Flug wegen Krankheit storniert, bezahlt werden muss er trotzdem

Bis zum Bundesgerichtshof entwickelte sich ein Streitfall zwischen der Lufthansa und zwei Passagieren. Die hatten im November 2014 für den 22./23. Mai 2015 Flüge von Hamburg nach Frankfurt/M. mit Anschlussflug nach Miami und von Los Angeles über Frankfurt/M. nach Hamburg zum Gesamtpreis von 2.766,32 € gebucht. Dann stornierten sie am 20. März 2015 die Flüge wegen einer Erkrankung und verlangten die Erstattung des Flugpreises.

Die beklagte Lufthansa erstattete den verhinderten Fluggästen lediglich ersparte Steuern und Gebühren in Höhe von jeweils 133,56 €. Daraufhin klagten die beiden. Sie forderten von der Airline die Rückzahlung der verbleibenden Differenz in Höhe von jeweils 1.249,60 € und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.  

Der damaligen Buchung lagen für die innerdeutschen Teilstrecken die Buchungsklasse Economy (Y) und für die interkontinentalen Teilstrecken die Klasse Premium Economy (N) zugrunde, für die die Bedingungen der Lufthansa folgende Regelung vorsahen: "Die Stornierung der Tickets ist nicht möglich. Die nicht verbrauchten Steuern und Gebühren sind erstattbar. Der internationale/nationale Zuschlag ist nicht erstattbar."   Mit ihrer Klage hatten die Passagiere beim Amtsgericht Köln (AG Köln – Urteil vom 7. Januar 2016 – 129 C 181/15) kein Glück. Sie wurde abgewiesen. Genauso lief es auch in der nächsten Instanz vor dem Landgericht Köln (LG Köln – Urteil vom 7. Februar 2017 – 11 S 15/16). Letztlich landete der Fall vor dem Bundesgerichtshof. Und auch der entschied gegen die LH-Passagiere.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Die Revision ist nach dem Urteil des für das Reiserecht zuständigen X. Zivilsenats unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht ein Kündigungsrecht der Kläger verneint. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind für auf den (Luft-)Personenbeförderungsvertrag die Vorschriften des Werkvertragsrechts anwendbar. Der Fluggast kann daher nach § 649 BGB den Beförderungsvertrag jederzeit kündigen. Die Anwendung dieser Vorschrift ist jedoch durch die Beförderungsbedingungen der Beklagten im Streitfall wirksam abbedungen worden. Der Ausschluss des Kündigungsrechts (der "Stornierung") benachteiligt die Fluggäste nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Er ist insbesondere nicht mit wesentlichen Grundgedanken des Werkvertragsrechts unvereinbar.

Das Kündigungsrecht nach § 649 BGB ist für das gesetzliche Leitbild eines Vertrages über die Beförderung mit einem Massenverkehrsmittel nicht maßgeblich. Die Kündigung des Werkvertrags durch den Besteller hat zur Folge, dass die Leistungspflicht des Werkunternehmers entfällt. Er soll jedoch nicht schlechter stehen, als er bei Vertragserfüllung stünde und behält somit seinen Vergütungsanspruch, muss sich jedoch ersparte Aufwendungen und die Vergütung für eine anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft anrechnen lassen. Über bestimmte Gebühren hinausgehende ersparte Aufwendungen ergeben sich bei einem Luftbeförderungsvertrag jedoch allenfalls in geringfügigem Umfang, da die Aufwendungen des Luftverkehrsunternehmens im Wesentlichen Fixkosten sind, die für die Durchführung des Fluges insgesamt anfallen und sich praktisch nicht verringern, wenn ein einzelner Fluggast an dem Flug nicht teilnimmt. Eine "anderweitige Verwendung der Arbeitskraft" des Luftverkehrsunternehmens kommt nur dann in Betracht, wenn der Flug bei seiner Durchführung ausgebucht ist und daher ohne die Kündigung ein zahlender Fluggast hätte zurückgewiesen werden müssen.

Die Ermittlung, ob sich hieraus im Einzelfall ein auf den Beförderungspreis anrechenbarer anderweitiger Erwerb ergibt, wäre jedoch typischerweise aufwändig und insbesondere dann mit Schwierigkeiten verbunden, wenn die Anzahl von Fluggästen, die gekündigt haben, größer wäre als die Anzahl der Fluggäste, die ohne die Kündigungen nicht hätten befördert werden können. Aus der Sicht des einzelnen Fluggastes, der von einem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hätte, hinge es zudem vom Zufall ab, ob ihm ein Erstattungsanspruch zustände oder er trotz Kündigung (nahezu) den vollständigen Flugpreis zu zahlen hätte.

Will er nicht den höheren Preis zahlen, zu dem typischerweise eine flexible Buchung erhältlich ist, mit der er in jedem Fall eine Erstattung des Flugpreises erreichen kann, kann er für den Krankheitsfall, wie er im Streitfall vorlag, eine solche Erstattung durch eine Versicherung absichern. Unter Berücksichtigung dieser Umstände stellen der Ausschluss des Kündigungsrechts und die damit verbundene vereinfachte Vertragsabwicklung bei der Beförderung mit einem Massenverkehrsmittel keine unangemessene Benachteiligung des Fluggastes dar.

Stellungnahme des VDR: "Der VDR bedauert Urteil des Bundesgerichtshofs zu Erstattung von Flugstornokosten /Carnier: „Werden die Urteilsbegründung prüfen – Stornierungsfrist wäre wünschenswert gewesen“. Fluggesellschaften müssen ihren Kunden den gezahlten Flugpreis im Falle einer Stornierung nicht erstatten. In seinem gestrigen Urteil entschied der Bundesgerichtshof (BGH) damit in letzter Instanz gegen zwei Airline-Kunden, die ihre Flüge von Hamburg in die USA wegen Krankheit rund zwei Monate vor dem Flugtermin im Jahr 2015 abgesagt hatten - erstattet bekamen sie daraufhin lediglich einen kleinen Betrag für nicht verbrauchte Steuern. Für den VDR ist das Urteil des BGH insofern überraschend, als dass vorinstanzliche Gerichte bislang anderslautend entschieden hatten. „Sobald uns die Urteilsbegründung vorliegt, werden wir Auswirkungen der Entscheidung auf die Unternehmen eingehend prüfen.

Aus Sicht des VDR wäre es wünschenswert gewesen, dem Kunden eine gewisse Stornierungsfrist einzuräumen, innerhalb derer es den Fluggesellschaften möglich sein sollte, den Sitz weiterzuverkaufen“, kommentierte VDR-Präsidiumsmitglied Christoph Carnier das Votum der Karlsruher Richter. „Wichtig ist, dass die Airlines weiterhin verpflichtet sind, mindestens die Steuern und Gebühren einschließlich des Kerosinzuschlags zurückzuzahlen, weil sie diese Abgaben erst abführen müssen, wenn der Passagier den Flug angetreten hat.“ Der BGH begründete das Urteil damit, dass der Ausschluss des Kündigungsrechts die Fluggäste nicht unangemessen entgegen der Gebote von Treu und Glauben benachteilige. Der VDR hatte sich im Sinne der Flexibilität von Geschäftsreisenden für ein kundenfreundlicheres Vorgehen der Airlines eingesetzt." BGH, Urteil vom 20. März 2018 – X ZR 25/17 / DMM