Erwachsenenwindeln für Piloten oder offene Toilette im Cockpit...

Der europäische Flugzeughersteller Airbus möchte in seinem Flaggschiff, dem Langstreckenjet A350, direkt hinter dem Kapitänssitz anstelle des üblichen zweiten Notsitzes eine offene Mini-Toilette (!) installieren, um zu vermeiden, dass zwei Piloten gleichzeitig am Steuer eines kommerziellen Passagierflugzeugs sitzen müssen. Im Ideenfundus von Experten waren auch Windeln für PilotInnen oder spezielle Ernährunggsvorschriften, damit Piloten nicht aufs Klos müssen. Piloten und ihre Gewerkschaften laufen Sturm.

Airlines ud Flugzeughersteller arbeiten an abenteuerlichen Konzepten, um Piloten bei Flügen einzusparen. Eines beinhaltet eine kleine offene Toilette hinten dem Kapitänssitz. Foto: Airbus

Der Vorschlag des europäischen Luft- und Raumfahrtriesen ist Teil der laufenden Arbeit an dem, was die Luftfahrtindustrie als „Extended Minimum Crew Operations“ oder kurz eMCO bezeichnet hat. „Extended Minimum Crew Operations“ ist ein Euphemismus bzw.  eine Beschönigung  für den geplanten Einzelpilotenbetrieb, bei dem nur ein Pilot während der Reiseflugphase am Steuer eines Passagierflugzeugs sitzt. Wie DMM schon mehrfach berichtete, setzen viele Fluggesellschaften auf die Hoffnung, dass eMCO zu Kosteneinsparungen führt. In diesem Fall nämlich müssen auf sehr langen Flügen nicht mehr drei oder vier Piloten auf ein und demselben Flug eingesetzt werden und man kann sich mindestens die Kosten für einen oder sogar zwei Piloten sparen. Derzeit schlafen auf Langstreckenflügen die Piloten abwechselnd in einem speziellen Ruheraum für die Besatzung, während zwei gleichzeitig im Cockpit sind. Unter eMCO bleibt jedoch ein Pilot jeweils bis zu drei Stunden allein im Cockpit, während der zweite Pilot sich schlafen gelegt hat. 

Es ist alles andere als überraschend, dass die von Airbus nun aufgegriffene Idee Gewerkschaften und Organisationen, die Piloten auf der ganzen Welt vertreten, alarmiert hat. Bekannt ist, dass die Arbeiten an eMCO-Projekten unbeirrt voranschreiten und Einzelpiloten-Operationen in weniger als fünf Jahren Realität werden könnten.

Allerdings sind noch einige ziemlich große Hürden zu überwinden. Eine davon beschäftigt sich mit der Tatsache, dass Piloten Menschen sind und daher physiologische Bedürfnisse haben, ebenso wie die Notwendigkeit, auf die Toilette zu gehen oder sich mit der Menstruation auseinanderzusetzen. Nun wurde die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) damit beauftragt, zu erforschen, wie eMCO sicher implementiert werden kann. Dazu gehört auch die Suche nach Lösungen für die Tatsache, dass Piloten nun einmal eine Toilette aufsuchen müssen. 

Zu den Vorschlägen, die von der europaweiten Agentur untersucht wurden, gehörte z.B. die Aufforderung an die Piloten, sich bewusst zu dehydrieren, bevor sie eine Einzelschicht an der Flugzeugsteuerung antreten, sowie die Aufforderung an sie, sich proteinreich und rückstandsarm zu ernähren, um das Risiko einer Stuhlentleerung zu verringern. Die Agentur prüfte auch andere ausgefallene Lösungen, wie zum Beispiel das Tragen von Erwachsenenwindeln für Piloten und Pilotinnen oder die Ausstattung von Cockpits mit Einweg-Urinsammlern.

Glücklicherweise haben die Autoren der EASA-Studie alle diese möglichen Lösungen verworfen und kamen zu dem Schluss, dass Windeln, spezielle Diäten und Urinsammler „weder akzeptabel noch machbar“ seien. Stattdessen schlug die EASA vor, dass für den Fall, dass ein Pilot dringend die Toilette benutzen müsste, der zweite Pilot geweckt werden müsste und zu diesem Zeitpunkt das eMCO beendet würde.

Ein vorzeitiges Ende des eMCO könnte jedoch dazu führen, dass die Piloten ermüden. Um dieses Problem anzugehen, entwickelt Airbus derzeit einen Vorschlag zur Installation einer offenen Toilette im Flugdeck. Der Flugzeugbauer will den zweiten Notsitz hinter dem Kapitän abschaffen und  an dessen Stelle besagte offene Toilette einbauen. „Denken Sie eine Minute darüber nach. Das ist kein Piloteneinsatz“, wurden Piloten kürzlich auf der Vorstandssitzung der uS-amerikanischen Air Line Pilots Association (ALPA) gewarnt.

„Wenn man also seine Notdurft verrichten muss, ist niemand am Steuer. Sie schlagen sogar ein Kommunikationspanel an dieser Toilette vor, damit Sie sich auf die Steuerung und Instrumentierung konzentrieren können. Wenn ATC anruft, können Sie den Anruf entgegennehmen, während Sie auf der WC-Schüssel ruhen.“

Wenn sich Airbus durchsetzt, könnte eMCO bereits 2027 bereit sein, sein A350-Modell zu testen. Innerhalb der nächsten fünf Jahre könnte der Einzelpilotenbetrieb auf Frachtflugzeugen des Typs Airbus A320 eingeführt werden.

ALPA hat sich mit anderen Pilotengewerkschaften zusammengetan, um sich gegen eMCO zu stellen. Der Kampf gegen Airbus, Boeing und die Luftfahrtindustrie hat in den letzten Monaten an Tempo zugelegt, da befürchtet wird, dass Flugzeughersteller insgeheim darauf drängen, die ersten zu sein, die eMCO auf den Markt bringen. „ALPA steht zusammen mit den globalen Pilotengewerkschaften gemeinsam gegen dieses Konzept und hat es zu einer Priorität gemacht, mindestens zwei Piloten auf dem Flugdeck zu haben, um die Sicherheit des gesamten Flugbetriebs der jeweiligen Airline zu u gewährleisten“, kommentierte die Gewerkschaft zuvor Monat. „Niemand versteht besser als ein Pilot, dass es die Piloten sind, die für ein sicheres Ergebnis verantwortlich sind, wenn während des Fluges ein Problem auftritt.“ Quelle: APLA / DMM