Lieber heuern als selber steuern

Das eigene Auto verliert in den urbanen Zentren der Welt zunehmend an Bedeutung. Gerade jüngere Großstadtbewohner, auch in Deutschland, setzen auf „Sharing“-Modelle, um individuell mobil zu sein. Konzepte wie Car-Sharing und „Ride Hailing“ – bei letzterem werden i.dR. Fahrten und Fahrer über eine App bestellt (UBER, Lyft & Co.) und in Privatfahrzeugen ausgeführt – gewinnen global an Bekanntheit und werden verstärkt genutzt. In eher gering regulierten Märkten wenden sich die Verbraucher zunehmend dem Ride Hailing zu.

Deutschland mit seiner stark regulierten Personenbeförderung hingegen bleibt ein Car-Sharing-Markt. Der Wettbewerb zwischen beiden Modellen wird aber in zehn bis 15 Jahren keine entscheidende Rolle mehr spielen. Autonom fahrende Autos wie Robotaxis werden den Individualverkehr in den Ballungszentren maßgeblich transformieren. Das sind Ergebnisse einer aktuellen Umfrage, die das global tätige Beratungsunternehmen AlixPartners unter Verbrauchern weltweit in Großstädten in Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, China, Japan und den USA durchführen ließ. 

Großstädter in vielen europäischen Ländern, in den USA sowie in China und Japan kennen und nutzen Sharing-Modelle, um sich in ihrem Wohn- und Lebensraum individuell zu bewegen. Der Bekanntheitsgrad dieser Mobilitäts-Modelle ist sehr hoch – weist aber starke länderspezifische Unterschiede auf. Ride Hailing mit dem wohl prominentesten Player Uber erreicht in den chinesischen Ballungszentren einen Bekanntheitsgrad von 99 % – der internationale Spitzenwert. In den Großstädten Japans kennen nur 63 % das Modell, die niedrigste Rate. Auch in Deutschland ist der Bekanntheitsgrad von Ride Hailing in Großstädten wie Berlin, Hamburg, München, Düsseldorf und Frankfurt mit 74 % vergleichsweise gering. Dafür kennen 95 % der deutschen Großstädter Car-Sharing, der weltweit höchste Wert für diese Form individueller Mobilität.  Sechs der sieben analysierten Länder lassen sich laut AlixPartners-Umfrage entweder als Ride-Hailing-Märkte (China, Großbritannien, Frankreich und die USA) oder als Car-Sharing-Märkte klassifizieren (Deutschland, Japan), nur Italien nimmt eine Zwischenposition ein. Laut AlixPartners-Umfrage haben beispielsweise nur 29 % der chinesischen Großstadtbewohner über die letzten drei Monate Car-Sharing genutzt, 61 % dagegen Ride Hailing. In Deutschland und Japan hingegen nutzen deutlich mehr Menschen Car-Sharing als Ride Hailing.

Welches Sharing-Modell bevorzugt wird, scheint stark abhängig vom Grad der staatlichen Regulierung in den jeweiligen Ländern. Die Regulierung der Personenbeförderung in Deutschland etwa begrenzt die Entwicklungsmöglichkeiten von Uber und ähnlichen Anbietern. Zudem könnte ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) einen europaweiten Regulierungsschub auslösen. Der EuGH hatte Ende Dezember 2017 entschieden, dass Uber rechtlich Taxiunternehmen gleichzustellen sei. Für Ride Hailing könnte es damit in Europa schwerer werden, sich schnell und auf breiter Front gegen Car-Sharing durchzusetzen. Nichtsdestotrotz lässt die Entwicklung in eher leicht regulierten Märkten wie den USA darauf schließen, dass sich Uber, lyft oder auch der französische Anbieter Chaffeur Privé – die Beteiligung an diesem Unternehmen hatte Daimler vor wenigen Tagen angekündigt – in allen Ländern zunehmend durchsetzen würden, sofern der regulatorische Rahmen schwach ausgeprägt bliebe.

„Für Ride Hailing rechnen wir in den nächsten Jahren global mit wachsenden Nutzerzahlen – auch wenn für Europa eine gewisse Unwägbarkeit im Blick auf das EuGH-Urteil bleibt. Die Ergebnisse unserer weltweiten Umfrage deuten darauf hin, dass sich Ride Hailing global wohl zum beliebteren der beiden Mobilitätmodelle entwickeln und wachsende Nutzerzahl aufweisen wird. Deutschland wird allerdings – sofern sich der der regulatorische Rahmen nicht ändert – ein Car-Sharing-Markt bleiben“, erläutert Maximilian Coqui, Managing Director bei AlixPartners und einer der Initiatoren der Mobilitätsumfrage. 

Die steigende Beliebtheit von Sharing-Modellen kann sich laut AlixPartners auch auf die Pkw-Verkaufszahlen auswirken. In der Umfrage gaben in den europäischen Ländern zwischen 50 und 60 % der Ride-Hailing- bzw. Car-Sharing-Nutzer an, dass sie die Verschiebung eines Autokaufs erwägen oder aber den Kauf ganz sein lassen könnten. 

Autonomes Fahren verändert städtischen Individualverkehr. Sollten sich autonom fahrende Autos zunehmend durchsetzen – eine Entwicklung, die AlixPartners bis um das Jahr 2030 als wahrscheinlich erachtet – könnten beide Sharing-Modelle schnell Marktanteile verlieren und Robotaxis an ihre Stelle treten. Offen für die autonome Zukunft scheinen dabei vor allem die Bewohner chinesischer Ballungszentren: Die Bereitschaft Robotaxis zu nutzen, ist dort mit 62 % besonders stark ausgeprägt, in den USA mit 29 % besonders schwach. 

„In den urbanen Zentren Chinas haben sich neue Formen der Mobilität schon jetzt schneller und mit mehr Wucht durchgesetzt als in Europa und in den USA. In China scheint es deutlich weniger Bedenken gegen Neues zu geben als in den westlichen Ländern“, kommentiert Elmar Kades, Managing Director und Automobilexperte bei AlixPartners. „Schon allein die Größe des chinesischen Marktes wird disruptiv wirkenden Mobilitätsmodellen, wie autonom fahrenden Autos und Taxis, einen deutlichen Impulse geben. Autohersteller und Mobilitätsanbieter müssen sich auf die chinesischen Bedürfnisse einstellen, um im weltweiten Wettbewerb zu bestehen. Die Transformation der individuellen Mobilität in den Großstädten hat aber weltweit – wenn auch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten – begonnen. Und diese Transformation hat Auswirkungen auf die Automobilindustrie und die Verbraucher.“

Über die Analyse: Für die AlixPartners-Analyse wurden von Mai bis Juni 2017 insgesamt rund 5.000 Verbraucher aus Ballungszentren in den sieben Kernmärkten Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, China, Japan und den USA befragt. Die Analyseteilnehmer machten Angaben zu Bekanntheit, Nutzung und persönlichen Einstellung zu „Sharing-Modellen“ und deren Auswirkung auf den Individualverkehr.