Eine Airline haftet für umgekippten heißen Kaffee

Mit Urteil vom 19.12.2019 hat der Gerichtshof der Europäischen Union klargestellt, dass die Haftung einer Airline für Verbrühungen, die dadurch entstehen, dass während eines Fluges heißer Kaffee aus nicht geklärten Gründen umkippt, nicht voraussetzt, dass sich ein flugspezifisches Risiko realisiert hat.

Im vorliegenden Fall verlangt ein junges Mädchen von der österreichischen Fluglinie Niki Luftfahrt GmbH (in Liquidation) Schadensersatz wegen Verbrühungen, die sie erlitt, als bei einem Flug von Palma  de  Mallorca  nach  Wien der ihrem Vater servierte und vor ihm auf seinem Abstellbrett abgestellte heiße Kaffee aus nicht geklärten Gründen umkippte. Die Fluglinie weist ihre  Haftung zurück, weil es sich um keinen Unfall im Sinne des die Haftung von Fluglinien bei Unfällen regelnden Übereinkommens von Montreal handle. Der Begriff des Unfalls erfordere nämlich, dass sich ein flugspezifisches Risiko realisiere, woran es hier fehle. Tatsächlich konnte nicht festgestellt werden, ob  der Kaffeebecher etwa wegen eines Defekts des ausklappbaren Abstellbretts oder durch ein Vibrieren   des Flugzeugs kippte. Der Oberste Gerichtshof (Österreich) hat den Gerichtshof um Klarstellungen zum Unfallbegriff des Übereinkommens von Montreal ersucht, der darin nicht definiert wird.

Der Gerichtshof führt aus, dass die gewöhnliche Bedeutung, die dem Begriff „Unfall“ zukommt, die eines  unvorhergesehenen, unbeabsichtigten, schädigenden Ereignisses ist. Außerdem stellt er insbesondere fest, dass mit  dem Übereinkommen von Montreal eine Regelung verschuldensunabhängigen Haftung von Fluglinien eingeführt und gleichzeitig für einen „gerechten Interessenausgleich“ gesorgt werden sollte.

Er schließt daraus, dass sowohl die gewöhnliche Bedeutung des Begriffs „Unfall“ als auch die Ziele des Übereinkommens von Montreal dagegen sprechen, die Haftung der Flugliniendavon abhängig zu machen, dass der Schaden auf das Eintreten  eines luftfahrtspezifischen Risikos zurückgeht oder dass es einen Zusammenhang zwischen  dem „Unfall“ und dem Betrieb oder der Bewegung des Flugzeugs gibt. Er erinnert daran, dass nach dem Übereinkommen von Montreal die Haftung der Fluglinien ausgeschlossen oder beschränkt werden kann. Eine Fluglinie kann sich nämlich ganz oder teilweise von ihrer Haftung befreien, indem sie nachweist, dass der Reisende den Schaden selbst verursacht oder dazu beigetragen hat. Außerdem kann sie ihre Haftung auf 100.000 „Sonderziehungsrechte“ beschränken, indem sie nachweist, dass der Schaden nicht von ihr oder aber ausschließlich von einem Dritten verschuldet wurde.

Der Gerichtshof antwortet dem Obersten Gerichtshof mithin, dass der in Rede stehende Begriff „Unfall“  jeden an Bord  eines Flugzeugs vorfallenden Sachverhalt erfasst, in dem ein bei der Fluggastbetreuung eingesetzter Gegenstand eine körperliche Verletzung eines Reisenden verursacht hat, ohne dass ermittelt werden müsste, ob der Sachverhalt auf ein luftfahrtspezifisches Risiko zurückgeht. Quelle: EuGH, Urteil in der Rechtssache C-532/18 / DMM