Klimafreundlicher Bahn fahren in Baden-Württemberg

Elektrifizierung oder Fahrzeuge mit alternativen Antrieben? Welche Strategie zukünftig für welche Bahnstrecke die beste ist, soll eine Studie beantworten, die das Land Baden-Württemberg gemeinsam mit regionalen Partnern für 16 nicht-elektrifizierte Strecken im „Ländle“ in Auftrag gegeben hat.

„Der Schienenverkehr ist Wegbereiter für eine klimafreundliche und nachhaltige Mobilität. Aus diesem Grund hat sich die Landesregierung das Ziel gesetzt, den Ausbau und die Elektrifizierung des Schienennetzes in Baden-Württemberg konsequent voranzutreiben und keine neuen Fahrzeuge mit Dieselantrieb mehr zu beschaffen“, so Berthold Frieß, Ministerialdirektor im Verkehrsministerium Baden-Württemberg am Dienstag (10. August 2021).

Oberleitung nicht überall die beste Wahl? Allerdings kann es sein, dass die Elektrifizierung von Strecken über eine Oberleitung nicht überall die beste Wahl und zu aufwändig ist. Auf manchen Eisenbahnstrecken können alternative Antriebsformen, wie Wasserstoff-Hybrid-Züge (H2MU) oder Oberleitungs-/Batterie-Hybridzüge (BEMU), schneller und wirtschaftlicher auf das Gleis gesetzt werden. Aber auf welche Technologien soll das Land in den einzelnen Netzen setzen? Welche Synergieeffekte lassen sich nutzen? Wo ist zukünftig eine Elektrifizierung der Bahnstrecke mit Fahrdraht sinnvoll? Wann eine Strategie zur fahrzeugseitigen Elektrifizierung angebracht? Und wann sind die optimalen Zeitpunkte für eine Umsetzung?
Diese Fragen sollen mittels der Studie für 16 nicht-elektrifizierte Stecken beantwortet werden. Es handelt sich dabei um diejenigen Strecken, welche im Elektrifizierungskonzept in der Kategorie 3 „Langfristiger Bedarf/fahrzeugseitige Lösungen“ zugeordnet sind. Der Auftrag zur Ausarbeitung der Studie ging an eine Bietergemeinschaft aus der TransportTechnologie-Consult Karlsruhe GmbH und der komobile w7 GmbH (Wien). Das Angebot hat sich in einem großen Wettbewerberfeld von Bietern durchsetzen können.

Gutachter untersuchen Bahnstrecken im Land. Der Gutachter wird neben dem Einsatz von elektrischen Zügen mit Oberleitungselektrifizierung, den Einsatz von Wasserstoff-Hybrid- (H2MU), von Oberleitungs-/Batterie-Hybridzügen (BEMU) und von Dieselhybridzügen auf Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit untersuchen. Je nach Option ist an den Strecken zusätzliche Infrastruktur wie etwa Wasserstofftankstellen oder Oberleitungsinseln erforderlich. Auch fahrzeugtechnische Aspekte wie Beschleunigungs- und Bremsverhalten sowie der Energiebedarf der Fahrzeuge – inkl. Nebenverbraucher wie Heizung, Lüftung, Klimatisierung, Druckluft – spielen eine wichtige Rolle für die Planung des künftigen Fahrzeugeinsatzes. Nicht zuletzt werden auch die CO2-Emissionen der einzelnen Optionen verglichen. Schließlich sollen die Ergebnisse für die einzelnen Strecken in strategische Empfehlungen für das ganze Land überführt werden.

Wasserstoffzug und Batteriezüge fahren auch in Baden-Württemberg. Ministerialdirektor Frieß weiter: „Auf der Zollern-Alb-Bahn rollt seit wenigen Tagen ein Brennstoffzellenzug des Typs iLint im Probetrieb. Im Netz 8 „Ortenau“ gehen ab Dezember 2023 batterie-elektrische Fahrzeuge in den Alltagsbetrieb. In diesen Einzelprojekten können wir wertvolle Erfahrungen mit alternativen Antrieben sammeln. Mit dem jetzt vergebenen Gutachten behalten wir aber das große Ganze im Blick und entwickeln eine Strategie für den lokal-emissionsfreien und nachhaltigen Schienenverkehr in ganz Baden-Württemberg.“

Bund bei Finanzierung gefordert. Entscheidend für die spätere Umsetzung der Strategie wird die Frage der Finanzierung sein. Denn durch die Elektrifizierung von Strecken, aber auch die Anschaffung von Fahrzeugen entstehen beachtliche Kosten. „Diese finanziellen Lasten können nicht alleine vom Land getragen werden. Zum Erreichen der Klimaschutzziele ist auch der Bund in der Verantwortung. Der Ausbau der bundeseigenen Infrastruktur muss gefördert und die Regionalisierungsmittel müssen erhöht werden, damit mehr Verkehr mit innovativen Fahrzeugen auf den Schienen unterwegs sein kann“, forderte Ministerialdirektor Frieß. Erste Ergebnisse werden Anfang 2022 erwartet, der Abschluss des Projekts ist Mitte des Jahres 2022 vorgesehen.

Welche Strecken werden untersucht? Es werden diejenigen Bahnlinien untersucht, welche im Elektrifizierungskonzept des Landes Baden-Württemberg der Kategorie 3 „Langfristiger Bedarf/fahrzeugseitige Lösungen“ zugeordnet sind und bei denen noch kein Einsatz von Fahrzeugen mit lokal emissionsfreien Antrieben konkret geplant ist.
Untersucht werden insgesamt 16 Strecken, für zwölf davon ist das Land als Aufgabenträger zuständig. Außerdem beteiligen sich an der Studie der Verband Region Stuttgart (für die Teckbahn, Kirchheim (Teck) – Oberlenningen), der Zweckverband Strohgäubahn (Korntal – Weissach) und der Landkreis Esslingen (für die Tälesbahn, Nürtingen – Neuffen).

Die zu untersuchenden Bahnlinen:
• Pforzheim – Nagold 46 km
• Öhringen-Cappel – Schwäbisch Hall-Hessental 32 km
• Crailsheim – Königshofen (Baden) 70 km
• Lauda – Miltenberg 63 km
• Seckach – Miltenberg 39 km
• Aulendorf – Kißlegg 29 km
• Hintschingen – Geisingen-Leipferdingen und weiter nach Blumberg-Riedöschingen 16 km
• Ulm – Munderkingen 45 km
• Munderkingen – Herbertingen 31 km
• Sigmaringen – Aulendorf 41 km
• Immendingen – Tuttlingen 10 km
• Sigmaringen – Fridingen 28 km
• Fridingen – Tuttlingen 14 km
Quelle: Ministerium für Verkehr des Landes BW / DMM