Lkw-Flut macht Deutschland zur Sau

Auf Dutzenden Kilometern staut sich der Verkehr auf den Autobahnen vor der polnischen Grenze. Nun ist in dem Chaos südöstlich von Berlin bei einem Unfall ein Mensch ums Leben gekommen. Müsste alles nicht sein, gäbe es keine derart schizophrene Verkehrspolitik in Europa. Hunderttausende von Lkw könnten mit wenigen Shuttlezügen auf der Schiene befördert werden und es gäbe keinen einzigen Kilometer Stau.

Der Lkw-Wahnsinn in Deutschkand wird immer schlimmer. Er ist wie ein Krebsgeschwür und steht der Corona-Pandemie in nichts nach. Foto: G. Zielonka

Seit Jahren leidet insbesondere die Bundesrepublik Deutschland unter einer massiven Zunahme des Straßengüterverkehrs. Im gleichen Maß sinken die Gütertransporte auf der Tausendmal umweltfreundlicheren Schiene. Der Lkw-Verkehr ist das Krebsgeschwür im Verkehrswesen. Er verursacht allein in Deutschland volkswirtschaftliche Schäden von mehreren hundert Milliarden Euro. Täglichen rauschen bis zu 8 Mio. Brummis über unsere Fern- und Landstraßen, donnern inzwischen durch kleinste Dörfer, stellen Rastanlagen und Wohngebiete zu und die Politik schaut einfach zu. Vernünftigerweise sollte es zu einem erheblichen Reduzierung des Straßengüterverkehrs kommen, aber das Geschwafel der Politik, das seit Jahren davon schwadroniert, es müsse zu einer Verlagerung der Transporte auf die Schiene kommen, verpufft. Stattdessen nimmt die unerträgliche Flut an Lkw Tag für Tag zu.

Das Verrückte: Viele Speditionen halten ihre Lkw-Fahrer, die meist aus Billiglohnländern stammen und für ein paar hundert Euro im Monat „auf dem Bock sitzen“, an, möglichst Autobahnen zu meiden und verstärkt über Landstraßen zu donnern. Dann berechnen viele „gerissene Speditions-Disponenten“ den Kunden zwar die Lkw-Maut, tatsächlich aber bezahlen viele Speditionen diese Straßenbenutzungsgebühr nicht. Heraus kommen hohe unredlich erwirtschaftete Gewinne, die natürlich am Finanzamt vorbei gemogelt werden. Das ist Betrug der übelsten Masche, bei dem die Bundesregierung tatenlos zuschaut.

Leidtragende sind die Autofahrer. Sie kommen oft genug nicht mehr vernünftig voran; denn zu oft blockieren Lkw die Straßen, erst recht, wenn es zu Staus kommt. Auf dreispurigen Autobahnen ist heute die Regeln, dass zwei davon mit Lkw belegt sind. Und wenn die Dämmerung hereinbricht, können Pkw-Fahrer so gut wie nie auf Parkplätze abfahren, die sind generell dicht. Und auch bei den großen Rastanlagen machen sich die Brummikapitäne wie selbstverständlich breit auf allen Pkw-Parkplätzen. Und die Bundesregierung sowie Polizeibehörden schauen zu.

Oft genug stellen der Not gehorchend aber ungesetzlich Lkw-Chauffeure ihre Gefährte einfach am Rand von Autobahnbaustellen oder auf der Standspur ab, des Nachts nicht selten ohne Beleuchtung, wie wir immer wieder auf unseren Heimfahrten vom Flughafen Frankfurt feststellen. Ganz übel aber ist, dass die Brummis selbst die für Elektroautos vorgehaltenen Stellflächen an den Rastanlagen in den Abendstunden und die ganze Nacht hindurch zustellen. Soll so die E-Mobilität weiter behindert werden? Fakt ist: Die Bundesregierung und die Polizei schauen zu. In den USA traut sich kein einziger Trucker so etwas; denn dort überwachen Sheriffs auch die Rastanlagen. Und sollte es ein Truckerfahrer wagen, sich vor eine E-Ladesäule zu stellen, ist er mit minimum 1.000 Dollar dabei. Beim zweiten Mal landet er hinter Gittern. Und das ist gut so und sollte auch in Deutschland eingeführt werden.  

Apokalyptische Brummi-Hasardeure. Dass viele Brummifahrer absolut rücksichtslos unterwegs sind, haben wir vor drei Wochen auf der Nachhausefahrt von einer Geschäftsreise vom Frankfurter Flughafen nach Kitzingen über die A3 erlebt. Da gab es einen heftigen Wintereinbruch. Über den Spessart und Würzburg hinaus war ein Vorwärtskommen kaum noch möglich. Mit Sommerbereifung ausgestattete Tausende Lkw rutschten gefährlich über alle drei, teils vierspurigen Fahrbahnen oder blockierten sie. Und ging es mal ein klein wenig vorwärts, die automatische Geschwindigkeitsleitanzeigen gaben maximal 40 oder 60 km/h vor, gab es bei vielen Lkw-Fahrern kein Halten mehr. Sie fuhren bis auf wenige Meter auf, hupten und blinkten und überholten trotz Überholverbots mal rechts mal links. Wir haben einen slowenischen Sattelzug beobachtet, der uns in Angst und Schrecken versetzte. Nach mehrmaligen Versuchen unter lautem Gehupe setzte er auf schneebedeckter Fahrbahn an, uns links zu überholen. Dann scherte er knapp vor uns ein, zog dann nach rechts, wobei er seine eigenen Berufskollegen zu Vollbremsungen zwang. Dabei überholte er rechts einen Pkw, der vor uns unterwegs war. Noch auf Höhe unseres Vordermanns scherte der Lkw-Fahrer nach links aus, riss dabei unserem Vordermann den rechten vorderen Kotflügel ab und raste trotz Eisesglätte weiter. Sekunden später wurden wir von einem Fahrer eines Rosenheimer Sattelzugs ebenfalls trotz Überholverbots links überholt. Zum Zeitpunkt dieser Vorfälle schneite es so stark, dass wir die Kennzeichen in der Dunkelheit nicht genau ablesen konnten. Eingeholt haben wir die Beiden auf den restlichen 60 Kilometern nicht mehr.

Die kilometerlangen Staus von Lastwagen auf A4, A11, A12 etc. an der deutsch-polnischen Grenze sind eine Folge der geradezu verbrecherischen Verkehrspolitik. Und hat mal jemand im Bundesverkehrsministerium die Rechnung aufgemacht, welch ökologischen Wahnsinn der überbordende Lkw-Verkehr bedeutet? Die großen Brummis konsumieren nach wie vor zwischen 50 und 100 Liter Diesel auf 100 km. Sie stoßen im Gegensatz zu Pkw das Tausendfache an Schadstoffen aus. Ein Güterzug ersetzt locker bis zu 120 Sattelzüge, verbraucht dabei höchstens 3 % der Energie von 120 Sattelzügen. Wäre es nicht langsam an der Zeit, dem Lkw-Irrsinn ein Ende zu bereiten? Könnte man sich in der EU nicht darauf verständigen, jegliche Subventionen für den Straßengüterverkehr zu streichen? Für das Geld könnte man jedes Jahr zehn riesige Shuttlebahnhöfe an den Grenzen von Weißrussland zu Polen, von Ungarn und Italien zu Österreich, Portugal/Spanien zu Frankreich, von Benelux zu Deutschland bauen. Heute ist es technisch längst möglich, Güterzüge auf der Schiene im Minutenabstand fahren zu lassen.

Und müssen die sündhaft teuren Neubaustrecken der Bahn des Nachts leer bleiben? Es ist zudem ein Märchen, dass Schnellstrecken nicht von Güterzügen befahren werden können. Im Sandwichverkehr mit Lokomotiven am Anfang und am Ende eines Zuges sowie in der Mitte, und das beweisen selbst 30.000 t schwere Güterzüge in den USA, lassen sich selbst große Steigungen bewältigen. Stimmt: In Nordamerika haben die Bahnen ähnlich wie in Russland auch automatische Mittelpufferkupplungen, die um ein Vielfaches leistungsfähiger sind als die über 180 Jahre alten Schraubenkupplungen in Europa. Mit den irren Summen, die der Lkw-Verkehr verschlingt, könnte man sämtliches rollendes Eisenbahnmaterial in Europa hundertfach mit den leistungsfähigeren Mittelpufferkupplungssystem ausrüsten und die Voraussetzung dafür schaffen, dass endlich der Güterverkehr dorthin kommt, wo er hingehört: auf die Schiene.

Zum Schluss noch eine Sache, die mich ebenfalls in diesem Land massiv stört: Die Rastanlagen an den Bundesfernstraßen sind katastrophal, was ihre Sauberkeit betrifft. Ich rede nicht von den Restaurantgebäuden, sondern von den Stellflächen. Millionen von weggeworfenen Zigarettenkippen, Flaschen, Tüten und andere unangenehme Hinterlassenschaften zumeist von Truckern ergeben ein hässliche Bild Deutschlands. Waren Sie schon mal in den USA auf einer Rastanlage und da auf einem WC? Dort kann man selbst im WC essen, so sauber sind die Anlagen. Versuchen Sie das mal auf den völlig verdreckten Anlagen in Deutschland…  DMM