Erinnert an Germanwings-Todesflug: Lufthansa-Kapitän kam 10 Minuten lang nicht zurück ins Cockpit

Ein Lufthansa Airbus A321 mit 199 Passagieren an Bord flog zehn Minuten lang ohne Kontrolle, nachdem einer der Piloten während einer Toilettenpause des Kapitäns plötzlich handlungsunfähig geworden war. Die Einzelheiten des haarsträubenden Vorfalls sind nun ans Licht gekommen, nachdem die spanischen Flugunfallermittler ihren Abschlussbericht zu den Vorfällen an Bord des Lufthansa-Fluges LH1140 am 17. Februar 2024 veröffentlicht haben.

Die spanischen Behörden gaben nun einen Bericht über einen Lufthansa-Flug frei, der stark an den Todesflug einer Germanwings A320 vom März 2015 erinnert. Diesmal kam der Kapitän eines LH A321 erst nach 10 Minuten ins Cockpit, wo sein Erster Offizier einen Schwächeanfall erlitten und handlungsunfähig war. Foto: Lufthansa

Die Ermittler fordern die Fluggesellschaften dringend auf, mindestens zwei Personen gleichzeitig im Cockpit zu haben, nachdem bekannt wurde, dass der Erste Offizier einen Anfall erlitten hatte und begann, unkontrolliert Knöpfe zu drücken und Eingaben an den Bedienelementen vorzunehmen.

Daten aus den Blackboxen des Flugzeugs zeigen, dass etwa zehn Minuten lang niemand die Kontrolle über den Airbus A321 hatte, während der Kapitän verzweifelt versuchte, wieder ins Cockpit zu gelangen. Die Fluglotsen wurden zunehmend besorgt.

Der Vorfall ereignete sich am 17. Februar 2024 gegen 10:30 Uhr auf dem Flug 1140 von Frankfurt nach Sevilla. Als sich das Flugzeug über dem spanischen Festland befand, beschloss der Kapitän, das Cockpit für eine kurze Toilettenpause zu verlassen und ließ den Ersten Offizier allein im Cockpit zurück.

Passagiere waren in Todesgefahr. Der Kapitän teilte den Ermittlern mit, dass der Copilot beim Verlassen des Cockpits wohlauf schien. Doch nur 30 Sekunden später erlitt der 38-jährige Erste Offizier einen plötzlichen und schweren Schwäche-Anfall. Auslöser war eine zuvor nicht diagnostizierte Herzerkrankung, die bei den obligatorischen flugmedizinischen Untersuchungen nicht festgestellt worden war.

Was als Nächstes geschah, ist nicht ganz klar, da sich der Erste Offizier nur daran erinnert, dass der Kapitän das Cockpit verließ und anschließend von der Kabinenbesatzung und einem dienstfreien Arzt in der vorderen Bordküche versorgt wurde.

Aus den Flugschreibern geht jedoch hervor, dass der Erste Offizier mehrere Eingaben an den Bedienelementen vorgenommen hatte, wodurch im Cockpit der „Master Caution“-Alarm ausgelöst wurde.

Etwa sieben Minuten nach Verlassen des Cockpits versuchte der Kapitän, wieder ins Cockpit zu gelangen, indem er den Standard-Zugangscode auf einem Tastenfeld neben der Cockpittür eingab.

Kapitän versuchte verzweifelt ins Cockpit zu kommen. Der Zugangscode öffnet die Tür allerdings nicht, sondern signalisiert lediglich im Cockpit, dass jemand versucht, einzudringen. Die Aufforderung, die verstärkte, kugelsichere Cockpittür zu öffnen, blieb unbeantwortet, doch der Kapitän dachte zunächst, er hätte versehentlich den falschen Code eingegeben. Der Kapitän versuchte es ein zweites und dann ein drittes Mal erfolglos. Ein Mitglied der Kabinenbesatzung rief über eine Gegensprechanlage im Cockpit an, doch dieser Anruf blieb unbeantwortet.

In seinem verzweifelten Versuch, wieder Zutritt zu erlangen, gab der Kapitän einen Notrufcode in die Tastatur ein. Auch dieser Code entriegelte die Tür nicht sofort automatisch, sondern signalisierte im Cockpit, dass der Notrufcode eingegeben wurde.

Wäre eine handlungsfähige Person im Cockpit, kann diese dann die Tür entriegeln oder den Zutritt verweigern. Wenn die Person im Cockpit nach einer festgelegten Anzahl von Sekunden die Tür nicht entriegelt oder den Zutritt verweigert hat, entriegelt sich die Tür automatisch für einige Sekunden. Bevor der Timer ablief, öffnete der Erste Offizier jedoch manuell die Cockpittür. Zu diesem Zeitpunkt war er blass, schwitzte und bewegte sich seltsam. Das Kabinenpersonal eilte daher herbei, um mit der Ersten Hilfe zu beginnen.

Der Kapitän übernahm wieder die Kontrolle über den Airbus und beantragte wegen des medizinischen Notfalls die Umleitung zum Flughafen Madrid-Barajas. Dort wurde der Erste Offizier in ein Krankenhaus gebracht, aber einige Stunden später wieder entlassen.

Der schlimme Vorfall erinnert an den Germanwings-Flug 9525 vom 24. März 2015. Damals zerschellte der Airbus A320-211  auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf an den Westalpen, auf dem Gebiet der Gemeinde Prads-Haute-Bléone im südfranzösischen Département Alpes-de-Haute-Provence. Alle 150 Menschen an Bord kamen ums Leben. Bei diesem Vorfall wartete der Erste Offizier, bis der Kapitän das Cockpit verlassen hatte, um die Toilette zu benutzen, und übernahm dann die Kontrolle über das Flugzeug – ein grausamer Fall von Mord und Selbstmord, der das Flugzeug in den französischen Alpen zum Absturz brachte. Der Kapitän versuchte damals vergeblich, die Cockpittür mit Gewalt zu öffnen, nachdem ihn der Erste Offizier nicht mehr herein ließ. 
Lufthansa befolgte zunächst die Sicherheitsempfehlungen mit generell zwei Personen an Bord (entweder zwei Piloten oder ein Pilot und ein Kabinenbesatzungmitglied), entschied sich jedoch einige Jahre später, die behördliche Vorschrift wieder zu lockern. 

Viele andere Fluggesellschaften in ganz Europa hatten sich vehement gegen die Sicherheitsempfehlung ausgesprochen und die „Zwei-Personen-im-Cockpit“-Regel nie eingeführt. Die Comisión de Investigación de Accidentes fordert die Fluggesellschaften nun jedoch dringend auf, ihre Risikobewertungen zu überdenken. Quelle: DMM