Kampf der Reisebüros ums Überleben

In Deutschland gab es vor drei Jahren noch 11.029 Reisebüros, (Quelle Statista) und etwa 2.300 Reiseveranstalter (Quelle DRV). Seitdem hat ihre Zahl abgenommen auf ca. 10.200. in den USA sind es zurzeit etwa 62.800, weltweit rund 196.000. Ihnen allen gemein ist der Überlebenskampf. Denn die Coronapandemie lässt nicht locker und in immer mehr Ländern werden die Zügel bei den Reisebeschränkungen wieder angezogen. Corona ist aber nicht das einzige Problem der Reisebüro-Branche.

Wie viele Reisebüros das Ende des kommenden Jahres 2022 überleben werden, ist schwer vorherzusagen. Denn die allermeisten der deutschen Reisebüros werden nur mit Überbrückungshilfen und Kurzarbeitergeld überhaupt noch am Leben. Erhalten. Viele von ihnen standen schon 2019 unter Druck, weil immer mehr Menschen ihre Urlaubs- wie geschäftlichen Reisen im Internet und nicht in den Reisebüros buchen.

Auf etwa 24 Mrd. Euro beziffert der DRV die Umsatzausfälle bei Reisebüros und Veranstaltern seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020. Mit einer nachhaltigen Erholung für die Reisewirtschaft rechnet der Verband nicht vor 2023. Allein in Coronajahr 2020 sollen 68,7 Mrd. Euro an Umsätzen durch Tages- und Übernachtungstourismus gefehlt haben. Die Zahlen für 2021 liegen noch nicht vor, dürften sich aber auch auch mehr als 40 Mrd. Euro belaufen (Quelle: Deutscher Tourismusverband).

Im Zuge der Coronakrise , die uns der Wissenschaft zufolge vermutlich noch über viele Jahre in Atem halten wird, soll jedes fünfte stationäre Reisebüro verschwinden, glaubt Markus Heller, einer der beiden Geschäftsführenden Gesellschafter der Münchener Unternehmensberatung Dr. Fried & Partner GmbH. Und von denen, die in den kommenden Jahren überleben, werden nicht wenige in größeren Travel Agencies aufgehen. 

Zurzwei bewerten nur etwa 8,4 % der Reisebüroinhaber die aktuelle Lage als gut, 55 % sprechen von schlechter Situation (siehe Ergebnis des 200. Touristischen Vertriebsklimaindex der Unternehmensberatung Dr. Fried & Partner, eines vom Ifo-Index inspirierten Pulsmessers für die Reisebranche). Die Reisebüros sehen sich infolge der Ausbreitung der Corona-Virusmutanten laufen Stornierungswellen gegenüber ebenso wie beratungsintensiveren Kunden, die deutlich mehr Änderungswünsche haben als früher, und Veranstaltern, die ständig umplanen müssen.

Reisebüros verdienen ihr Geld mit Provisionen der Veranstalter, wenn sie deren Angebote verkaufen. Die Höhe dieser Provisionen liegt meist zwischen 6 und 12 % des Gesamtpreises. Das Geld gehört ihnen aber erst, wenn der Kunde die Reise auch wirklich antritt. Das kann ein Jahr und länger dauern.

Auch Marija Linnhoff, die Vorsitzende des Verbands unabhängiger selbständiger Reisebüros, erwartet viele Pleiten, spätestens im Frühjahr 2022, wenn die Überbrückungshilfen aufgebraucht sind, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Dies sei aber auch im Interesse jener Reisebüroinhaber, die gute Arbeit leisten. "Wir brauchen eine Marktbereinigung, damit wir endlich wieder Geld verdienen können", sagt Linnhoff, deren Verband aktuell etwa 7.000 Mitglieder zählt.

In der Branche wird viel darüber debattiert, wie sich der stationäre Reisevertrieb für die Zukunft aufstellen muss. Manche Reisebüroinhaber fragen sich, ob sie weiterhin nur als Vermittler beziehungsweise Handelsvertreter zwischen Kunden und Veranstaltern auftreten sollen oder ob es sich für sie lohnen könnte, auch eigene Reisen mit selbstkalkulierten Margen zu organisieren. Die Anzahl derjenigen, die sich für diesen Schritt gut gerüstet sehen, ist bislang jedoch gering. Laut einer Umfrage des Forschungsinstituts Centouris der Universität Passau unter 265 Reisebüros wollen 57 % am Handelsvertreterstatus festhalten.

Laut der Unternehmensberatung Dr. Fried & Partner haben vor der Pandemie etwa 60 % der Pauschalreisenden ihre Urlaube im stationären Reisebüro gebucht. Dieser Wert dürfte in Zukunft deutlich niedriger ausfallen. Umso wichtiger wird es, dass die Inhaber Strategien entwickeln, wie sie Kunden auch online für sich gewinnen können.

Ein weiteres Problem ist der Rückgang bei den Auszubildenden. Nur 621 Nachwuchskräfte begannen 2020 ihre Ausbildung als Tourismuskaufmann oder -frau, so die Statistik des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Das waren 1.000 Azubis weniger als im Vorjahr - ein noch nie da gewesenes Minus von 62 %. Für 2021 liegen noch keine Zahlen vor, aber eine Erholung gilt als unwahrscheinlich. Quellen: UB Dr. Fried & Partner / Statista / DRV / DTV / SZ / DMM