Ist Reisezeit gleich Arbeitszeit?

Die An- und Abreise zum Geschäftsreiseziel ist Arbeitszeit und muss als solche vergütet werden. So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil vom 17. Oktober 2018 entschieden. Dem Urteil ging ein Rechtsstreit voraus, im Zuge dessen ein Arbeitnehmer die vollumfängliche Vergütung seiner Hin- und Rückreise zu einer Auslandstätigkeit forderte. Doch profitieren Arbeitnehmer von der neuen Gesetzgebung?

SAP Concur (Anbieter von integrierten Lösungen für das Geschäftsreisemanagement) hat die Vergütung von Reisezeiten in einer repräsentativen Befragung unter 1.044 Berufstätigen in Deutschland ermittelt. Tatsächlich erhält fast die Hälfte der Arbeitnehmer keine vollständige Vergütung ihrer geschäftlich bedingten Reisezeit. Aber haben Arbeitgeber aktuell überhaupt die Möglichkeit, die Reisezeiten zu vergüten?

Klare Richtlinien entlasten Arbeitgeber und -nehmer. Basis für eine vollumfängliche Vergütung der An- und Abreisezeiten ist deren vollständige Erfassung. Hierfür sieht das BAG in seinem Urteil den Arbeitnehmer in der Pflicht. Laut der Umfrage von SAP Concur erfassen aber längst nicht alle Arbeitnehmer angefallene Reisezeiten: Nicht einmal 60 % der Befragten geben an, Reisezeiten im Flugzeug und in der Bahn als Arbeitszeit anzurechnen; nur für jeden Zweiten etwa zählt die Anfahrt zum Bahnhof und zum Flughafen zur Arbeitszeit. Wartezeiten vor Abfahrt oder Abflug erfassen rund 44 %, die Zeit für Sicherheitskontrollen nur etwa 35 %. Ein möglicher Grund könnte in unklaren Reiserichtlinien liegen. Drei von vier Arbeitnehmern geben an, keine eindeutigen Leitlinien für die Erfassung von Reisezeiten als Arbeitszeit zu haben. Besser aufgeklärt scheinen hier Angestellte in höherer Position zu sein: 75 % der leitenden Angestellten, Geschäftsführer und Vorstände erfassen die An- und Abreise mit Flugzeug und Bahn auf ihrer Geschäftsreise. Das BAG legt die Einführung von Richtlinien zur Erfassung von Reisezeiten ins Ermessen der Arbeitgeber. Unternehmen profitieren aber von klaren Regelungen, da sie hierdurch Streitigkeiten mit ihren Mitarbeitern vermeiden und zudem auch Kosten besser kontrollieren und einsparen können.

Noch gilt: lieber Reisekosten einsparen als Arbeitszeit. Haben Unternehmen keine Regelungen hinsichtlich zu bevorzugender Reiserouten und den damit verbundenen Reisezeiten getroffen, könnte das bei konsequenter Umsetzung des BAG-Urteils schnell teuer werden. Insbesondere wenn mit einer günstigen Verbindung mit Zwischenstopp beim Geschäftsreisenden eine deutlich längere Reisezeit anfällt und die Lohnkosten die eingesparten Ausgaben für die Anreise nicht aufwiegen. Wie die Studie zeigt, können Arbeitgeber ihre Richtlinien in diesem Bereich tatsächlich noch nachbessern. Nur etwas mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer (56 %) gibt an, dass ihr Unternehmen zum Thema Kosten beziehungsweise Dauer einer Geschäftsreise klare Regelungen getroffen hat. Hierbei erhält mit 33 % eher die kostengünstige Verbindung den Vorzug, während 23 % der Befragten vom Arbeitgeber dazu angehalten sind, die schnellste Reiseverbindung zu buchen. Quelle: SAP-Concur / DMM