Gericht sprach Boeing-Chefpilot von der Schuld an den Abstürzen der B 737 MAX frei

Der ehemalige technische Chefpilot von Boeing, Mark Forkner (51) wurde am Mittwoch vom Bundesbezirksgericht in Fort Worth (Texas) vom Vorwurf freigesprochen, die US-Luftfahrtbehörde (Federal Aviation Administration, FAA) über das wichtige Flugsteuerungssystem MCAS getäuscht zu haben, das bei zwei tödlichen Abstürzen von 737-Max-Jets eine entscheidende Rolle gespielt hatte (DMM berichtete).

Eine Jury im Bundesbezirksgericht in Fort Worth beriet weniger als zwei Stunden, bevor sie Mark Forkner in vier Fällen des Betrugs für nicht schuldig befand. Die Staatsanwälte hatten Forkner beschuldigt, er habe der US-Flugaufsichtsbehörde FAA "falsche, ungenaue und unvollständige Informationen über einen neuen Teil des Flugstabilisierungssystems MCAS, der Boeing 737 MAX" geliefert. U.a. soll der technische Chefpilot die Federal Aviation Administration über die Anzahl an Trainingspiloten irregeführt haben, die in Simulationstrainings erforderlich gewesen wären, um die B737 Max sicher zu fliegen, um alle Eventualitäten auszuschließen. Das Assistenzsystem MCAS spielte eine zentrale Rolle bei den Unglücken. Die FAA forderte seinerzeit nur ein kurzes computergestütztes Training für Piloten anstelle umfassenderer Übungen in Flugsimulatoren, was Boeing bis zu 1 Mio. US-Dollar pro Flugzeug hätte kosten können.

Die 737 MAX wurde im März 2017 zugelassen. Dabei war Forkner die direkte Kontaktperson zwischen dem Flugzeugbauer und der FAA. Die Fluggesellschaften, die die neueste Version der B 737 MAX bestellt und teilweise bereits n Betrieb genommen hatten, seien ebenso wie ihre Piloten nicht über die Funktionsweise der MCAS-Software unterrichtet worden, hieß es in der Anklage. "Das Justizministerium wird Betrug nicht dulden, vor allem nicht in Branchen, in denen so viel auf dem Spiel steht", sagte der texanische Bundesstaatsanwalt Chad Meacham. Im Fall einer Verurteilung hätten Forkner bis zu 100 Jahre Gefängnis gedroht. 

Wie sich im Laufe der Untersuchungen nach beiden Unglücken herausstellte, konnte MCAS in die korrekte Flugsteuerung  eingreifen und zu einer instabilen Fluglage führen. An sich sollte MCAS die Flugzeugführer unterstützen, die B 737 MAX in der richtigen Position zu halten. Es wurde notwendig, weil die Maschine eine modifizierte Version der B737 aus den 1960er Jahren ist. Die MAX bekam größere Triebwerke, dadurch konnte in manchen Fällen die Nase des Flugzeugs nach oben gehen. Die Software sollte dann gegensteuern und korrigieren. Weil die Piloten auch in den Handbüchern nichts über die Funktionsweise von MCAS und das erforderliche Gegensteuern finden konnten, waren sie nicht für den Fall der Fälle vorbereitet. Bei den zwei Abstürzen in Indonesien 2018 und in Äthiopien 2019 kamen deswegen 346 Menschen ums Leben.
Boeing hatte der US-Luftverkehrsbehörde FAA ursprünglich mitgeteilt, dass MCAS nur in einer seltenen Situation eingreifen solle, wenn die MAX scharfe Kurven bei hoher Geschwindigkeit fliege mache. Doch im November 2016 stellte Chef-Testpilot Forkner im Flugsimulator fest, dass das System auch bei deutlich niedrigerem Flugtempo aktiv wurde. "Also habe ich die Regulierer belogen (unwissentlich)", schrieb Forkner danach einem Kollegen im firmeninternen Chat. 

Verteidiger Forkners sagten in der Verhandlung in Fort Worth, Boeing-Ingenieure hätten Forkner nicht über Änderungen an der Flugsoftware MCAS informiert. Und die Anwälte betonten, Forkner sei ein Sündenbock für Boeing- und FAA-Beamte, die versuchten, die Schuld nach den beiden Max-Abstürzen von sich zu weisen und Forkner in die Schuhe zu schieben. Nach der Urteilsverkündung sagte Verteidiger David Gerger „Wir sind sehr dankbar, dass diese Jury und dieser Richter so klug, so fair und so unabhängig waren, dass sie das Spiel durchschaut haben.“

Die B 737 MAX war während der Untersuchungen für 20 Monate gegroundet worden. Erst spät und nach dem Rauswurf von CEO Dennis Muilenburg (58) - am 23. Dezember 2019 gab Boeing bekannt, dass Muilenburg mit sofortiger Wirkung auch von seinem Amt als CEO zurücktritt -, der die Aufklärung des Flls mehr behinderte denn förderte, gestand Boeing die Verantwortung für die Abstürze ein und stimmte einer Strafe von 2,5 Mrd. USD sowie Entschädigungszahlungen zu. Quelle: DMM