Aus diesem Grund haben die GDL-Interessenvertreter im Gesamtbetriebsrat der DB Fernverkehr AG, aber auch Interessenvertreter im Bereich DB Cargo und Sprecher der Fachtarifkommission Zugpersonal sich jeweils an die Vorstände gewendet und zeigen akuten Handlungsbedarf an. Denn es ist nicht das Management, das sich den fatalen Auswirkungen des eigenen Versagens zu stellen hat, sondern diejenigen, die bis dato jeden Tag versuchen, die Eisenbahn am Laufen zu halten – nämlich die Eisenbahner an der Basis.
Offener Brief an den Vorstand der DB Fernverkehr AG:
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Namen der GDL-Betriebsräte im Gesamtbetriebsrat der DB Fernverkehr AG haben wir uns – aufgrund der aktuellen Entwicklungen und Ihres Handelns als Vorstand unseres Unternehmens – entschlossen, dieses Schreiben an Sie zu richten. Wir sehen es als dringend geboten an, Stellung zu unterschiedlichen Themen zu nehmen, beispielsweise zu den angedachten Zugbesetzungen (Stammteam und Gastronomischer Service IC 2), den Projekten und Gedanken zur Verkehrsleitungslandschaft und letzten Endes zur Ausgabensteuerung in Form des befristeten Einstellungsstopps.
Wie Ihnen bestimmt nicht entgangen ist, berichten die Medien derzeit verstärkt über die desolaten Zustände bei der Deutschen Bahn. Schwerpunkt der Berichterstattung ist nicht der Zustand der DB InfraGO AG, über den man sicherlich ebenso ausführlich diskutieren könnte, sondern die Arbeitsbedingungen und die Ausblicke auf die Berufe des direkten Bereichs, die von Ihnen derzeit wieder einmal massiv abgewertet und unattraktiv gemacht werden.
Mit diesen Zeilen fordern wir Sie zu einem Nach- und Umdenken und – daraus resultierend – zu sofortigem Handeln auf.
Themenkreis Zugbesetzung: Am 31. Juli 2024 waren die Vorlagen „Stammteam“ und „Gastronomischer Service IC 2“ Gegenstand des Monatsgesprächs bzw. der GBR-Sitzung. Von beiden Maßnahmen versprechen Sie sich als Arbeitgeber offensichtlich eine Einsparung durch eklatante Arbeitsverdichtung der nach dieser Maßnahme noch verbleibenden Eisenbahner auf diesem Produkt. Vor Maßnahmen dieser Zielsetzung haben wir bereits des Öfteren gewarnt und mit unseren Einschätzungen in der Regel leider recht behalten. Beispielsweise sei hier unser offener Brief aus dem September 2021 zum Besetzungskonzept während der Pandemie genannt. Dieser könnte auch heute noch als Blaupause für diesen Sachverhalt verwendet werden. Darin prangerten wir schon seinerzeit berechtigterweise die relevanten Themenfelder, wie Überforderung und Überlastung der Mitarbeiter, Gesundheitszustand bei den Kollegen, Maßnahmen der Arbeitsverdichtung und zusätzliche Belastungen der Mitarbeiter, steigende Zahlen von Übergriffen sowie laufende und anstehende Personalengpässe an – leider wieder einmal ohne Erfolg.
Ehrlicherweise hofften wir, dass auf der Arbeitgeberseite ein Lernen aus Fehlern einsetzt. Bedauerlicherweise ist dies offenkundig nicht geschehen… Mit Blick auf die Belastung der Mitarbeiter in den Verkehrsleitungen halten wir es für gefährlich, in der derzeit herrschenden betrieblichen Lage eine weitere Arbeitsverdichtung umzusetzen und die Motivation und den Gesundheitsstand der Kolleginnen und Kollegen noch weiter zu verschlechtern.
Nur der guten Ordnung und Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Zahlungsmoral des DB-Konzerns allen Beteiligten dabei – vorsichtig ausgedrückt – keine Hilfe ist. Taxiunternehmen oder Hotels nehmen keine Gutscheine oder Kostenübernahmen mehr an, was wiederum zu einer noch weiter ansteigenden Arbeitsbelastung bei den Beteiligten führt….
Mit den angedachten Einsparungen in den Leitstellen, insbesondere im personellen Bereich, wird die Betriebsqualität noch weiter sinken als ohnehin schon. Dann wären Pünktlichkeitsquoten unter 50 % als durchaus realistisch anzusehen, wodurch sich das Betriebsergebnis weiter massiv verschlechtern würde.
Themenkreis Einstellungsstopp: Wir haben grundsätzlich verstanden und stimmen zu, dass eine maßlose Einstellungsorgie in ALLEN Bereichen – insbesondere mit Blick auf den Anteil der „Führungskräfte“ – wirtschaftich nicht tragbar und in der aktuellen Situation der DB Fernverkehr AG der falsche Weg ist. Was allerdings aus den Vorgaben des Vorstands daraus in der Fläche erwächst, ist mindestens genauso schlimm, wenn nicht sogar noch schlimmer! Ein Stopp für die in der Produktion so dringend benötigten Funktionen wie in der Disposition und der für das Serviceversprechen notwendigen Restaurantleiter (IKVl) sorgt nicht nur für schlechtere Betriebsstabilität und unzufriedene Gäste, sondern eben auch dazu, dass die beteiligten Kolleginnen und Kollegen weiter in der Überlastung arbeiten müssen. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass dadurch das Risiko der krankheits- und belastungsbedingten Ausfallzeiten noch weiter steigt.
Auch sehen wir den Einstellungsstopp im Bereich DB Lounge sehr kritisch. Denn mit der DB Lounge werben wir ja auch für unser Unternehmen, und es hinterlässt keinen guten Eindruck, wenn die Fahrgäste aufgrund von Personalmangel am Ende noch vor verschlossenen Türen stehen. Im gleichen Atemzug und aus demselben Grund schließen wir auch die DB Information früher. Doch wohin sollen wir unsere Reisenden dann noch verweisen? Letztlich sind es wieder die Kolleginnen und Kollegen in den Zügen, die die Kohlen aus dem Feuer holen müssen und somit zu ihrem Leidwesen wieder einmal zum „Fußabtreter“ der Reisenden werden. Denn Fakt ist: Mit einer 1/1 Besetzung auf den Zügen ist es nicht möglich, den gesamten Service dieser beiden Bereiche abzuleisten..
Themenkreis Reinigungszustand der Züge: Darüber hinaus ist eine akute Verschlechterung des Reinigungszustandes der Züge der DB Fernverkehr AG während der Fahrten, aber überdies auch immer öfter schon bei der Bereitstellung festzustellen. Es geht hier nicht nur um volle Abfallbehälter, sondern um schmutzige Fußböden, verschmierte Scheiben, klebrige und vollgekrümelte Sitze und unzumutbar verschmutzte Toiletten. Das ergibt für unsere Fahrgäste ein Bild, das schon sinnbildlich für die gesamte Situation des DB-Konzerns sein dürfte. Bezogen auf die Kolleginnen und Kollegen, die in einem solchen Umfeld und den darüber hinaus bekannten Missständen so gut wie möglich versuchen zu arbeiten, wird hier aber auch der Gesundheitsschutz berührt.
Neben der Frage nach zumutbaren Arbeitsbedingungen stellt sich überdies die Frage der Außendarstellung der DB hinsichtlich der Thematik Gastgeber. Als herausragendes Beispiel möchten wir die Linien 17/87 aufführen, wo zusätzlich zur täglichen Überbelegung der KISS aufgrund der ausbleibenden Reinigung nur noch von Ekelzuständen gesprochen werden kann. Den Toiletten entströmt ein unsäglicher Geruch und es klebt alles – es ist unfassbar, dies so wahrnehmen und ertragen zu müssen.
Wir fordern hierzu einen sofortigen Maßnahmenkatalog, da diese Zustände unzumutbar sind…
Sollte man ein Fazit zu den in diesem offenen Brief bereits genannten Themen nennen, so würde dies folgendermaßen lauten: Die Kolleginnen und Kollegen sind an der Grenze ihres Verständnisses, ihrer Motivation und dem Glauben an die immergleichen “Es wird besser-Vertröstungsparolen“ angekommen. Kurzum: Die über viele Jahre gestiegene Belastungsgrenze ist jetzt überschritten. Anders lässt sich die Stimmung der Mitarbeiter nicht mehr deuten. Der ohnehin gewagte Slogan „Bester Arbeitgeber” hat massiv an Glanz verloren.
Sie als Vorstand haben die Möglichkeit, eine Kehrtwende einzuleiten und endlich Ihre Mitarbeitervertreter anzuhören. Denn genau für diesen unverzichtbaren Dialog wurden diese von den Mitarbeitern gewählt: Um für sie zu sprechen. Bitte nutzen Sie die Möglichkeit zu einer offenen und ehrlichen Diskussion, um unsere Bahn endlich wieder zu einem Produkt zu machen, auf das die Mitarbeiter von jeher stolz waren und für das sie stets mit hohem Engagement und echter Leidenschaft Quelle: GDL / DMM