Hauptverfahren gegen Ex-Audi-Chef beginnt

Rupert Stadler (57), von 2007 bis 2018 Vorstandsvorsitzender der Audi AG und in den Abgasskandal verwickelt, muss sich zusammen mit dem ehemaligen Motorenchef Wolfgang Hatz, dem früheren Dieseltechnik-Teamleiter Giovanni Pamio und dessen Mitarbeiter Henning L. wegen Betrugs, mittelbarer Falschbeurkundung und strafbarer Werbung vor Gericht verantworten. Das Landgericht München II hat die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen das Quartett im Wesentlichen unverändert zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet.

Die Staatsanwaltschaft München II hat im Strafverfahren im Zusammenhang mit der Diesel-Affäre betreffend AUDI-Motoren am 30.07.2019 gegen den früheren Vorsitzenden des Vorstands der AUDI AG, Prof. Rupert Stadler, sowie drei weitere Angeschuldigte Anklage zur Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München II erhoben.

Den vier Angeschuldigten wird Betrug, mittelbare Falschbeurkundung sowie strafbare Werbung vorgeworfen. Drei Angeschuldigten liegt zur Last, Motoren für Fahrzeuge der Marken Audi, VW und Porsche entwickelt zu haben, deren Steuerung mit einer unzulässigen Softwarefunktion ausgestattet war. Diese Softwarefunktion bewirkt, dass die Abgasminderung auf dem Rollenprüfstand anders (und besser) funktioniert als im realen Fahrbetrieb (sog. Abschalteinrichtung). Fahrzeuge mit den betroffenen Motoren sind in der Folge in großer Zahl abgesetzt und in den Verkehr gebracht worden. Dem Angeschuldigten Stadler wird vorgeworfen, spätestens ab Ende September 2015 von den Manipulationen Kenntnis gehabt und gleichwohl weiter den Absatz von betroffenen Fahrzeugen der Marken AUDI und VW veranlasst bzw. den Absatz nicht verhindert zu haben.

Von der Anklage umfasst sind insgesamt 250.712 Fahrzeuge der Marke Audi, 71.577 Fahrzeuge der Marke VW und 112.131 Fahrzeuge der Marke Porsche. Die Fahrzeuge sind insbesondere auf dem US-amerikanischen und europäischen Markt veräußert worden. Der Prozessbeginn soll am 30. September 2020 sein. Bis zum 20. Dezember 2022 sind insgesamt 176 Verhandlungstermine angesetzt.

Rupert Stadler hatte eine nach außen hin beinahe beispiellose Karriere hingelegt. Der Dipl.-Betriebswirt war am 06.Dezember 2006 vom Aufsichtsrat der Audi AG zum neuen Vorstandsvorsitzenden gewählt worden. Er trat sein Amt am 01. Januar 2007 als Nachfolger von Martin Winterkorn an, der damals als Vorstandsvorsitzender zum Mutterkonzern Volkswagen AHG gewechselt war. Ab 2010 war Stadler zugleich Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG. Zugleich fungierte Stadler in weiteren Gremien: Mitglied im Aufsichtsrat der Porsche Holding Gesellschaft, Präsident des Verwaltungsrats der Automobili Lamborghini S.p.A., Präsident des Verwaltungsrats der Volkswagen Group Italia S.P.A., Vorsitzender des Aufsichtsrats der MAN Truck & Bus AG, Mitglied im Aufsichtsrat der MAN SE, Mitglied im Verwaltungsrat der Italdesign Giugiaro S.p.A. und Mitglied im Aufsichtsrat der FC Bayern München AG. Zudem war Stadler Träger zahlloser hoher Auszeichnungen, was ebenfalls ziemlich typisch für Deutschland ist, wo nur selten und ungern hinter die Kulissen geblickt wird.

Stadlers Fall ist ebenso symptomatisch für so manchen anderen Konzernchef in Deutschland, die nicht zuketzt von vielen Medien vollkommen überschätzt werden, so auch im Fall Stadler. Zu Fall brachten ihn aber nicht deutsche Behörden, sondern letztlich die sehr viel ehrlicheren Behörden der USA, die vorher schon VW-Konzernchef des Betrugs bezichtigten und, anders als die deutschen Behörden, den Dieselskandal aufdeckten.

Der langjährige Audi-Chef soll spätestens ab 24. September 2015 von den Abgas-Manipulationen bei Audi-Dieselmotoren gewusst, aber den Verkauf der Autos trotzdem nicht verhindert haben. 120.398 Audis mit Abschalteinrichtung seien noch verkauft worden, nachdem Stadler wusste, dass sie nicht hätten verkauft werden dürfen. Die Volkswagen-Edeltochter musste sie später zurückrufen und mit einem Softwareupdate versehen. Die Kosten für das Update betrugen 228,82 Euro pro Fahrzeug, weshalb die Ankläger Stadler für einen Schaden von 27,5 Mio. Euro verantwortlich machen.

Wolfgang Hatz, Giovanni Pamio und Henning L. sollen sich laut Anklage für einen Schaden von bis zu 3,3 Mrd. Euro verantworten. Die Ermittler sind überzeugt, dass sie Hatz, Pamio und L. 424.420 betrügerische Einzelfälle nachweisen können, davon 356.526 in Europa und 77.894 in den USA.

Rupert Stadler und Wolfgang Hatz weisen bis heute sämtliche Vorwürfe scharf zurück. Pamio und L. dagegen haben gegenüber den Staatsanwälten eine Mitwirkung an den Manipulationen offenbart und leisteten aus deren Sicht darüber hinaus wertvolle „Aufklärungsarbeit“.

Sollten sich die Vorwürfe im Prozess bestätigen, drohen den Angeklagten mehrjährige Haftstrafen, maximal bis zu zehn Jahren. Angesichts der Dimension der vorgeworfenen Taten kommt laut Anklage eine weitgehende Ausschöpfung des Strafrahmens in Betracht, schreibt das Handelsblatt.

Stadler, Hatz und Pamio durften während ihrer monatelangen Untersuchungshaft bereits „gesiebte Luft schnuppern“. Alle drei wurden teils nur gegen strenge Auflagen und Kautionen in Millionenhöhe aus der Untersuchungshaft entlassen. Wie DMM berichtete, wurde Stadler seinerzeit wegen Verdunkelungsgefahr festgenommen, nachdem er in einem abgehörten Telefonat über die mögliche Beurlaubung eines Audi-Mitarbeiters gesprochen hatte. Ende Oktober 2018 kam er wieder frei, verlor dann seinen Posten bei Audi und musste das Unternehmen verlassen. Audi selbst musste ein von der Staatsanwaltschaft München II festgelegtes Bußgeld in Höhe von 800 Mio. Euro bezahlen.

Die Münchener Staatsanwaltschaft ermittelt neben der nun zugelassenen Anklage unterdessen noch gegen rund 20 weitere beschuldigte Mitarbeiter bzw. Ex-Mitarbeiter des Konzerns. Laut Insidern wollen die Strafverfolger die Ermittlungen noch in diesem Sommer zu einer weiteren Anklage bringen.

Wegen Betrugs müssen sich auch EX-VW-Konzernchef Martin Winterkorn sowie vier weitere Manager verantworten. Auch Winterkorn gibt bis heute das Unschuldslamm. Quelle: Staatsanwaltschaft München II / Handelsblatt / DMM