Geschäftsreise innerdeutsch nur mit Bahn oder Auto?

Es gab eine Zeit, als der Schienenfernverkehr dem Staat richtig viel Geld einbrachte, anstatt ihn nur welches zu kosten. Doch dann kamen Automobil und Flugzeug, und davon hat sich die Bahn nie wieder erholt, obwohl sie mit großem Abstand das umweltfreundlichste Verkehrsmittel (hinter Fahrrad und Fußgänger) ist. Im Angesicht der auch über Deutschland hereinbrechenden Klimakatastrophen erinnert sich die Politik wieder der Schiene.

Anja Karliczek, CDU-Bundesministerium für Bildung und Forschung, kann sich gut vorstellen, dass innerdeutsche Flüge abgeschafft werden. Foto BMBF

Heute gelten im Verkehrsbereich Flugzeuge und die wahnsinnige Lkw-Flut in Deutschland als die schlimmsten Umweltverschmutzer und Mitverursacher der Klimakatastrophen. Weil sich erkennbar mehr solcher Unheile auch in Deutschland, ereignen, flammt erneut die Diskussion auf, den innerdeutschen Flugverkehr einzustellen. Aktuell hält die CDU-Bundesbildungsministerin Anja Karliczek derlei für nicht ausgeschlossen. Der Bundesverband der Luftverkehrswirtschaft aber setzt auf mehr Kooperation von Fliegerei und Schiene.

Einige Folgen des Klimawandels seien nicht mehr abwendbar, sagte die Ministerin. Sie verwies auf die Hochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Es bestehe die Verpflichtung, sich dem Klimawandel entschiedener als bisher entgegenzustellen, sagte die Ministerin. Anja Karliczek ist sich einig mit den Grünen und sogar mit ihrer eigenen Partei, dass bei einer Einstellung des innerdeutschen Flugverkehrs die Schiene stark ausgebaut werden muss. Die Münsteranerin formulierte es so: „Wenn man sagt, wir wollen keinen innerdeutschen Flugverkehr mehr, dann muss man den Personenverkehr effizienter organisieren und weitere neue Schnellstrecken bauen.“ Und, so die Ministerin weiter, es dürfe keine weitere drei Jahrzehnte dauern, bis die zur Verfügung stehen. Das sei eine Entscheidung, die im neuen Bundestag in einem nächsten Koalitionsvertrag fixiert werden müsse.

Klingt gut und ist sicher auch im Sinne der Grünen, die höchstwahrscheinlich der nee Koalitionspartner von CDU/CSU werden. Freilich waren es in den letzten sechs Jahrzehnten ausgerechnet CDU/CSU geführte Regierungen, die  zusammen mit einem willfährigen und unfähigen dafür umso teureren Bahnmanagement für einen massiven Abbau des Schienenverkehrs gesorgt haben. Tausende Kilometer Gleise wurden abgebaut, Bahnhöfe verwahrlosten, die Bahn wurde unzuverlässiger und unpünktlicher. Seit den 1950er Jahren schrumpfte das Schienennetz im Bereich der heutigen Bundesrepublik von 52.000 km auf 33.400 km, das sind zusammen rund 36 %. Zwar ist der Schienenverkehr die Nummer zwei im deutschen Verkehrssystem. Im Güterverkehr betrug sein Marktanteil im Jahr 2020 gut 16 % und im Personenverkehr ca. 10 % %.

Alle innerdeutschen Flüge auf die Schiene zu verlagern wäre kurzfristig ohnehin kaum machbar. Dafür gibt es eine Reihe von Argumenten. Eines betrifft die Reisequalität. So sind in Normalzeiten (ohne Corona) die Fernzüge auf dem heutigen Streckennetz vor allem zu Stoßzeiten i.d.R. proppenvoll. Nicht jeder (Geschäftsreisende) erträgt übervolle Züge, zumal es sich dort auch kaum vernünftig arbeiten lässt. Weiteres Argument, die Reisedauer: Oft lange Fahrzeiten und die Unpünktlichkeit der Deutschen Bahn werden viele nicht zum Umsteigen bewegen. Im Fall von innerdeutschen Strecken etwa von München nach Hamburg, nach Düsseldorf oder sogar Frankfurt entscheiden sich daher viele Firmenkunden/Geschäftsreisende lieber fürs Flugzeug als für die Bahn. In Zeiten der Klimadebatte und der Flutkatastrophen eigentlich ein absolutes No-Go. Gegen übervolle Züge könnte die Bahn schon etwas tun, indem sie zu Stoßzeiten mehr oder längere Züge (bei ICE 3 z.B. Doppeltraktionen) einsetzen würde. Aber die Bahn hat nicht genügend ICE. Und bei den IC muss man konstatieren, dass die DB in den letzten zwei Jahren etliche Hundert IC-Wagen ausrangiert und teils verkauft hat. Laut einer Studie aus dem Jahr 2019 würden die meisten Deutschen innerdeutsch lieber Zugfahren anstatt zu fliegen, wenn die Reisedauer gleich lang wäre.

Weiteres Manko. Deutschland steckt weiterhin deutlich weniger Geld in sein Schienennetz als andere Länder und rangiert im europäischen Vergleich von zwölf Ländern ganz hinten. Die Schweiz investiert pro Kopf fünf Mal mehr, Spitzenreiter Luxemburg fast das Siebenfache. Das zeigt eine neue Studie der Hamburger Beratungsfirma SCI Verkehr und des Bündnisses Allianz pro Schiene (ApS), zu dem zwei Dutzend Umwelt- und Verkehrsorganisationen sowie 150 Unternehmen gehören. Mit 587 Euro pro Bürger lässt sich Luxemburg einen attraktiven Bahnverkehr mit Abstand am meisten kosten. Das kleine Land hat wegen vieler Autopendler massive Verkehrsprobleme und will mit Verlagerung auf die Schiene auch Umwelt und Klima besser vor Emissionen schützen. Platz 2 belegt die Schweiz mit 440 Euro pro Einwohner. Dahinter folgen Österreich (249), Norwegen (228), Schweden (220), Dänemark (141), die Niederlande (132), Großbritannien (131) und Italien (120).

In Deutschland flossen 2020 pro Kopf 88 Euro in die Schiene, ein Sechstel mehr als im Vorjahr und doch viel zu wenig. Nach wie vor vernachlässigte die noch amtierende  Bundesregierung das zweitwichtigste Verkehrsnetz, wie viele Jahrzehnte zuvor, massiv.  Stattdessen werden mit Straßen mit üppigen Steuermitteln immer weiter ausgebaut. Experten sprechen von einem Totalversagen der deutschen Verkehrspolitik. Der 2019 angestoßene Masterplan Schiene sei nur hohles Gerede.

Vorschlag des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Der Verband hat sich mit der Deutschen Bahn (DB) verabredet, die Ko-Modalität zu stärken. BDL und DB sind sich dabei einig, dass die Verkehrsträger so vernetzt werden sollen, dass ihre jeweiligen verkehrlichen, ökonomischen und ökologischen Vorteile optimal genutzt werden können. Dabei sieht der BDL ein nennenswertes Potenzial dafür, dass bei innerdeutschen Flügen und insbesondere im Zubringerverkehr zu internationalen Flugverbindungen künftig mehr Menschen den Zug nutzen, wenn bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden.

Der CO2-Ausstoß ist im Schienenverkehr deutlich geringer als im Flugverkehr. Folglich führen ein verbessertes Zusammenwirken der Verkehrsträger und eine daraus resultierende veränderte Verkehrsmittelwahl auch zu einer deutlichen Minderung der im Verkehr verursachten Treibhausgase. Beide Verkehrsträger arbeiten ferner intensiv an der Verbesserung ihrer jeweiligen CO2-Emissionen. So wird im Zeitraum bis 2030 der Luftverkehr seine Treibstoffeffizienz weiter, wie bisher, um jährlich 1,5 % p/a steigern. Im Schienenverkehr werden die Elektrifizierung und Nutzung alternativer Antriebe weiter ausgebaut. Der Bahnstrom soll bis 2030 zu 80 % und bis 2038 komplett aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden. Im Fokus steht die Zusammenarbeit im innerdeutschen Verkehr. 2019 war der innerdeutsche Luftverkehr mit einem Aufkommen von 23,1 Mio. Reisenden verbunden. Zu unter-scheiden ist dabei zwischen zwei Segmenten: dem Zubringerverkehr für internationale Flüge mit rund 8 Mio. Reisenden; dem Lokalverkehr, d. h. einer reinen Inlandsreise ohne Umstiege, mit rund 15 Mio. Reisenden.

Heute konzentrieren sich innerdeutsche Flüge auf längere Strecken, d. h. dort, wo die Reisezeit auf der Schiene es den Reisenden nicht ermöglicht, einen Termin an einem Tag wahrzunehmen. Auf kurzen Strecken wird der Luftverkehr fast ausschließlich von international umsteigenden Passagieren genutzt. Mit der Umsetzung der Maßnahmen wollen wir das gesamte Verkehrssystem für die Kundinnen und Kunden attraktiver machen und auch einen gemeinsamen Beitrag dazu leisten, dass die Klimaziele des Bundes erreicht werden können. Mit einem Infrastrukturausbau auf weiter hohem Niveau, leistungsstarken attraktiven Angeboten und verbesserten gemeinsamen Services entlang der Reisekette lässt sich das Mobilitätsangebot attraktiver machen und die Kundenfreundlichkeit steigern. Dies birgt auch das Potenzial, dass 4,3 Mio. Reisende statt dem Flugzeug die Schiene wählen. Dadurch ließen sich die CO2-Emissionen im innerdeutschen Luftverkehr um ein Sechstel verringern. Quelle: Bundesbildungs- und Forschungsministerium / BDL / DMM