Fahren wir morgen Geschäftswagen nur noch aus China?

Gut möglich, dass Geschäftswagen in absehbarer Zukunft verstärkt aus dem Reich der Mitte kommen. Denn China und seine Automobilindustrie schicken sich an, den europäischen, ja sogar den Weltmarkt aufzumischen. Wenn chinesische Hersteller ihren Marktanteil in China bis 2030 auf 75 % erhöhen und chinesische Importe in Europa einen Marktanteil von 10 % erobern, würden die europäischen Autohersteller bis 2030 rund 24 Mrd. Euro an Wertschöpfung verlieren – inklusive der Zulieferer noch wesentlich mehr. Das besagt eine aktuelle Studie des Kreditversicherers Allianz Trade.

Egal ob VW, Audi, BMW, Mercedes & Co.: Die deutsche Autoindustrie hat ihre gesamten Technologien den Chinesen zum Nulltarif überlassen. Und die haben sich bedankt und bauen heute selbst Fahrzeuge, die dem hohen deutschen Standard entsprechen. So weit so gut oder so schlecht. Übel könnte die Sache für den Automobilstandort Deutschland ausgehen, wenn die Chinesen den europäischen Markt mit ihren Fahrzeugen überschwemmen. Ein Szenario, das Experten für sehr wahrscheinlich halten. Der Anfang ist gemacht. BYD, NIO & Co. lassen schon mal grüßen.

 China ist längst nicht mehr das „Dorado“ der europäischen und vor allem der deutschen Automobilhersteller: Sie haben in den letzten Jahren deutlich Marktanteile im weltweit größten Automobilmarkt in China verloren und Ende 2022 ihre Marktführerschaft eingebüßt – vor allem, weil sie bei der Elektromobilität von einheimischen Herstellern rechts überholt wurden. Bei neu zugelassenen Elektrofahrzeugen liegt der Anteil chinesischer Hersteller bei 80 %. Das hat neben China nun auch Folgen für den europäischen Markt, auf dem chinesische Hersteller schon in den Startlöchern stehen. 

Doch wo geht es in Zukunft hin und welche finanziellen Auswirkungen haben die schrumpfenden Marktanteile für die europäischen Hersteller? Dieser Frage geht die aktuelle Studie des weltweit führenden Kreditversicherers Allianz Trade nach und kommt zu folgendem Schluss:

„Die Elektrofahrzeuge chinesischer Hersteller erfreuen sich in China immer größerer Beliebtheit“, sagt Aurélien Duthoit, Branchenexperte bei Allianz Trade. „Sie werden bis 2030 ihre Marktanteile weiter kräftig ausbauen, zu Lasten von europäischen Autobauern und deren lokalen Tochtergesellschaften und Joint Ventures. Das sind trübe Aussichten für die europäischen und insbesondere deutschen Autobauer, die 2022 Fahrzeuge im Wert von 24 Mrd. Euro nach China exportiert haben.“ 

Energiewende: Chinesische Autobauer in den Startlöchern in Europa. Schon heute machen die lokalen Tochtergesellschaften und Joint Ventures rund 85 % des Absatzvolumens der europäischen Hersteller auf dem chinesischen Markt aus.  Aber auch sie hatten beim Umstieg auf Elektromobilität den Fuß auf der Bremse: Von den 20 meistverkauften Elektrofahrzeugen in China im Jahr 2022 wird nur eines von einem chinesisch-europäischen Joint Venture hergestellt.

„Auch in Europa dürften in China gefertigte Fahrzeuge im Zuge der europäischen Energiewende zunehmend in Fahrt kommen“, sagt Duthoit. „Bis 2035 werden batteriebetriebene Elektrofahrzeuge praktisch alle Neuwagenverkäufe in Europa ausmachen. Das wird eine teilweise Substitution von in Europa hergestellten Fahrzeugen durch in China hergestellte Fahrzeuge begünstigen – unabhängig davon, ob diese Fahrzeuge von einem chinesischen, amerikanischen oder europäischen Unternehmen hergestellt werden. Chinesische Hersteller stehen in Europa aber bereits in den Startlöchern. Noch ist der Marktanteil klein, aber er dürfte – analog zu koreanischen und japanischen Herstellern in der Vergangenheit – schnell wachsen. 

Was wäre wenn… Um mögliche finanzielle Auswirkungen für die europäischen Autobauer abzuschätzen, hat Allianz Trade in ihrer Studie ein denkbares Szenario analysiert, was passieren könnte, wenn chinesische Marken bis 2030 rund 75 % des heimischen Marktes und in China hergestellte Autos gleichzeitig rund 10 % des europäischen Markts eroberten.

„Die europäischen Automobilhersteller könnten bis 2030 mehr als 7 Mrd. Euro an jährlichen Nettogewinnen verlieren allein durch den Verlust an Marktanteilen“, sagt Duthoit. „Die deutschen Autobauer wären aufgrund ihrer Marktposition davon besonders betroffen.“ 

Wenn chinesische Hersteller ihren Marktanteil in China bis 2030 von aktuell rund 50 % auf 75 % erhöhen würden, würde der Gesamtabsatz der europäischen Automobilhersteller in China um -39 % sinken, wobei die lokale Produktion von schätzungsweise 4,4 Mio. Fahrzeugen auf 2,7 Mio. im Jahr 2030 zurückgehen würde. Hinzu kämen die Verluste, die sich aus zunehmenden Importen von Autos chinesischer Herkunft sowie einer stärkeren Marktdurchdringung dieser Fahrzeuge ergeben.

Wenn die europäischen Importe von in China hergestellten Autos im Jahr 2030 1,5 Mio. Fahrzeuge erreichen –  das entspricht einem geschätzten Marktanteil von 10 % im Jahr 2030 und 13,5 % der EU-Produktion im Jahr 2022 – würden sich die Auswirkungen auf die Wertschöpfung der europäischen Wirtschaft im Jahr 2030 auf 24,2 Mrd. Euro für den Automobilsektor belaufen, was 0,15 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) der Region im Jahr 2022 entspricht. 

Die von der Automobilindustrie abhängigen Volkswirtschaften Deutschlands (0,36 % des BIP in Gefahr, der Slowakei (0,4 % des BIP) und der Tschechischen Republik (0,41 % des BIP) könnten jedoch noch stärker betroffen sein.

Warum ist Europa und Deutschland stärker gefährdet als die USA oder China? Der europäische Automobilmarkt hat insgesamt einen wesentlich höheren Wettbewerbsdruck durch die chinesischen Konkurrenten als beispielsweise der zweitgrößte Automobilmarkt in den USA. Grund hierfür ist, dass der europäische Markt für batteriebetriebene Elektrofahrzeuge im Vergleich viel offener ist als der chinesische und der US-amerikanische. Dort sind die nationale oder regionale Montage eine Voraussetzung für den Erhalt von Kaufsubventionen und die Einfuhrzölle auf ausländische Fahrzeuge wesentlich höher. 

„Eine Anpassung der Wettbewerbsbedingungen an sowohl China als auch die USA wäre ein wichtiger Weg, um die Auswirkungen auf die Automobilbranche und damit auch die Wirtschaft abzumildern“, sagt Duthoit. „Aber auch die Stärkung der lokalen Produktion durch chinesische Hersteller könnte zu positiven Effekten führen. Wir haben das in der Vergangenheit umgekehrt in China gesehen: Wenn man sie nicht schlagen kann, ist es vielleicht eine Option, sich zusammenzutun."

Darüber hinaus könnten Investitionen in neue Batterietechniken, eine Reduzierung bei der Abhängigkeit von Rohstoffen und importierten Komponenten für elektrische Antriebe sowie der Ausbau der Ladeinfrastruktur mögliche Stellschrauben sein, um die Negativeffekte zu kompensieren.

„Der Ausbau der Ladeinfrastruktur spielt vor allem bei den Fahrzeugkosten eine Rolle“, sagt Duthoit. „Kleinere Batterien sind leichter und kostengünstiger – nur, wenn keine Ladesäulen da sind, wenn die Batterie leer ist, bleiben diese Modelle auf der Strecke und die Preisdifferenz zu chinesischen Herstellern groß.“ 

Die vollständige Studie (in englischer Sprache: https://www.allianz-trade.com/en_global/news-insights/economic-insights/china-europe-automotive-electric-vehicles.html Quelle: Allianz Trade / DMM