GBT-Zukunftstag 2019, eine digitale Standortbestimmung

Die Digitalisierung eröffnet der Gesellschaft wie auch der Geschäftsreisebranche viele neue Möglichkeiten – braucht aber auf verschiedene Weise Zähmung und Regulierung. So lassen sich die Diskussionen des 7. GBT-Zukunftstags zusammenfassen. Sie gipfelten in der Idee, die Zertifizierung künstlicher Intelligenz zum Gegenstand der Corporate Social Responsibility zu machen.

Voll ausgebucht war der Zukunftstag 2019, zu dem American Express Global Business Travel Kunden, Partner und mögliche Kunden eingeladen hatte. Es ging um das immer wieder neue Thema Digitalisierung. Teilnehmer aus Forschung, Wirtschaft und Reisebranche auf der Bühne hatten einiges an kritischen Worten parat.

Die gigantische Ausdehnung des öffentlichen Raums durch die Digitalisierung verändert alles, so Prof. Dr. Bernhard Pörksen, Medienwissenschaftler an der Universität Tübingen. In seinem Impulsvortrag legte er dar, dass die Digitalisierung praktisch jeden in die Lage versetzt, als Enthüller aufzutreten und die Enthüllung mit hoher Geschwindigkeit zu verbreiten. Neue, online entstehende Gemeinschaften zum Beispiel über Chatgruppen tragen dazu bei. Das Ergebnis der Digitalisierung ist unter anderem eine „neue Sichtbarkeit der Unterschiede“ zwischen den Menschen, die Pörksen mit dem Stichwort „Air Rage“ zusammenfasste: Neid auf andere, wie er unter Passagieren entsteht, die auf dem Weg in die Economy Class durch die First und die Business Class gehen.

Pörksen leitete daraus einen „noch nicht entzifferten Bildungsauftrag der Bewusstseinsbildung“ ab: Die Menschen müssten das Bewusstsein entwickeln, dass sie ständig auf einer Bühne stehen, Unternehmen müssten sich bewusst werden, dass sie Phänomene wie den „Air Rage“ kompensieren müssen, die Gesellschaft schließlich brauche das Bewusstsein, in einer Phase der Transformation zu leben. Auf eine griffige Formel brachte es Dr. med. habil. Volker Busch, Privatdozent an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitär Regensburg: „Im Umgang mit der Digitalisierung sind wir alle noch in der Pubertät.“

Künstliche Intelligenz gibt es nicht. Gleichzeitig lässt sich nichts auf die Maschinen schieben. Prof. Dr. Markus Gabriel, Inhaber des Lehrstuhls für Erkenntnistheorie, Philosophie der Neuzeit und Gegenwart an der Universität Bonn, sagte, trotz des Namens seien Systeme der Künstlichen Intelligenz (KI) keine Intelligenz: Denn Smartphones selbst haben keine Probleme, sagte er, sondern die Besitzer. „Nichts, was keine Probleme hat, kann Träger von Intelligenz sein.“ Daher seien Menschen für die Programme und die Folgen der Digitalisierung verantwortlich.

Die Diskussionsrunde nannte einige Beispiele für unerwünschte oder problematische Folgen KI-gesteuerter digitaler Services. Individualisierte Angebote im richtigen Moment etwa könnten Gold wert sein, dürften den Nutzern aber nicht auf die Nerven fallen, sagte Monika Wiederhold, Executive Vice President Airlines Central and Eastern Europe von Amadeus – nämlich dadurch, dass sie nicht relevant sind, im falschen Kontext oder zur falschen Zeit kommen. Sie nannte als Beispiel die Ausspielung Dutzender Angebote für Bali-Reisen, nachdem längst gebucht wurde.

Beispiel 2: „Nicht alles, was digitale Auswertungen zum Vorschein bringen, wollen Travel Manager tatsächlich sehen“, sagte Marcus Hohmann, Director Finance & Administration bei McKinsey & Company. „Es erfordert Fingerspitzengefühl, welche Auswertungen und Kontrollen für die jeweilige Situation angemessen sind.“
Beispiel 3: Bernhard Pörksen attestierte der digitalen Welt „ein Übermaß an behaupteter Wertschätzung“. Kunden aber erkennen Heuchelei sehr schnell, sagte er. Es gehe daher darum, implizite echte Wertschätzung stark zu machen.

Markus Gabriel stieß daher mit seinem Projekt einer Zertifizierungsstelle für Künstliche Intelligenz, die rechtliche und ethische Auswirkungen prüft, auf die Zustimmung der Diskussionsrunde. Monika Wiederhold sieht solche Zertifizierungen als möglichen Teil eines CSR-Index (Corporate Social Responsibility), um unethisches Verhalten von Algorithmen zu verhindern. Sie warb außerdem für mehr digitale Bildung bereits in der Schule, die vermittelt, was hinter den Bildschirmen passiert. Volker Busch riet zudem, jeder solle für sich festlegen, welche digitalen Dienste und Daten wirklich gebraucht werden – es bringe nichts, 48 Wochen im Jahr das volle digitale Programm zu fahren und dann zu hoffen, vier Wochen „Digital Detox“ brächten die Jahresbilanz in die Balance. „Wir sind aus der Geschichte stete Steigerungen gewohnt“, fügte Busch hinzu. „Jetzt müssen wir zum ersten Mal etwas reduzieren. Das ist die Emanzipation.“

TMCs in der Pflicht. Die Travel Management Companies in der Pflicht sieht Marcus Hohmann: „Unternehmen erhalten ständig Vorschläge für Digitales“, sagte er. „Wir erwarten von den TMCs, dass sie uns dazu beraten.“

Die Unternehmensberater Ludger Bals (Innovative Business Concepts) und Jens Vongehr (The Travel Consulting Group) stellten einen „Corporate Health Check“ vor, mit dem Unternehmen prüfen können, ob sie für digitale Geschäftsreiseprozesse bereit sind. Denn End-to-End-Prozesse betreffen oft eine große Zahl von Abteilungen und gestalten sich dadurch komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.

Rainer Görg, Director Technology Delivery EMEA bei GBT, und ich demonstrierten unter anderem, wie die Online-Buchungsplattform KDS Neo mit der „Door-to-Door“-Reisesuche mehrere Rechercheschritte in einem erledigt.

Und Stephen Brook, Manager Distribution Strategy EMEA bei GBT, betonte gemeinsam mit Stefan Betz (Amadeus IT Group) und Thorsten Lettnin (United Airlines), dass der neue Datenstandard NDC für Flugprodukte nur dann einen Mehrwert für Kunden bringen wird, wenn Airlines, Online-Tools, GDS und TMCs eng zusammenarbeiten, um bestehende Service- und Content-Standards zu wahren. „Der Anschluss über die NDC-Programme der GDS ist der beste Weg, den Kundennutzen zu maximieren und die vorhandenen Service-Möglichkeiten beizubehalten“, sagte Brook .

Fazit von Florian Storp, Vice President Central Europe bei GBT: Die Digitalisierung hat unverändert gerade erst angefangen – das hat der Zukunftstag 2019 eindrucksvoll gezeigt. Wir nehmen als Botschaft mit, dass Digitalisierung die Ethik nicht aus den Augen verlieren und niemanden überfordern darf. Das sehen wir als Auftrag, mit unseren digitalen Produkten die neue Komplexität der Welt für unsere Kunden zu reduzieren, durch Vergleichbarkeit und Transparenz zur Fairness beizutragen und die Wertschätzung gegenüber unseren Kunden durch echten Service zum Ausdruck zu bringen. Quelle: GBT / DMM