Erstmals Aufstand gegen die IAA, die vor ungewisser Zukunft steht

"Die IAA ist auch am heutigen Sonntag gut besucht. Bei ‚Kaiserwetter‘ besuchen zehntausende gut gelaunter Gäste, darunter viele Familien mit Kindern, die IAA. Sowohl in den Hallen als auch auf dem Freigelände herrscht tolle Stimmung, die Gäste genießen den IAA-Tag mit all seinen Attraktionen und Weltpremieren“, betonte Bernhard Mattes, scheidender Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Mit keinem Wort - erst am Sonntag Abend - ging der Veranstalter auf die Proteste gegen die IAA ein. Erstmals in der Historie der Frankfurter IAA wurde die Autoschau nämlich am Samstag und Sonntag von Tausenden Demonstranten blockiert. Am Eröffnungstag übrigens war Frankfurt's OB Feldmann kurzfristig ausgeladen worden, weil er einige mahnende Worte an die Autoindustrie richten wollte. Und der VDA steht vor einer schwierigen finanziellen Situation infolge vieler Millionen Euro, die ihm diesmal entgangen sind.

Die IAA 2019 war vielleicht die vorletzte in Frankfurt. Andere Standorte sind bereits in der Diskussion. Foto: Messe Frankfurt

Den ersten und zweiten Publikumstag der Internationale Automobilausstellung in Frankfurt nahmen Klimaschützer zum Anlass, ihrem Protest Ausdruck zu verleihen. Sie fordern eine schnelle Verkehrswende. Etliche der mehreren Tausend Demonstranten kommen mit dem Fahrrad. Am Samstag und auch am Sonntag blockierten Tausende Hunderte nicht nur des Bündnisses „Sand im Getriebe“ den Haupt- und einen weiteren Eingang der IAA. In weißen Anzügen hielten sie Plakate mit Forderungen wie „Autokonzerne entmachten“ und „Die Straße ist besetzt – Verkehrswende jetzt“ in die Höhe. Die (vorgebliche) Wut der Demonstranten richtet sich u. a. auf SUV. Zudem gedenken viele den toten Radfahrern auf deutschen Straßen. Gute 30 Minuten lang verwehrten Radfahrer mehreren Shuttlebussen am Rebstockgelände die Weiterfahrt, die Passagiere müssen aussteigen und die Strecke zum Messeareal über gut 1 km zu Fuß zur Messe.

Ziel sei es, „den Ablauf der IAA mit friedlichen Blockaden zu stören“, teilte Sand im Getriebe mit. „Wir setzen damit ein deutliches Zeichen gegen das zerstörerische Verkehrssystem, für das die weltgrößte Automesse nach wie vor steht.“ Die Aktion solle zeigen, dass leeren Versprechungen das Bündnis nicht mehr hinhalten könnten.  „Sand im Getriebe“ nennt sich die Aktionsgruppe, die sich über das Internet gefunden und dann in mehreren Treffen auf den Samstag und Sonntag vorbereitet hat. Ziel der Teilnehmer soll gewesen sein, die „grüne Selbstdarstellung der IAA zu demaskieren“, so Pressesprecherin Marie Klee, die wie ihre Mitstreiterin Tina Velo ein Pseudonym benutzt. „Wann immer über die IAA berichtet wird, soll auch über Klimakrise, Verkehrstote, Dieselskandal und Flächenbrauch in Städten diskutiert werden.“

Die Messe sei weiter zugänglich, sagte eine Polizeisprecherin dem Evangelischen Pressedienst. Die Besucher würden auf die anderen Eingänge verwiesen. Ziel sei es, sowohl die Versammlungsfreiheit der Demonstranten als auch die Interessen der IAA-Besucher zu garantieren. Am blockierten Parkhaus Theodor-Heuss-Allee nahmen die zahlreich vertretenen Ordnungshüter Personalien von Teilnehmern der Demos auf. Übrigens meldete sich der VDA zum Thema Proteste gegen die IAA am Sonntag gegen 18.15 Uhr dann doch noch zu Wort: Zum Abschluss des ersten IAA-Wochenendes betonte Bernhard Mattes: „Polizei, Einsatz- und Ordnungskräfte haben mit enormem Engagement, großer Umsicht und Augenmaß dafür gesorgt, dass das erste IAA-Publikumswochenende friedlich verlief und die Besucher auf die IAA kommen konnten.

Dass kritische Stimmen stören, bekamen die Besucher der IAA diesmal nicht mit. Tatsächlich aber ist es eine echte Schande gewesen, wie mit Frankfurt's Oberbürgermeister Peter Feldmann umgesprungen worden ist. Das Stadtoberhaupt wurde kurzerhand bei der Eröffnungszeremonie ausgeladen, weil er Insidern zufolge das Offensichtliche aussprechen wollte: "Beweisen wir, dass deutsche Innovationskraft nicht darin besteht, gesetzliche Vorgaben zu umgehen, sondern die umweltschonendsten und zukunftsfähigsten Produkte zu entwickeln. Ich möchte ehrlich sein: Frankfurt braucht mehr Busse und Bahnen, aber nicht mehr SUVs." Das war dem VDA zuviel der Wahrheit, so unabhängige Beobachter.

Übrigens ist durchaus vorstellbar, dass diese IAA die vorletzte ihrer Art in Frankfurt war. Denn nach DMM-Informationen gibt es ernsthafte Gespräche, dass andere Messestandorte künftig die IAA ausrichten könnten. U.a. sind München, Berlin und Köln im Gespräch. Entsprechende Verhandlungen sollen aber noch im Anfangsstadium sein. Die Frankfurter Messegesellschaft will sich gegen die Abwanderung mit Händen und Füßen wehren und die Autobranche bei der Evolution des Messeauftritts nach Kräften unterstützrn. Ob es aber der nach eigenen Angaben führenden Messegesellschaft mit über 100 Veranstaltungen gelingen kann, die IAA zu halten, ist nach dem diesjährigen Theater schwer vorstellbar. Der VDA und die Messegesellschaft Frankfurt haben indes das Schicksal der IT-Messe CeBIT und der AMI Leipzig vor Augen. Der Schwund in die Bedeutungslosigkeit droht auch der IAA Frankfurt. Auch bei der einst renommiertesten Automesse der Welt gehen die Besucherzahlen und in diesem Jahr ganz massiv der Ausstellerzahlen zurück. Ob das diesjährige Konzept gezündet hat ist schwer zu beurteilen. Fakt ist u.a., dass wesentlich weniger Medienvertreter diesmal nach Frankfurt kamen, so etliche der Automobilhersteller. Übrigens dürfte der für Insider nicht überraschende Abgang von VDA-Präsident Bernhard Mattes mit der Tatsache im Zusammenhang stehen, dass die Existenz des VDA ganz erheblich von den Millioneneinnahmen der IAA abhängt. Und diesmal waren es viele Millionen Euro weniger, die der VDA kassieren kann. Und ob ein Nachfolge-Kandidat Günther Oettinger es besser machen kann, der in Brüssel ziemlich blass ausschaut und von dem so gut wie nichts zu hören ist, ist eine ganz andere Frage, mit der sich der VDA ernsthaft auseinandersetzen sollte. DMM