EU-Parlament beschließt Verbrennerverbot ab 2035

Das Europaparlament votierte am Mittwoch, 08. Juni 2022, in Straßburg für ein Verbot von Verbrennern bei Pkw und leichten Nfz ab 2035. Es nahm einen Vorschlag der EU-Kommission mit 339 Ja- zu 249 Nein-Stimmen an. Die Entscheidung der Parlamentarer verpflichtet alle europäischen Autobauer, die CO₂-Emissionen ihrer Neuwagenflotten bis dahin um 100 % zu senken. Danach soll in den EU-Ländern der Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor unter hohe Strafen gestellt werden.

Endgültig beschlossen ist das Gesetz noch nicht. Zunächst wurde der Umweltausschuss beauftragt, diverse Änderungsanträge einzuarbeiten. Grundsätzlich aber steht die Verhandlungsposition des Parlaments gegenüber Kommission und Mitgliedstaaten fest. Dass das Vorhaben dort noch kippt, gilt als wenig wahrscheinlich. Die Abgeordneten sprachen sich ferner dafür aus, dass keine synthetischen Kraftstoffe (E-Fuels) angerechnet werden dürfen. 

Der Straßburger Gesetzesentwurf ist Teil des EU-Klimapakets „Fit for 55“, das darauf abzielt, klimaschädliche Emissionen bis 2030 um 55 % gegenüber dem Stand von 1990 zu senken und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Wie DMM berichtete, hat sich Deutschland schon zum Ausstiegsdatum 2035 bekannt. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte im Namen der Bundesregierung im März in Brüssel gesagt, man stehe hinter dem Ziel, bis dahin mit Verbrennungsmotoren bei Autos und Transportern abzuschließen. Auch mehrere große Autohersteller, darunter Daimler und Ford, hatten im November auf der Weltklimakonferenz in Glasgow einen Verkaufsstopp für Verbrenner in den führenden Märkten ab 2035 gefordert.

Das angekündigten Aus für Benzin- und Dieselmotoren bewertet die VDA-Präsidentin Hildegard Müller als eine Entscheidung gegen die Bürger, gegen den Markt, gegen Innovation und gegen moderne Technologien. Sie kritisiert u.a, dass die Straßburger Entscheidung nicht wahrhaben will, dass es in weiten Teilen Europas keine ausreichende Ladeinfrastruktur gibt. Es sei daher für eine derartige Zielsetzung eines Verbrennerverbots ab 2035 schlichtweg noch zu früh. Die Kosten der Verbraucher werden dadurch erhöht, das Verbrauchervertrauen aufs Spiel gesetzt. 

Müller weiter: Die Politik könne nicht mehr Tempo von der Industrie fordern, ohne selbst die Rahmenbedingungen zu schaffen, die dieses Tempo ermöglichen. Das gilt neben dem notwendigen Ausbau der Ladeinfrastruktur genauso für die mangelnde Digitalisierung und das fehlende Engagement bei den dringend notwendigen Rohstoff- und Energiepartnerschaften. 

Der Verband der Automobilindustrie wolle sich weiter dafür einsetzen, dass für eine so weitreichende Entscheidung zuerst die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden: Flottenregulierung und der Ausbau der Ladeinfrastruktur müssen zwingend zusammengedacht werden. Daher empfiehlt der VDA ein Review im Jahr 2028, in dem über die finale Zielsetzung nach 2030 entschieden wird. Der Weg für technologieoffene Lösungen sollte grundsätzlich immer offen gehalten werden. Zudem gilt: Um die Klimaziele zu erreichen, braucht es auch E-Fuels: Denn sie ermöglichen, den Fahrzeugbestand zu adressieren und entsprechend klimaneutral zu betreiben. Nur so kann das Ziel eines klimaneutralen Verkehrs erreicht werden.

Bei den E-Fuels liegt die Präsidentin freilich ziemlich falsch: Denn nachweisbar sind und bleiben Strom basierte Kraftstoffe sehr teuer und wären nur dann annähernd klimaneutral, wenn sie aus 100 % erneuerbarem Strom oder mit CO2 aus der Luft produziert werden. Nach Stand heute wird der Liter E-Fuel nicht unter 5 Euro zu haben sein, so ernsthafte wissenschaftliche Untersuchungen. Der Begriff E-Fuels umschreibt synthetische Kraftstoffe, die mithilfe von Ökostrom aus Wasser und Kohlendioxid gewonnen werden. Übergreifend wird der Prozeß als Power-to-Fuel beschrieben. Unterschieden wird zwischen gasförmingen Kraftstoffen und flüssigen Kraftstoffen – dementsprechend variieren die Begrifflichkeiten als Power-to-Gas oder Power-to-Liquid. Auch Mischformen bzw. Konkretisierungen als Power-and-Biohas-to-Liquid-Technologie sind denkbar. 

Der wesentliche Nachteil synthetischer Kraftstoffe liegt in der Effizienz. Die Herstellung von E-Fuels ist energieintensiv. Setzt man ausschließlich erneuerbare Energien ein, reicht das Potenzial in Deutschland nicht aus. Bedeutet: E-Fuels werden aller Voraussicht nach in anderen Ländern hergestellt, und dann der deutschen Tankstelleninfrastruktur zugeführt. 

Ein Dilemma besteht aber in der Frage, wo die ersten erzeugten Mengen E-Fuels eingesetzt werden können – wahrscheinlich ist der Effekt im Flugverkehr und im Schiffsverkehr größer als im Pkw-Sektor. Sämtliche Studien aus Klima- oder Energieperspektive, etwa von der Energy Transitions Commission oder von Stiftung Klimaneutralität, PIK oder IEA (Ökologische Transformation) zeigen, dass Klimaneutralität nur dann effizient erreicht werden kann, wenn alle Bereiche, die leicht elektrifiziert werden können, auch elektrifiziert werden.

Prof. Roland Dittmeyer vom Karlsruher Institut für Technologie: „Im Ergebnis dürfen wir eine Energieeffizienz von etwa 50 % erwarten. Das heißt, immerhin die Hälfte der Energie aus dem Grünstrom, den wir einsetzen, steckt am Ende in dem synthetischen Kraftstoff drin. Aber es ist richtig, beim Gesamtwirkungsgrad darf man sich nicht in die Tasche lügen. Batterieelektrisch Auto zu fahren, ist effizienter.“ Der Wissenschaftler weiter: „Wir in Deutschland könnten den Bedarf an erneuerbarer Energie für alle Sektoren ökonomisch und auch ökologisch vertretbar nicht decken. Man darf nicht vergessen: Aktuell macht Strom bei uns nur 20 % der Endenergie aus. Es wird schon schwierig genug, den in Zukunft wachsenden Stromsektor durch Erzeugungsstandorte allein in Deutschland zu bedienen. Daher werden wir grüne Energieträger in großen Mengen importieren müssen. Die Frage ist, welche das sein werden. Und an welchen Standorten in der Welt diese Energieträger produziert werden. Mehr als 100 Jahre hat Deutschland Öl, Gas, Kohle und alles mögliche andere aus Übersee bzw. Russland bezogen. In Zukunft müssen grüne Energieträger aus dem Ausland bezogen werden." Und damit gerät Deutschland von der Abhängigkeit von Erdöl und Gas in die nächste Abhängigkeit. Wir erinnern uns: Die CDU-CSU-geführten Bundesregierungen haben das Land in eine schlimme Lage gebracht. Professor Dittmeyer: "Man muss aber darauf achten, dass aus Fehlern der Vergangenheit gelernt wird. Zum Beispiel müssen alle Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Wenn die Gesellschaften auf beiden Seiten profitieren, inklusive Klimaschutz, dann ist das kein Problem.“ Quelle: EU-Parlament / VDA / Cleanthinking.de / DMM