EuGH: Airline haftet nicht für Verletzung eines Fluggasts im Hotel

Der EuGH hat entschieden, dass ein Luftfahrtunternehmen nicht für Schäden haftbar gemacht werden kann, die einem Fluggast während seines Aufenthalts in einem Hotel entstehen, das ihm wegen der Annullierung seines Fluges angeboten wurde.

Der Fall: Eine Frau aus Österreich hatte im Rahmen einer Pauschalreise einen Flug von Mallorca nach Wien gebucht, der durch die NIKI Luftfahrt GmbH durchgeführt werden sollte. Infolge der Annullierung dieses Fluges erfolgte eine Umbuchung und Verschiebung des Abflugs von Mallorca auf den Abend des nächsten Tages. Aufgrund dieser Annullierung bot NIKI Luftfahrt der Betroffenen eine unentgeltliche Unterbringung in einem örtlichen Hotel an. Während ihres Aufenthalts in dem Hotel fiel die Betroffene, die auf einen Rollstuhl angewiesen ist, und verletzte sich schwer, nachdem ihr Rollstuhl mit den Vorderrädern in einer Querrinne eines Weges hängen blieb. Die Betroffene erhob vor den österreichischen Gerichten Klage, die Insolvenzverwalterin von NIKI-Luftfahrt zur Zahlung von Schadensersatz für den ihr entstandenen Schaden zu verurteilen. Insoweit machte sie geltend, dass sich der Unfall auf dem Hotelgelände ereignet habe und die Mitarbeiter des Hotelbetreibers fahrlässig gehandelt hätten, weil sie die Querrinne im Weg weder beseitigt noch sonst abgesichert hätten.

Der österreichische Oberste Gerichtshof hat den EuGH in diesem Zusammenhang um Auslegung der EU-Fluggastrechteverordnung Nr. 261/2004 ersucht. Der Oberste Gerichtshof wollte zum einen wissen, ob die einem Luftfahrtunternehmen u.a. im Fall der Annullierung eines Fluges unter bestimmten Umständen obliegende Pflicht, den Fluggästen unentgeltlich eine Hotelunterbringung anzubieten, nicht nur bedeutet, dass es für die Fluggäste ein Hotelzimmer zu finden und dessen Kosten zu bezahlen hat, sondern auch die Unterbringungsmodalitäten als solche zu übernehmen hat. Außerdem möchte er wissen, ob ein Luftfahrtunternehmen, das einem Fluggast, dessen Flug annulliert wurde, eine Hotelunterbringung angeboten hat, auf der alleinigen Grundlage der Verordnung verpflichtet sein kann, dem Fluggast die Schäden zu ersetzen, die durch ein Fehlverhalten des Hotelpersonals entstanden sind.

Der EuGH hat dem Obersten Gerichtshof wie folgt geantwortet:
1. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass die dem Luftfahrtunternehmen nach dieser Vorschrift obliegende Pflicht, den in ihr genannten Fluggästen unentgeltlich eine Hotelunterbringung anzubieten, nicht bedeutet, dass das Luftfahrtunternehmen die Unterbringungsmodalitäten als solche zu übernehmen hat.
2. Die Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass ein Luftfahrtunternehmen, das nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung einem Fluggast, dessen Flug annulliert wurde, eine Hotelunterbringung angeboten hat, nicht auf der alleinigen Grundlage dieser Verordnung verpflichtet sein kann, dem Fluggast die Schäden zu ersetzen, die durch ein Fehlverhalten des Hotelpersonals entstanden sind.
Zu Antwort 1: Nach Auffassung des EuGH höhlt die von ihm vorgenommene Auslegung die dem Luftfahrtunternehmen obliegende Pflicht, besonders auf die Bedürfnisse von Personen mit eingeschränkter Mobilität zu achten, nicht aus. Denn auch wenn das Luftfahrtunternehmen die Modalitäten der Hotelunterbringung der Fluggäste, deren Flug annulliert wurde, nicht selbst zu übernehmen habe, so habe es ihnen doch eine angemessene Betreuung anzubieten, was bedeute, dass das Luftfahrtunternehmen das Hotel sorgfältig auszusuchen habe, nachdem es sich vergewissert habe, dass dieses Hotel imstande sei, vernünftigen Erwartungen an die Qualität und Sicherheit zu entsprechen, und es sich in Bezug auf Personen mit eingeschränkter Mobilität Gewissheit darüber verschafft habe, dass dieses Hotel so angelegt sei, dass es sie unter angemessenen Bedingungen aufnehmen könne, wobei das Luftfahrtunternehmen dieses Hotel gegebenenfalls über die eingeschränkte Mobilität der betroffenen Fluggäste vorab informiere.
Zu Antwort 2: Zudem erfordere der Ersatz individueller Schäden, die durch ein Fehlverhalten des Personals des Hotels entstanden seien, das von dem Luftfahrtunternehmen zum Zweck Unterbringung ausgewählt worden sei, notwendigerweise eine Einzelfallprüfung des Ausmaßes dieser Schäden. Dies würde aber über den Rahmen der von der Verordnung vorgesehenen standardisierten und sofortigen Maßnahmen zur Wiedergutmachung hinausgehen. Quelle: EuGH v. 03.09.2020, Az.: C-530/19