Ideen für effizientere und umweltfreundlichere Geschäftsreisen

Geschäftsreisen, besonders Flugreisen, sind maßgeblich am CO2-Ausstoß beteiligt und beeinflussen dadurch den Klimawandel signifikant. Vor diesem Hintergrund ist es für Unternehmen essenziell, ihre Mobilitätsstrategien zu überdenken.

B.A.U.M. e.V. und die Hochschule RheinMain haben das Mobilitätskonzept des deutschen Unternehmens Prior 1 im Rahmen des Projekts CO2meet untersucht. Ihre Analyse wurde in einem Fallstudienbericht zusammengefasst. Dieser Bericht beleuchtet sowohl die Erfolge als auch die Herausforderungen des Konzepts und bietet anderen Unternehmen wertvolle Anregungen und Einsichten für die Umsetzung ähnlicher Nachhaltigkeitsinitiativen.

Prior1, ein renommierter Spezialist für Rechenzentrumsinfrastruktur, hat sich der Nachhaltigkeit und dem Gemeinwohl verschrieben. Dieses Engagement wurde besonders deutlich, als das Unternehmen 2018 seine erste CO2-Bilanz erstellte und dabei die betriebsbedingte Mobilität als den größten möglichen Hebel zur Reduktion von Emissionen identifizierte. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen entwickelte Prior1 ein umfassendes Mobilitätskonzept, das heute alle Bereiche der betrieblichen Mobilität regelt. 

Umfassender Ansatz zur Förderung nachhaltiger Geschäftsreisen. Das Mobilitätskonzept von Prior1, erstmals 2018 eingeführt und zuletzt im April 2023 aktualisiert, umfasst Regelungen für alle Aspekte der betrieblichen Mobilität und gilt für das gesamte Unternehmen. Eine zentrale Maßnahme ist die Elektrifizierung des Fuhrparks: Ab 2024 werden keine fossil betriebenen Fahrzeuge mehr beschafft, mit Ausnahme von Montagefahrzeugen. Prior1 setzt auf die Vermeidung unnötiger Reisetätigkeiten und fördert aktiv die Nutzung von Elektrofahrzeugen, die mit 100 % Ökostrom oder selbst produziertem Strom geladen werden. Bei Prior1 ist klar: Elektrofahrzeuge sind derzeit die umweltfreundlichere Alternative. Sie sind aber nicht die ultimative Lösung, um die komplexen Anforderungen an eine nachhaltige Mobilität im Geschäftsumfeld zu erfüllen. Steigen Mitarbeitende auf kleinere Fahrzeuge um, erhalten Sie die Hälfte der Einsparungen als Lohnbestandsteil ausgezahlt.

Flugreisen werden stark eingeschränkt und bedürfen in absoluten Ausnahmefällen der Genehmigung durch die Geschäftsführung. Die Förderung der Homeoffice-Option, bereits seit 2014/2015 im Unternehmen verankert, trägt ebenfalls zur Reduktion der Reisetätigkeit bei. Darüber hinaus wird die Nutzung von Fahrrädern und E-Bikes durch ein Job-Leasing-Programm unterstützt.

Ein besonderer Fokus liegt auf der Förderung der Bahnreisen. Prior1 bietet finanzielle Anreize für Mitarbeitende, die anstelle des Dienstwagens oder Privat-PKWs die Bahn für Geschäftsreisen nutzen. Mitarbeitende im Außendienst erhalten beispielsweise eine BahnCard 50 der 2. Klasse. Zusätzlich gibt es Incentives für Mitarbeitende, die eine bestimmte Anzahl von Bahn-Kilometern im Jahr zurücklegen, wie zum Beispiel eine Prämie von 700 € für 5.000 Bahn-Kilometer. Diese Maßnahmen sollen die Mitarbeitenden dazu motivieren, umweltfreundlichere Verkehrsmittel für ihre Geschäftsreisen zu wählen.

Erfolge bei der Implementierung des Mobilitätskonzepts
Seit der Einführung seines Mobilitätskonzepts im Jahr 2018 hat Prior1 zahlreiche Erfolge erzielt, die eine wesentliche Transformation hin zu einer klimafreundlicheren betrieblichen Mobilität markieren. Diese Erfolge umfassen:

  1. Erfolgreiche Implementierung des Mobilitätskonzepts: Das Mobilitätskonzept wurde nicht nur erfolgreich eingeführt, sondern auch kontinuierlich angepasst, um aktuellen Herausforderungen und Bedürfnissen gerecht zu werden. Es dient als solide Grundlage für die nachhaltige Umgestaltung der Geschäftsreisepraxis im Unternehmen. 
  2. Wandel in den Kundenanforderungen: Eine signifikante Veränderung hat sich in den Erwartungen der Kunden ergeben. Während früher Online-Termine selten waren, bevorzugen diese seit der Corona-Pandemie vermehrt virtuelle Meetings. Dies hat zu einer deutlichen Reduktion der Notwendigkeit physischer Geschäftsreisen geführt und trägt somit direkt zur Verringerung des CO2-Ausstoßes bei. 
  3. Umdenken bei den Mitarbeitenden: Einige Mitarbeitende haben begonnen, alternative Mobilitätsoptionen zu wählen. Anstatt eines Dienstwagens greifen sie nun zur BahnCard100 1. Klasse für ihre Geschäftsreisen. Diese Wahl reflektiert ein gestiegenes Bewusstsein für Umweltfragen und den Wunsch, aktiv zum Umweltschutz beizutragen. 
  4. Reduktion der Flugreisen: Ein weiterer bedeutender Erfolg ist die drastische Reduktion von Flugreisen, die seit Einführung des Mobilitätskonzepts umfassend eingeschränkt wurden. In den letzten sechs Jahren gab es lediglich einen Flug, der nach sorgfältiger Prüfung von (leider nicht vorhandenen) Alternativen und Genehmigung durch die Geschäftsführung durchgeführt wurde. 
  5.   Umstellung auf E-Fuhrpark: Zusätzlich ist die Umstellung des Fuhrparks auf Elektromobilität ein wesentlicher Schritt, der ab 2024 komplett umgesetzt sein wird. Am Standort Weitefeld hat Prior1 ein energieeffizientes Gebäude errichtet, das mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet ist und die unternehmenseigenen E-Fahrzeuge mit Strom versorgt.

Herausforderungen und Hürden. Trotz der Erfolge, die Prior1 bereits erzielt hat, waren und sind die Herausforderungen auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Geschäftsreisepraxis nicht unerheblich und erschweren die schnelle, vollständige Umsetzung des Konzepts. Die Ursachen sind nicht nur unternehmensintern zu finden, sondern liegen weitgehend auch in gesellschaftlichen Strukturen:

  •  „Stiller Widerstand“ gegen die Bahn: Trotz der Bereitstellung von Anreizen wie der BahnCard und finanziellen Boni für die Nutzung der Bahn, zeigt sich ein zögerliches Verhalten bei einigen Mitarbeitenden. Die Bahn wird nicht so intensiv genutzt, wie von der Geschäftsführung erhofft. Dies deutet auf die Notwendigkeit hin, neben finanziellen Anreizen auch die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden zu stärken, um eine nachhaltigere Reisekultur zu fördern.
  • Kulturwandel: Die Änderung der Reisegewohnheiten erfordert einen tiefgreifenden Kulturwandel in der Gesellschaft und somit auch innerhalb des Unternehmens. Trotz der Fortschritte besteht bei einem Teil der Belegschaft weiterhin eine starke Präferenz für das Autofahren, was die Umsetzung des Mobilitätskonzepts erschwert. Besonders in technisch orientierten und männerdominierten Branchen, wie in der IT, wird das Auto oft als Statussymbol angesehen. Diese gesellschaftliche Wahrnehmung beeinflusst die Einstellung der Mitarbeitenden gegenüber alternativen Verkehrsmitteln und erschwert den Kulturwandel hin zu umweltfreundlicheren Reiseoptionen. 
  • Erreichbarkeit ländlicher Regionen: In einigen Fällen stellt die schlechte Erreichbarkeit ländlicher Regionen mit öffentlichen Verkehrsmitteln eine Herausforderung dar. Dies beeinträchtigt die Möglichkeit, auf umweltfreundlichere Reiseoptionen umzusteigen, insbesondere wenn es um den Besuch von Kunden oder Partner in abgelegenen Gebieten geht. 
  • Unzuverlässigkeit der Bahn: Die wahrgenommene Unzuverlässigkeit der Bahn trägt ebenfalls dazu bei, dass Mitarbeitende eher auf das Auto zurückgreifen. Verzögerungen und Ausfälle bei Bahnverbindungen sind für Geschäftsreisen problematisch und mindern die Akzeptanz der Bahn als bevorzugtes Verkehrsmittel.
  • Einschränkungen bei E-Fahrzeugen: Für größere Montagefahrzeuge gibt es aktuell noch keine adäquaten elektrischen Alternativen, da diese oft nicht die benötigte Leistung oder Reichweite bieten. Dies betrifft zwar nur einen kleinen Anteil der betrieblichen Mobilität, stellt aber dennoch eine Limitation in der vollständigen Elektrifizierung des Fuhrparks dar. 
  • Politische und wirtschaftliche Faktoren: Die momentanen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stellen eine weitere Herausforderung dar. So sind beispielsweise Flugreisen durch starke Subventionen oftmals günstiger als Bahnfahrten, was die Entscheidung für umweltfreundlichere Verkehrsmittel beeinflusst. Prior1 wünscht sich daher Unterstützung von politischer Seite, beispielsweise durch Regularien, die die Umsetzung von Maßnahmen für klimafreundliches Reisen erleichtern. Solche politischen Maßnahmen könnten helfen, die Wahrnehmung von umweltfreundlicheren Reisealternativen zu verändern und ihre Akzeptanz zu erhöhen.

Zukunftsperspektiven und Empfehlungen. Ein zentrales Ziel des Unternehmens ist es, die Anzahl der Fahrzeuge im Fuhrpark langfristig zu reduzieren, auch wenn dies momentan noch nicht vollständig umsetzbar ist. Der Fokus liegt derzeit auf der Reduktion von Emissionen durch den Übergang zur Elektromobilität. Im Rahmen dieses Prozesses plant Prior1, die bestehende Photovoltaikanlage zu erweitern, um die neu hinzukommenden Elektrofahrzeuge mit selbst produziertem Strom zu versorgen.

Zusätzlich zu diesen Maßnahmen überlegt Prior1, ein Carsharing-Modell einzuführen, das mit finanziellen Anreizen für die Mitarbeitenden verbunden sein soll. Diese Idee befindet sich noch in der Konzeptionsphase, da das Unternehmen darauf achtet, Fehlanreize zu vermeiden. Ein Risiko besteht darin, dass sich in dem Falle Mitarbeitende einen eigenen PKW für die Privatnutzung anschaffen, was dem eigentlichen Ziel der Umweltfreundlichkeit widersprechen würde. Aus diesem Grund sind weitere Überlegungen und Planungen erforderlich, bevor dieses Konzept angeboten wird.

Aus den Erfahrungen von Prior1 lassen sich wichtige Empfehlungen für andere Unternehmen ableiten, die ähnliche Strategien verfolgen möchten. Zum einen zeigt sich, dass die Veränderung von Mobilitätsstrukturen in Unternehmen ein komplexer Prozess ist, der sowohl strategische Planung als auch eine kulturelle Veränderung innerhalb des Unternehmens erfordert. Zum anderen unterstreicht die Fallstudie die Bedeutung von langfristigen, nachhaltigen Ansätzen, die über kurzfristige Lösungen hinausgehen und sowohl ökologische als auch ökonomische Aspekte berücksichtigen. Quelle: Prior1 / DMM