EU-Kommission: Angleichung von Finnlands Schienennetz an europäische Standards

In Finnland fahren die Züge seit jeher auf russischer Breitspur (1.524 mm). auf Mim schlägt die Europäische Kommission vor, dass neue Verbindungen des europäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) in Übereinstimmung mit der gedamteuropäischen Spurweite (1.435 mm) gebaut werden soll. Päivi Wood, eine führende Expertin der Zentralen Handelskammer (Keskuskauppakamari), hält den Vorschlag wichtig für Finnland, da die sicherheitspolitische Lage eine stärkere Anbindung Finnlands an Europa und den Westen erfordert.

Schnellzüge im finnischen Tampere, geschoben von einem Siemens Verton, der als Reine SR 3 bei der Finnischen Staatsbahn VR läuft. Foto. T. Schmidt

Der Vorschlag würde auch mehr Möglichkeiten für die Inanspruchnahme von EU-Mitteln bieten. Der Vorschlag der Kommission wird Gegenstand von Verhandlungen zwischen dem Parlament und dem Rat der Mitgliedstaaten sein. "Der Vorschlag der Kommission stützt sich auf die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf den Markt, insbesondere auf die Lebensmittelversorgung. Die Bedeutung eines funktionierenden Binnenmarktes und von Verkehrsverbindungen ist in der derzeitigen Situation besonders wichtig", sagt Päivi Wood, Senior Expertin bei der Zentralen Handelskammer. 

Langfristig ist der Vorschlag der Kommission für Finnland von großer Bedeutung, da sich die logistische Lage Finnlands nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine verändert hat. Die Sperrung des russischen Luftraums, Sanktionen, ein chronischer Mangel an Seecontainern und höhere Energiepreise werden sich nicht nur auf die Transportkosten, sondern auch auf die Betriebs- und Versorgungssicherheit der finnischen Logistik auswirken.

"Die logistische Position Finnlands als Drehscheibe zwischen Ost und West wandelt sich zu einem Endpunkt am nördlichen Rand Europas. Für Finnland erfordert die sicherheitspolitische Lage eine stärkere Anbindung an den Süden und Westen, auch um militärische Mobilität zu ermöglichen. Aus finanzieller Sicht würde der Vorschlag kurz- und mittelfristig mehr Möglichkeiten für den Einsatz von EU-Mitteln in Finnland bieten", so Wood.

Neben Finnland sind auch Spanien, Portugal und die baltischen Länder von den notwendigen Änderungen der Gleisnetze betroffen. In Spanien ist allerdings das gesamte Hochgeschwindigkeitsnetz, das zweigrößte weltweit, bereits in europäischer Normalspur von 1.435 mm ausgeführt. Im Übrigen bauen die Spanier (Eisenbahntechnikhersteller Talgo Patentes und CAF) Hochgeschwindigkeitszüge mit automatischer Umspurung. Im Kommissionsvorschlag wird jedoch betont, dass Projekte dann nicht durchgeführt werden müssen, wenn sie wirtschaftlich nicht sinnvoll sind. 
Päivi Wood betont, dass niemand Finnland zwingen kann, sich nicht an das gesamteuropäische Netz und die Spurweite anzuschließen, wenn es dies für sinnvoll hält. "Wir haben in anderen Ländern gelernt, mit zwei verschiedenen Spurweiten zu leben, warum nicht auch in Finnland? Ein gutes Beispiel ist der Bau der Rail Baltica in einer anderen als der bestehenden Spurweite. Die europäische Spurweite würde es den Betreibern auch leichter machen, auf dem finnischen Markt Fuß zu fassen", betont die Fachfrau. 

Nach Ansicht von Wood ist eine strategische Vision erforderlich, wie Finnland stärker mit dem übrigen Europa verbunden werden kann. "Die Bedeutung des Tallinn-Tunnels sollte unter dem Gesichtspunkt der Erreichbarkeit Finnlands neu bewertet werden. Abgesehen von der Sicherheitslage ist bei der Bewertung des Kommissionsvorschlags zu bedenken, dass eine der Möglichkeiten zur Emissionsreduzierung im Verkehrssektor darin besteht, den Schienenverkehr auszubauen. Das Legislativpaket zur Ökologisierung des Güterverkehrs, das Ende dieses Jahres verabschiedet werden soll, ist in den Vorbereitungsarbeiten der Kommission bereits weit fortgeschritten", so Wood.

Pro und Kontra. Vesa Mauriala, Leiter der öffentlichen Lobbyarbeit des Solzialverbandes JHL und ehemaliger Präsident des finnischen Verbandes der Eisenbahner, hält den Versuch der EU, das Eisenbahnsystem und den Markt zu vereinheitlichen, für "eine sehr vernünftige Idee". Mauriala weist darauf hin, dass der Schienenverkehr als Industriezweig der EU-Regulierung unterliegt. Die Union regelt die Eisenbahn- und Signaltechnik sowie den gesamten Schienenverkehrsmarkt. Für Lokführer gibt es beispielsweise eine eigene Führerscheinrichtlinie, die das Führen von Lokomotiven in der EU regelt. Bei der Ausarbeitung der Triebfahrzeugführerrichtlinie wurde sogar darüber diskutiert, ob die Sprache im Schienenverkehr auf Englisch umgestellt werden sollte, wie es in der Luftfahrt der Fall ist. Es wurde jedoch beschlossen, die nationalen Sprachen zu verwenden. Auch in Finnland spricht der Verkehrsleiter mit dem Fahrer auf Finnisch. 

Was die praktische Ebene betrifft, so weist Mauriala auf die Hindernisse hin, die dem Wandel entgegenstehen. In Finnland müssten nicht nur Taudende Kilometer Gleisanlagen umgespurt werden, sondern auch das gesamte rollende Material, Tausende von Waggons und Lokomotiven. Eine solche Reform des Schienenverkehrs in Finnland würde  absurd viel Geld kosten würde. 

Mauriala wies auch darauf hin, dass Russland der bedeutendste Bahn-Partner Finnlands in Bezug auf den Holztransport, die Exporte zu den Erzhäfen und Güterverkehre ist. So werden z.B. viele Produkte auf der Schiene von Finnland in den fernen Osten bis weit hinein in den asiatischen Teil Russlands transportiert. Mit einer Umspurung bis zur russischen Grenze würde ein wichtiger Geschäftszweig geschwächt. In zwei Fällen könnte Finnland allerdings von einer europäischen Spurweite profitieren. "Wenn die Rail Baltica (von Warschau über Kaunas und Riga nach Tallinn – mit Anschluss nach Helsinki durch den untermeerischen Helsinki-Tallinn-Tunnel) samt Tallinn-Tunnel gebaut würde, müsste er für Personenzüge mit europäischer Spurweite ausgelegt sein. Es wurde errechnet, dass die wenigen Züge, die benötigt würden, mit europäischer Spurweite ausgestattet werden müssten. Eine weitere Ausnahme, so Mauriala, könnte der Schienenverkehr nach Schweden sein. Quelle Keskuskauppakamari, Demokraatti / DMM