513 km ergibt sich ein Faktor von 89 €/km. Damit liegen beide Modelle deutlich unterhalb des mittleren Preis-Reichweiten-Verhältnisses, das über alle 105 untersuchten Fahrzeuge in Deutschland rund 115€/km beträgt. Auch der neue Fiat 600 (89 €/km) und das Schwestermodell Jeep Avenger (91 €/km) aus dem Stellantis-Konzern weisen als Volumenmodelle eine günstige Relation zwischen dem Bruttolistenpreis und der verfügbaren WLTP-Reichweite auf.
Die Top 5 komplettiert überraschend der VW ID.7, der insbesondere unter Berücksichtigung seiner Fahrzeugklasse (Obere Mittelklasse) stark positioniert ist. Bei einem Anschaffungspreis von mindestens 56.995 € wird den Kunden bereits eine WLTP-Reichweite von 621 km geboten. Premium-Modelle sucht man in der Top 10 Liste sachlogisch vergebens, da sich der Fahrzeugpreis bekanntlich nicht ausschließlich aus den technischen Daten ergibt, sondern auch andere Faktoren wie Material- und Verarbeitungsqualität oder Markenreputation berücksichtigt. Insgesamt zeigt sich jedoch, dass alle der 15 meistverkauften BEV-Modelle unterhalb des Durchschnitts liegen. Quelle: CAM / DMM