Folgen des Klimawandels überall zu spüren

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den „Tausenden von Menschen“ im Land gedankt, dass das Wissen um Umwelt und Umweltschutz „in der Mitte der Gesellschaft tatsächlich angekommen“ sei. Bei der Verleihung des Deutschen Umweltpreises der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) am Sonntag, 28. Oktober 2018 in Erfurt betonte er, Umwelt- und Klimaschutz gingen jeden Einzelnen etwas an „und jeder Einzelne kann hier etwas tun“.

Gelingen könne eine große Aufgabe wie diese aber nur, „wenn wir Umwelt und Klimaschutz im globalen Kontext sehen. Die Umwelt endet nicht an Landesgrenzen, und auch ihr Schutz endet nicht dort. Die Folgen des Klimawandels sind längst auf der ganzen Welt spürbar, und sie sind existenziell.“ – Aus den Händen Steinmeiers erhielten die Meeresbiologin Prof. Dr. Antje Boetius (Bremerhaven) und ein interdisziplinäres Abwasser-Expertenteam aus Leipzig um Prof. Dr. Roland A. Müller, Dr. Manfred van Afferden, Dr. Mi-Yong Lee und Dipl.-Ing. Wolf-Michael Hirschfeld den höchstdotierten, unabhängigen Umweltpreis Europas.

Vor rund 1.200 Festgästen nannte es Steinmeier „fatal, wenn sich einer der größten Treibhausgasemittenten der Welt zurückzieht und die multilaterale Zusammenarbeit sogar insgesamt in Frage stellt“. Auch wenn der Weg zu globalen Lösungen nicht einfach sei und es dabei immer wieder weitere Rückschläge gebe, müssten „alle staatlichen und nicht-staatlichen Ebenen für den Klimaschutz zu einer größeren und funktionierenden Allianz zusammenfinden“. Das Staatsoberhaupt: „Wir können und wir werden auch weiterhin Fortschritte machen, wenn wir mit all denen zusammenarbeiten, die weiterhin an multilaterale Lösungen glauben.

Die Klimawandel-Folgen seien nicht errechnet oder würden in eine ferne Zukunft prognostiziert. Vielmehr seien sie mit eigenen Augen auch bei uns jetzt schon zu sehen: Gletscherschmelze, häufigere Sturmschäden oder Veränderungen der Vegetationsgrenzen seien spürbare Zeichen – und immerhin seien ja in diesem Jahrhundertsommer die Themen Trockenheit und Wasser „auch an den Abendbrottischen der Deutschen“ angekommen. Wir müssten gemeinsam und schnell handeln, mahnte Steinmeier an: „Und natürlich muss Deutschland den internationalen Verpflichtungen, die wir eingegangen sind, auch tatsächlich nachkommen.“ Die Auseinandersetzungen um Klima und Umweltschutz – Stichwort Hambacher Forst – würden zunehmend unerbittlich. Aber um die zahlreichen und dringlichen Aufgaben gemeinsam zu lösen, müssten alle gesellschaftlichen Akteure einbezogen werden, um einen Ausgleich ökologischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher Interessen immer wieder hinzubekommen. Ermutigend sei, dass mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung auf internationaler Ebene ein gewaltiger Fortschritt erzielt worden sei. Der Weltgemeinschaft könne es gelingen, sich auf gemeinsame Ziele zu einigen – auch beim Klimaschutz. Das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 sei zwar wie alle multilateralen Abkommen nicht perfekt, aber es sei die Grundlage für alle weitere Zusammenarbeit – „und das muss es auch bleiben“.

„Klimawandel und Wassermangel treiben immer mehr Menschen zur Flucht“. Auch der Schutz des Wassers sei von zentraler Bedeutung, sei es doch Lebenselixier, Lebensmittel und Lebensfreude. In vielen Teilen der Welt, in denen mehr als 2 Mrd. Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser hätten, seien Menschen im täglichen Überlebenskampf. Steinmeier: „Regionen, in denen der wenige Regen ganz ausbleibt, werden immer zahlreicher. Klimawandel und Wassermangel treiben immer mehr Menschen zur Flucht.“ Deshalb sei er sich nicht sicher, ob die Nachricht über die Befahrbarkeit der Nordwestpassage wirklich eine gute Nachricht sei – beschreibe sie doch zugleich, dass Klimaveränderungen gewaltigen Ausmaßes die Bedingungen im Polarmeer entscheidend verändern würden. Und schwinde das Polareis, würden nicht nur die Wasserpegel steigen, seien nicht nur viele Küstenregionen, gar ganze Inselstaaten in ihrer Existenz bedroht, sondern – weitaus dramatischer noch – gerate mit dem Abschmelzen des Polareises die Balance des Weltklimas endgültig aus den Fugen.

Deshalb freue er sich umso mehr, den Deutschen Umweltpreis Wissenschaftlern zu überreichen, die sich mit dem Schutz des Wassers und der Meere beschäftigen. Prof. Boetius etwa lasse keinen Zweifel daran, wie weit der Klimawandel schon vorangeschritten sei und an der Dringlichkeit des Handelns.

Boetius: Meereisrückgang, Klimawandel, Umweltgifte und Plastikmüll „dramatisch“. Die Preisträger selbst machten in Filmen, die während des Festaktes eingespielt wurden, und im Gespräch mit Moderatorin Judith Rakers ihre Positionen noch einmal deutlich. Antje Boetius sagte, die Tiefsee sei der größte belebte Raum der Erde, von dem aber erst weniger als der Bruchteil eines Prozentes überhaupt erforscht sei. Sie unterstrich die Bedeutung der Mikroorganismen im Meeresboden, die verhinderten, dass das klimaschädigende Treibhausgas Methan in die Atmosphäre gelange. Boetius: „Sonst wären wir praktisch auf einem anderen Planeten.“ Mit Blick auf den weltweiten Ausstoß des ebenfalls klimaschädigenden Kohlendioxids (CO2) mahnte Boetius, rasch zu handeln: „Während wir noch drüber nachdenken, wie wir uns verhalten, ob es wirklich sein muss, dass wir CO2 einsparen, wird schon alles anders.“ Als „dramatisch“, als „das Schreckliche“ bezeichnete Boetius, dass neben dem schnellen Meereisrückgang und dem schnellen Klimawandel am Meeresboden wie an der Meeresoberfläche auch Umweltgifte und Plastikmüll landeten – und zwar „nicht wenig“. Für sie gehe es „um alles, jetzt“. Es gehe darum, das Wissen aus den Beobachtungen in der Tiefsee und den Klima- und Erdmodellen „direkt in die Gesellschaft zu bringen, um auszuhandeln, wie wir uns für die Zukunft aufstellen müssen“. Quelle dbu / DMM