Fliegen wird viel teurer

Die letzten Jahre sind von großen wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Veränderungen gekennzeichnet. Gerade Unternehmen aus der Luftfahrt- und Verteidigungsbranche forschen daher an klimafreundlichen Antriebstechnologien, resilienten Geschäftsmodellen und neuen Wegen, um bahnbrechende Innovationen schneller in den Markt zu bringen. Dies alles, vor allem aber der Einsatz von SAF wird Fliegen sehr viel teurer machen. Darauf müssen sich Mobilitätsmanager, Geschäfts- und Privatreisende einstellen.

Die Luftfahrtbranche hat sich bei den Kosten für klimafreundlicheres Fliegen absolut verschätzt. Der Einsatz von SAF wir viel teurer als gedacht. Foto Lufthansa

Bekanntermaßen hat sich die Luftfahrtbranche das Ziel gesetzt, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Airlines, Flugzeughersteller und Zulieferer setzen auf eine Kombination verschiedener Maßnahmen: effizientere Flugzeuge, nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF), wasserstoffbetriebene Flugzeuge, elektrisches und hybrides Fliegen sowie verbesserte Flugrouten und -verfahren.

Aber schon jetzt ist klar: Die Luftfahrtindustrie steuert auf eine enorme Versorgungslücke bei Sustainable Aviation Fuels (SAFs) zu. Bereits 2030 könnten weltweit etwa 22 Mio. Tonnen SAF fehlen – in etwa so viel wie im gleichen Jahr produziert werden kann. Um ihren SAF-Bedarf zu decken, müsste die Branche bis 2030 etwa 100 Mrd. Euro investieren. Das geht aus der Studie „From Feedstock to Flight: How to unlock the potential of SAF“ von Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, hervor. 

Bereits 2030 könnte die Branche demnach weltweit etwa 46 Mio. Tonnen sogenanntes Sustainable Aviation Fuel (SAF) benötigen, um regulatorischen Anforderungen sowie eigenen Zielen auf dem Weg zu Net Zero gerecht zu werden. Beim aktuellen Ausbautempo der dafür notwendigen Infrastruktur und Raffinerien können 2030 nach Berechnungen der International Air Transport Association (IATA) allerdings höchstens 24 Mio. Tonnen SAF produziert werden, was einer Lücke von 22 Mio. Tonnen SAF entspricht – also fast 50 % des Bedarfs. Um diese Lücke zu schließen und ihre Klimaziele noch zu erreichen, müsste die Branche laut der Strategy&-Studie bis 2030 mindestens 100 Mrd. Euro investieren. Bis 2035 steigt der Investitionsbedarf auf 215 Mrd. Euro an, bis 2050 liegt er bei mehr als 1.000 Mrd. (1 Billion) Euro.

SAF für halbwegs klimafreundliche Luftfahrt unverzichtbar. Aktuell trägt die Luftfahrt etwa 2,5% bis 5 % zum globalen CO2-Ausstoß bei, sagen Wissenschaftler. Allerdings will die Branche bis 2050 CO2-neutral operieren. Um dieses Ziel trotz zunehmenden Flugverkehrs zu erreichen, setzen viele Airlines auf SAFs – eine Sammelbezeichnung für biologische und synthetische Kraftstoffe, mit denen auch herkömmliche Flugzeuge betankt werden können und sich 66-94 % der CO2-Emissionen einsparen lassen. Unterschieden wird dabei zwischen mehreren SAF-Typen, wobei zwei Arten in der Studie näher betrachtet wurden. HEFA-SAF (Hydrotreated Esters and Fatty Acids) wird aus Bio-Abfällen, Ölen und Lipiden gewonnen und lässt sich bereits in größeren Mengen herstellen, während PtL-SAF (Power-to-Liquid) auf Wasserstoff basiert, mehr Emissionen einspart, allerdings technisch bisher auch weniger ausgereift ist und deutlich teurer sein wird. 

Die Luftfahrt benötigt für ihre Klimaziele von beiden Typen große Mengen. Zudem greifen regulatorische Quoten: So muss etwa Treibstoff an EU-Flughäfen bereits 2030 mindestens 6% SAF enthalten. Japan schreibt für internationale Flüge bis 2030 einen SAF-Anteil von 10 % vor. Außerdem müssten laut Studie zur Erreichung des Net-Zero-Ziels 100-200 SAF-Raffinerien ihren Betrieb bis 2030 aufnehmen.

„Grünes Kerosin ist aktuell die einzige wirtschaftlich sinnvolle Technologie, um klimafreundlicheres Fliegen zu ermöglichen. Allerdings hinkt die Branche beim Ausbau der notwendigen Infrastruktur und beim Hochfahren der Produktionskapazitäten aus unterschiedlichsten Gründen hinter den eigenen Ansprüchen und regulatorischen Vorschriften her“, sagt Dr. Jan H. Wille, Co-Studienautor sowie Partner bei Strategy& Deutschland und PwC Aerospace and Defence Leader in der EMEA-Region

In fünf Schritten aus der Versorgungslücke. Um diese Hürden zu überwinden, schlägt die Studie einen fünfteiligen Aktionsplan vor, der für beide SAF-Typen gilt. Zunächst sollte die Branche die Skalierbarkeit der Raffinerien unter Beweis stellen, etwa durch erfolgreiche Pilot-Anlagen. Außerdem geht es darum, die Versorgung mit den für die SAF-Herstellung benötigten Grundstoffen sicherzustellen. Bei HEFA-SAF betrifft das vor allem Bio-Abfälle, bei PtL-SAF große Mengen günstiger erneuerbarer Energie sowie CO2. Drittens können auf dieser Basis finanzielle Risiken minimiert werden, etwa durch Subventionen oder Kooperationsmodelle. Internationale Standards, klare regulatorische Vorschriften und eine global anerkannte SAF-Zertifizierung sind weitere wichtige Schritte. Zuletzt muss die Branche die Öffentlichkeit von den Vorteilen der Technologie überzeugen.

„Die Luftfahrt steht derzeit vor einer ähnlich tiefgreifenden Transformation wie die Automobilbranche. In den kommenden Jahrzehnten werden sich auch hier vollkommen neue Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle mit enormen Wachstumschancen entwickeln. Das fängt beim Sammeln und Aufbereiten der Bio-Abfälle an, geht über die Herstellung der Raffinerie-Ausrüstung bis hin zu SAF-Händlern“, sagt Dirk Niemeier, Co-Studienautor und Director bei Strategy& Deutschland. „Für Anbieter, die jetzt in den Markt einsteigen, bieten sich große Chancen: Angesichts der SAF-Versorgungslücke, der aufkommenden Quoten und des damit wachsenden Bedarfs wird sich der Markt voraussichtlich weiterhin als ein Verkäufermarkt entwickeln, der den Produzenten hohe Margen ermöglichen kann. Damit sich dieses neue SAF-Ökosystem entwickeln kann, braucht es allerdings eine schnelle und konzertierte Kraftanstrengung aller Stakeholder, die angetrieben wird von einer gemeinsamen Vision sowie einer Prise Pragmatismus. Dazu gehört auch, mögliche negative Effekte, wie etwa die missbräuchliche Nutzung von Nahrungsmitteln zur Herstellung von Bio-Abfällen für die SAF-Produktion, offen anzusprechen und möglichst frühzeitig zu unterbinden.“ 

Insbesondere in einem Aspekt hat sich die Luftfahrtbranche böse verschätzt: den Kosten des künftigen klimafreundlicheren Treibstoffs SAF. Vertreter von Airlines for Europe (A4E), dem Flughafenverband ACI Europe, ASD – dem Verband der europäischen Luft- und Raumfahrt-, Sicherheits- und Rüstungsindustrie – sowie Canso, dem Branchenverband der Flugsicherungsorganisationen, haben eine aktualisierte Version ihres Netto-Null-Plans aus dem Jahr 2021 vorgestellt. Sie bekräftigen, dass das Ziel erreichbar sei – allerdings zu einem deutlich höheren Preis als ursprünglich angenommen. Die erwarteten Mehrkosten belaufen sich laut ihrer Prognose auf 480 Mrd. Euro. PwC spricht sogar von 1 Billion Euro. Hauptgrund für die Mehrkosten sind die steigenden Kosten für die Umstellung auf nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF). Das Problem ist die geringe Verfügbarkeit und der damit verbundene enorm hohe Preis. Vorteil von SAF ist, dass der Treibstoff in aktuellen Flugzeugtriebwerken verwendet werden kann.

Anders sieht es bei wasserstoffangetriebenen Flugzeugen aus. Diese Technik setzt die Entwicklung neuer Antriebe beziehungsweise ganz neuer Flugzeuge voraus. Und an dieser Stelle ist die Entwicklung langsamer, als von den Verbänden in ihrer Prognose von 2021 angenommen wurde. In ihrer ersten Prognose gingen die Branchenverbände noch davon aus, dass Wasserstoffantriebe 2050 rund 20 Prozent des Luftverkehrs ausmachen würden. In der aktualisierten Prognose wird dieser Anteil jedoch nur noch auf sechs Prozent geschätzt.

Die Verzögerung liegt am geringeren Marktanteil wasserstoffbetriebener Flugzeuge und der späteren Einführung entsprechender Single-Aisle-Modelle. Airbus plant ein solches Flugzeug bis 2035, betont jedoch, dass Infrastrukturherausforderungen, insbesondere die Verfügbarkeit von erneuerbarem Wasserstoff, «langsamer als erwartet» verlaufen.

„Wasserstoffbetriebene Flugzeuge sind fast von der Landkarte verschwunden“, sagte Carlos López de la Osa, Luftfahrtmanager beim europäischen Verband Transport & Environment (T&E), der Financial Times. Er fordert, dass Europa den Markt für emissionsfreie Flugzeuge zurückgewinnt – durch gezielte politische Maßnahmen und den Druck auf Hersteller, ihre Versprechen einzuhalten.
„Die Kosten für die Umstellung auf den Netto-Nulltarif sind in die Höhe geschnellt. Wir als Luftfahrtindustrie können das einfach nicht alleine schaffen», sagte Olivier Jankovec, Verbandsdirektor Olivier Jankovec von ACI Europe und fordert Unterstützung von der Politik, sprich, die Steuerzahler sollen bluten..

Die EU-Kommission muss ihre Anstrengungen verstärken, um die Bemühungen der Luftfahrtindustrie gezielt zu unterstützen, fordert Europas Flughafenverband. Dazu gehört, dass die Produktionskosten für SAF deutlich sinken müssen, was faktisch aber unmöglich sein wird, so Fachleute. Gleichzeitig sollen der Clean Industrial Deal und der Sustainable Transport Investment Plan (STIP) die strategische Bedeutung der Luftfahrt in Europa widerspiegeln.

Zudem ist eine verstärkte Förderung von Forschung und Innovation notwendig – etwa durch Programme wie Clean Aviation, die neue Flugzeugtechnologien vorantreiben, oder SESAR, das Effizienzsteigerungen im Flugverkehrsmanagement ermöglicht. Quelle: PwC / T&E / DMM