Ein Viertel weniger Pkw-Verkäufe

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben die Automobilmärkte weltweit einbrechen lassen und die Industrie - insbesondere auch in Europa und Deutschland - in die schwerste Krise seit Jahrzehnten gestürzt. „Der Einbruch der Märkte ist seinem Ausmaß und in seinem globalen Umfang beispiellos“, betonte Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) im Rahmen der Halbjahrespressekonferenz des Verbandes.

Im ersten Halbjahr 2020 gingen die Pkw-Neuzulassungen in Deutschland um knapp 35 % auf 1,21 Mio. Pkw zurück. Das ist der niedrigste Wert für ein erstes Halbjahr in Deutschland seit der Wiedervereinigung vor 30 Jahren. Nicht nur der Privatmarkt sackte stark ab, auch im Flottenmarkt gab es eine heftige Abwärtsbewegung. Ähnlich ist das Bild auf den internationalen Märkten: So ging der europäische Pkw-Markt bis Mai um 43 % zurück, der US-Markt um 23 %, der Markt in China um 27 %.

Für das zweite Halbjahr deutet sich eine leichte Erholung an. Ein Zeichen dafür ist der Auftragseingang bei deutschen Herstellern, bei dem das Minus gegenüber dem Vergleichsmonat aus dem Vorjahr im Juni deutlich geringer war als noch im Mai. Doch auch ein fortgesetzter Aufwärtstrend wird den Einbruch aus der ersten Jahreshälfte nicht annähernd ausgleichen können.

So rechnet der VDA für das Gesamtjahr 2020 mit einem Rückgang des Pkw-Weltmarkts um 17 % auf 65,9 Mio. Einheiten (2019: 79,5 Mio.). Besonders stark wird der Rückgang in Europa mit 24 % sein. Für Deutschland geht der VDA von rund 2,8 Mio. Pkw-Neuzulassungen im Gesamtjahr aus (-23 %). Demgegenüber etwas glimpflicher verlaufen wird der Einbruch in den USA (-18 %) sowie in China (-10 %). Den Erwartungen liegt die Annahme zugrunde, dass es gelingt, die Corona-Pandemie in Europa, aber auch in anderen Teilen der Welt weiter einzudämmen. Allerdings warnen Experten schon jetzt vor einer wahrscheinlichen zweiten Welle im Herbst.

Der dramatische Einbruch der Nachfrage, der zeitweise Abriss der Lieferketten sowie wochenlange Produktionsstopps führten dazu, dass die Pkw-Produktion in Deutschland im ersten Halbjahr auf das niedrigste Niveau seit 45 Jahren gesunken ist. Von Januar bis Juni wurden an den deutschen Standorten knapp 1,5 Mio. Fahrzeuge hergestellt, das sind 40 % weniger als im Vorjahreszeitraum. Für das Gesamtjahr 2020 erwartet die VDA-Präsidentin eine Pkw-Inlandsproduktion von 3,5 Mio. Einheiten (-25 %). Auch hier sei mit einer ersten langsamen Erholung im zweiten Halbjahr zu rechnen. Der Export aus Deutschland wird nach VDA-Prognosen im Jahr 2020 um 27 % zurückgehen; in den ersten sechs Monaten des Jahres war er um 40 % auf 1,1 Mio. Einheiten eingebrochen.

Auf die Beschäftigung hat sich dieser Rückgang bisher noch nicht so stark ausgewirkt. Die Zahl der Beschäftigten in der deutschen Automobilindustrie lag Ende April mit 814.000 Mitarbeitern etwa 3 % niedriger als ein Jahr zuvor. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass aktuell etwa jeder zweite Beschäftigte der Industrie in Kurzarbeit ist. „Die massiv geringere Produktion hat nicht nur für Hersteller, sondern besonders für viele mittelständische Zulieferer schwerwiegende Konsequenzen“, so Hildegard Müller. „Wir müssen davon ausgehen, dass die Beschäftigtenzahl bis zum Jahresende 2020 weiter zurückgeht.“

Hohe Investitionen in Elektromobilität und Digitalisierung. „Oberste Priorität muss in der aktuellen Lage weiterhin sein, die Gesundheit der Menschen bestmöglich zu schützen“, betonte Müller. In Deutschland sei es bisher sehr gut gelungen, die Pandemie einzudämmen. „Wir alle sind gut beraten, nicht leichtsinnig zu werden, denn das Virus ist weiter da.“ Im Hinblick auf die Wirtschaft als Ganzes geht es nach Müllers Überzeugung nun vor allem darum, die industrielle Basis in Europa und Deutschland zu erhalten und Beschäftigung zu sichern. „Für die Automobilindustrie kommt hinzu, dass sie ihre Transformation für neue Antriebe und die Digitalisierung weiter vorantreibt. Das sind enorme Herausforderungen.“ 

Mit Investitionen in Höhe von allein 50 Mrd. Euro in neue Antriebe und weiteren 25 Mrd. Euro in die Digitalisierung bis zum Jahr 2024 investieren die VDA-Mitgliedsunternehmen erheblich in die Transformation. Die E-Modellpalette deutscher Marken wird von aktuell 70 auf mehr als 150 Modelle bis Ende 2023 mehr als verdoppelt. Zudem haben die deutschen Hersteller ihren Marktanteil bei Neuzulassungen von E-Autos in Deutschland in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres von 48 auf 66 % deutlich erhöht. Sieben der zehn meistverkauften E-Modelle kommen von deutschen Konzernmarken.

Laut Müller bietet in Zukunft insbesondere der Plug-in-Hybrid bietet enorme Chancen. Denn er verbindet das Beste aus zwei Welten – emissionsfreies Fahren auf kürzeren und mittleren Strecken, mit der nötigen und effizienten Reichweite und auch auf der Langstrecke. Und zum Erreichen des großen Ziels der klimaneutralen Mobilität werden die Nutzung von Wasserstoff und erneuerbaren E-Fuels an Bedeutung gewinnen. Insgesamt wird das Auto nach Müllers Überzeugung auch in Zukunft elementarer Bestandteil einer klimaschonenden Mobilität sein. Die Anforderungen an die Verkehrsmittel unterscheiden sich, etwa zwischen Stadt und Land. Deshalb kommt es darauf an, die jeweils beste Lösung einzusetzen, die Lebenswirklichkeit der Menschen zu berücksichtigen und beim Weg in die Mobilität der Zukunft technologieoffen vorzugehen.

„Die EU braucht daher auch ein ambitioniertes Industriepaket, um aus der Krise zu kommen“, unterstrich die VDA-Chefin. Der Schwerpunkt müsse auf Wachstum und Investitionen gelegt werden. Dazu zählten der konsequente Ausbau der Infrastruktur für Elektromobilität und Wasserstoff, der Hochlauf von E-Fuels und Investitionen in die Digitalisierung. Quelle: VDA / DMM