Geschäftsreisen macht man mit der Bahn…

... Sicher. Klimafreundlich. Damit richtet sich die Deutsche Bahn seit längerer Zeit wieder direkt an Geschäftsreisende bzw. Planer von Dienstreisen - und zwar mit einer Reiseaufforderung in einer Deutlichkeit, die man aus Corona-Zeiten von dem Unternehmen so nicht kannte. Doch was verheißungsvoll klingt und in einem Youtube-Video auch sehr emotional rüberkommt, hat mit der Realität verdammt wenig zu tun. Wir haben es wieder mal erlebt. Am Montag, 20. Juni 2022 haben wir eine längere Geschäftsreise von Würzburg nach Essen unternommen. Standesgemäß mit dem Zug, wegen des CO2-Fußabdrucks und des Komforts (haha) und der Schnelligkeit (nochmal haha). Auto schied aus wegen der katastrophalen Bedingungen auf den Autobahnen mit ihren Lkw-Kolonnen, Flugzeug in unserem Fall auch.

ICE 726 München-Essen sollte es sein. Wir, pünktlich gegen 09.15 Uhr am Würzburger Hauptbahnhof. Der ICE sollte um 09.32 Uhr abfahren. Kaum am Bahnsteig angekommen, zeigt uns die elektronische Auskunft, dass der Zug 30 Minuten Verspätung hat. Aus den 30 Minuten wurden 40 und letztlich rollte der ICE 3 mit 43 Minuten Verspätung ein. Schon vorher hatten die Durchsagen die wartenden Reisenden mehrfach vertröstet mit dem Hinweis, die Verspätung sei Resultat einer verspäteten Bereitstellung des Zugs (am Ausgangsbahnhof München Hbf). Diese Version einer Begründung war uns neu. 

Die ICE-Doppelgarnitur, proppenvoll. Zum Glück hatte ich einen Sitzplatz reserviert. Wagen 21, Platz 78. Na, dann kann ja nichts mehr schief gehen, dachte ich mir noch beim Einsteigen. Aber da war der Wunsch wohl Vater des Gedankens. Ich quäle mich rein, zusammen mit zig weiteren Passagieren, habe kurz zuvor den Comfort-Check-in-angeklickt (damit braucht es keinen direkten Kontakt mehr bei der Fahrkartenkontrolle). Und was finde ich an „meinem“ Platz vor? Eine junge Dame mit einem Berg von Gepäck um sich herum gestapelt schläft auf beiden Sitzen. Ich will sie wecken, aber sie schläft tief und fest. 

Zum Glück war ein anderer freier Sitz in der Nähe, eigentlich laut Reservierungsanzeige besetzt. Glück im Unglück. Okay. Der ICE startet, nimmt aber die „alte Strecke“ durch das Maintal über Gemünden-Lohr, weil die Neubaustrecke Würzburg-Fulda wegen Sanierungsmaßnehmen bis fast Jahresende gesperrt ist. In Frankfurt haben wir dann 50 Minuten Verspätung. Bis Köln-Deutz sind ist es dann eine glatte Stunde. Und jetzt kommt’s. Der Zugführer (Chef der ZugbegleiterInnen) erklärt uns kurz bevor wir den Köln-Messe-Bahnhof erreichen, dass unser ICE leider nicht bis Essen fahren wird, sondern schon in Düsseldorf endet. Begründung: Die enorme Verspätung. Ab Düsseldorf sollten die sich die Fahrgäste um die Weiterreise mit Regionalzügen bzw. den Rhein-Ruhr-Express (RRX)-Zügen selber kümmern. 

Die Rückfahrt trat ich mit einem Thalys von Essen nach Köln an. Wollen doch mal sehen, was die Franzosen bzw. Belgier besser machen. Der frisch upgedatete französische Hochgeschwindigkeitszug war so etwas wie Balsam auf meine geschundene ICE-Seele. Kein Gedränge an Bord, zehnmal komfortablere Sitze als im ICE, toller Service an Bord, kurzum: das glatte Gegenteil einer immer wieder frustrierenden ICE-Fahrt. Und pünktlich waren wir auch noch. 

Ich hatte mir nach dem vormittäglichen Erlebnis vorgenommen, den ICE zurück nach Bayern erst ab Köln-Deutz zu nehmen. Ein Spaziergang von Köln Hauptbahnhof über den Rhein hinüber das Köln-Deutz soll ja gesund sein. Für den spätnachmittäglichen ICE 727 Essen-München hatte ich natürlich auch einen Sitzplatz reserviert. 

Am Hauptbahnhof von Köln trifft einen fast der Schlag. Menschenmassen zu ich weiß nicht wie vielen Tausenden drängelten sich an den Bahnsteigen. Klar, der Bahnhof im Zentrum der Karnevalsmetropole zählt er zu den meistfrequentierten Fernbahnhöfen der Deutschen Bahn. Und zurzeit wird er offensichtlich überrannt. Von Millionen, wie ich den Eindruck habe. Das 9-Euro-Ticket lässt grüßen. Verstopfte Treppenabgänge hinunter in das „Terminal“ des Hauptbahnhofs. Dort tackert man seine Habseligkeiten am besten am Körper fest; denn neben den üblichen zig Tausenden Reisenden tummelt sich in dem Menschengewirr allerlei zwielichtige Gestalten, nicht anders sieht es im Vorfeld des Bahnhofsgebäudes und an den Treppen zum benachbarten Dom aus. Hat man diesen Teil des Wegs heil überstanden und noch alle Sachen bei sich, beginnt der etwas entspanntere Teil der Reise: der Fußmarsch auf dem südlichen Gehweg der Hohenzollernbrücke hinüber zum Bahnhof Köln-Deutz.

Unterwegs ein Blick auf den DB-Navigator im Smartphone. „ICE 726 außergewöhnlich ausgelastet“, steht da geschrieben. Das kommt mir irgendwie bekannt vor. Und logisch auch, dass der Zug nicht pünktlich ist: 17.44 Uhr sollte er abfahren, genommen aber hat er sich die obligatorische Viertelstunde. Drinnen herrschte die gewohnte brechendvolle Enge, Stehparty im ICE, nennt man das. Zwei Minuten waren wir unterwegs, als der Zug plötzlich bremste und stehen blieb. „Wegen unbefugter Personen im Gleis bei Porz-Wahn“, so die Durchsage. Der Zusatz, Weiterfahrt auf unbestimmte Zeit verschoben, machte nicht nur mich eher weniger froh; denn in Würzburg stand ja mein Anschlusszug auf dem Spiel. 

In Frankfurt dauerte der Aufenthalt auch etwas länger als geplant, weil etliche Fahrgäste offensichtlich nicht lesen können und glaubten, sie wären soeben in einen ICE nach Köln eingestiegen. Mehrfach die Durchsage, die „Herrschaften“ befinden sich nicht im Zug nach Köln, sondern nach München. Dabei war draußen am Bahnsteig an den Zugzielanzeigern sowie an jedem Waggon in leuchtend roter Schrift groß und mächtig zu lesen, dass unser ICE 727 nach München fuhr und nicht nach Köln. Die Dummen sterben wohl nie aus. 

Mit plus 33 Minuten rollte unser ICE dann aus dem Sackbahnhof auf die Strecke Richtung Würzburg. Aber die Fahrfreude währte nur kurz. Die Bahn wäre nicht die Bahn, würde sie nicht einen weiteren Grund für eine zusätzliche Verspätung finden. Also rauschten wir nicht wie geplant flott bis zum nächsten Halt Aschaffenburg. Nein. In Frankfurt-Süd misste es ein außerordentlicher Stopp sein. Der Grund diesmal: Wechsel des Triebfahrzeugführers. Normalerweise erfolgt dieser Personalwechsel immer im Hauptbahnhof. Sei’s drum. 

Am Ende sogar noch ein Erfolgserlebnis. Am Info-Bildschirm war nämlich bis kurz vor Gemünden (wir fuhren statt über die Nantenbacher Kurve und die Schnellstrecke wiederum über die Altstrecke durch das Maintal) zu lesen, Ankunft in Würzburg um 20.54 Uhr. Tatsächlich, und das war man eine der äußerst seltenen aber glücklichen Fügungen im Fernverkehr der Deutschen Bahn, rollten wir um 20.40 Uhr in der Unterfrankenmetropole ein. Meinen Anschlusszug habe ich erwischt. Der blieb nämlich zehn Minuten länger stehen als erlaubt…    

Nochmal zurück zum Thema Geschäftsreisen: Den Machern in den Werbeagenturen der Deutschen Bahn empfehlen wir ganz dringend, nicht irgendwelche hohlen Sprüche im stillen Kämmerlein zu fabrizieren, ohne zu wissen, was sie da tun. Gernot Zielonka